Radioempfang in der Schweiz Der – vorerst – letzte Kampf um das UKW-Radio
Der Nationalrat debattiert über einen Vorstoss, der die Abschaltung des Radiostandards ausbremsen soll. Es ist ein Kapitel in einer schier unendlichen Geschichte – in der das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
UKW-Radio ist ein Dinosaurier unter den Radiotechnologien. 2024 soll in der Schweiz – bildlich gesprochen – der Meteorit einschlagen und den Radiostandard auslöschen. Das ist das vorgegebene Ziel – als Ersatz wurde DAB+ aufgebaut.
Was das für alle heisst, die heute noch über UKW Radio hören, ist klar: Damit ist Schluss, die Geräte sind nutzlos. Und wer im Auto noch einen UKW-Anschluss hat, muss umstellen. Etwa mit einem Adapter für DAB+.
Doch das letzte Wort um das Ende von UKW ist noch nicht gesprochen. Am Mittwoch diskutiert der Nationalrat über eine Motion, die das Ende hinauszögern soll. Es ist ein weiteres Kapitel im Kampf um UKW.
Wie entscheidet der Nationalrat?
Motionär und Ständerat Ruedi Noser (FDP, ZH) schreibt in seinem Vorstoss: «Der Bundesrat wird beauftragt, UKW erst dann abzuschalten, wenn DAB und/oder der Internet-Radioempfang einen Marktanteil von etwa 90 Prozent erreicht haben.»
Der Ständerat hat die Motion bereits angenommen. Der Bundesrat empfiehlt den Vorstoss ebenfalls zur Annahme. Doch nicht, weil er UKW tatsächlich retten will. Sondern aus einem ganz anderen Grund: «Der Bundesrat hat die Motion Noser zur Annahme empfohlen, weil er davon ausging, dass die Forderung eines Marktanteils von DAB und/oder Internet-Radioempfang von etwa 90 Prozent bis Ende 2024 erfüllt sein wird», heisst es vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom).
Heute hörten gemäss den letzten verfügbaren Zahlen 12 Prozent des Publikums ihre Radioprogramme ausschliesslich über UKW, schreibt der Bundesrat. Das Ziel der Motion scheint also in Sichtweite zu sein – zumindest in der Auslegung des Bundesrats.
Noch immer ein Viertel Marktanteil
Doch so einfach ist das alles nicht. Gerade im Auto sind noch viele Leute auf UKW angewiesen, und auch sonst gibt es viele, die an verschiedenen Orten unterschiedliche Verbreitungsarten nutzen. Unterwegs vielleicht über das Internet, im Büro über den alten UKW-Radio und zu Hause über DAB+. Insgesamt hat UKW deshalb noch immer einen Marktanteil von 25 Prozent.
«Es wäre grob fahrlässig, UKW vorzeitig abzuschalten.»
Einer, der in den letzten Jahren gegen das Ende von UKW gekämpft hat, ist Roger Schawinski. Der Radiopionier machte im vergangenen Jahr mit der Petition «Rettet UKW» Druck. Für Schawinski ist weiterhin klar: Das baldige Abschalten ist ein Fehler. «Das grosse Problem dabei: 50 Prozent der Autos können heute gar kein DAB+ empfangen. Solange sich das nicht massiv ändert, wäre es fatal, UKW abzuschalten.»
Dann sei man eine Insel mitten in Europa. «Kommt dazu: DAB+ ist alles andere als krisensicher. Und gerade im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine kommt dieser Überlegung eine neue Bedeutung zu. Es wäre deshalb grob fahrlässig, UKW vorzeitig abzuschalten.»
Schawinski sagt zudem, dass DAB+ ohne die Subventionen schon längst tot wäre, und es habe sich bisher nicht richtig durchgesetzt. «Doch offenbar haben die Verantwortlichen Angst, das Gesicht zu verlieren, wenn sie zurückbuchstabieren müssten.»
Was Schawinski anspricht: DAB+, der Standard, der UKW ersetzen soll, ist zwar heute die erste Wahl der Hörerinnen und Hörer. Aber der Vorsprung auf Internetradio schmilzt. Gut möglich, dass das Internet bald DAB+ überholt.
Ein Selbstläufer ist die Abschaltung von UKW also nicht – wenn die Radiobranche nicht einen Teil ihrer Hörerinnen und Hörer verärgern will. Dabei arbeitet man schon lange an der Abschaltung – und musste immer wieder Rückschläge hinnehmen.
Die Idee war einmal, dass 2021 das Ende von UKW kommen sollte. Doch wurde dieser Termin verschoben. 2020 beschlossen dann Branchenvertreter den Ausstieg auf 2022. Doch dieser Termin wurde ebenfalls nach hinten verschoben. Nun soll das Ende 2024 kommen – so wie es 2014 eigentlich ursprünglich geplant war.
Das Ende rückt näher
Wenn der Nationalrat am Mittwoch seiner Kommission folgt, lehnt er die Motion von Ruedi Noser ab. Damit würde das Ende von UKW näher rücken.
Hat Schawinski noch einen Pfeil im Köcher? «Ich habe schon einiges getan», so Schawinski. Seine Hoffnung liege nun vor allem «in der klar formulierten Motion» von Nationalrat Thomas Aeschi (SVP, ZG), die noch hängig ist.
Diese fordert ein Moratorium für die Abschaltung von UKW. Sie dürfte schon bald im Nationalrat diskutiert werden – und könnte dann tatsächlich der letzte Kampf für die Erhaltung von UKW sein.
Fehler gefunden?Jetzt melden.