Biden in Europa+++ US-Präsident hofiert die EU +++ Ehepaar Biden nach G7-Gipfel von der Queen empfangen
Joe Biden absolviert derzeit seine Europa-Tour. Es ist die erste Auslandreise des neuen US-Präsidenten.
Das Wichtigste in Kürze
Joe Bidens erste Auslandreise als US-Präsident führt ihn nach Europa. Geplant sind vier Gipfel in drei Ländern, das alles in nur sieben Tagen.
Der US-Präsident ist am Mittwochabend in Grossbritannien gelandet.
Bei seinem ersten Termin traf sich Biden mit Premier Boris Johnson.
Der G7-Gipfel findet vom 11. bis 13. Juni in Cornwall statt.
Am 14. Juni nimmt Biden am Nato-Gipfel in Brüssel teil.
Für den 15. Juni ist ein Spitzentreffen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel in Brüssel geplant.
Am Mittwoch 16. Juni fliegt Joe Biden nach Genf für ein Gipfeltreffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin.
Biden bei Gipfel mit EU-Spitzen: Europa ist «natürlicher Partner»
US-Präsident Joe Biden hat bei seinem Gipfel mit den EU-Spitzen die Verbundenheit der Vereinigten Staaten mit Europa unterstrichen. «Europa ist unser natürlicher Partner», sagte Biden bei dem Treffen mit EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag im Europagebäude in Brüssel.
Die USA und Europa teilten die gleichen demokratischen Werte, die zunehmenden Angriffen ausgesetzt seien. Wie schon bei den Gipfeln mit den G7-Staaten und den Nato-Partnern betonte Biden auch bei diesem Treffen: «Amerika ist zurück.»
Biden-Vorgänger Donald Trump hatte die EU immer wieder verbal attackiert. Biden hingegen lobte schon am Wochenende: «Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass die Europäische Union eine unglaublich starke und lebendige Einheit ist.» Biden ist seit vergangener Woche auf Europatour. Beim G7- und Nato-Gipfel und nun beim Treffen mit den EU-Spitzen will er die von Trump strapazierten Beziehungen mit den Verbündeten kitten und sich Unterstützung in der strategischen Rivalität mit China und Russland holen.
Joe Biden am Nato-Gipfel
Beim ersten Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden sendet die Militärallianz klare Botschaften in Richtung Russland und China. Hinter der Kulissen gibt es allerdings weiter viel Ärger. Lesen Sie alles zum Nato-Gipfel mit Biden:
«Ich will, dass ganz Europa weiss, dass die USA da sind»
China weist Kritik der Nato scharf zurück
China hat die Kritik der Nato mit scharfen Worten zurückgewiesen. Die Nato übertreibe die von China ausgehende Bedrohung und schaffe damit Konfrontation, erklärte die chinesische Vertretung bei der EU am Dienstag. Sie forderte die Nato auf, «Chinas Entwicklung rational zu betrachten», nicht länger «verschiedene übertriebene Formen» einer «Bedrohungstheorie» zu verbreiten und Chinas «legitime Interessen und Rechte» nicht länger als Vorwand für Manipulation und die «künstliche» Schaffung von Konfrontation zu nutzen.
Bei ihrem ersten Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden hatten die Staats- und Regierungschefs der Nato am Montag in Brüssel erstmals deutlich gegenüber China Position bezogen. Peking stelle durch sein Verhalten «eine systemische Herausforderung für die regelbasierte internationale Ordnung» dar, hiess es in der Abschlusserklärung des Gipfels. Die Nato zeigte sich besorgt über eine «Politik des Zwangs», die im Gegensatz zu Grundwerten der Allianz stehe und Bereiche betreffe, «die für die Sicherheit der Allianz relevant sind». Peking baue zudem schnell sein Atomwaffenarsenal aus und kooperiere «militärisch mit Russland.»
Peking wies die Vorwürfe der Nato als «Verleumdung von Chinas friedlicher Entwicklung» und «Fehleinschätzung der internationalen Situation und ihrer eigenen Rolle» zurück. Es handele sich um eine «Fortsetzung einer Mentalität des Kalten Kriegs».
Während Biden die europäischen Nato-Mitglieder drängte, stärker China ins Visier zu nehmen, mahnte die Deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), im Umgang mit China «die richtige Balance zu finden». China sei Rivale in vielen Fragen, aber gleichzeitig auch Partner für viele Fragen.
Die Beziehungen zu China waren auch beim G7-Gipfel Thema gewesen, der am Sonntag in Cornwall zu Ende ging. Die Teilnehmer der sieben führenden Industriestaaten forderten von Peking die Achtung der Menschenrechte sowie freien Zugang zum Südchinesischen Meer. Auch diese Kritik wies Peking als «Lügen, Gerichte und grundlose Vorwürfe» sowie als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.
Joe und Jill Biden nach G7-Gipfel von der Queen empfangen
Nach seiner Teilnahme am G7-Gipfel ist US-Präsident Joe Biden mit seiner Frau Jill von der britischen Königin Elizabeth II. auf Schloss Windsor empfangen worden. Die 95-jährige Queen, die ein rosa Kleid mit Blumenmuster und passendem Hut trug, und ihre beiden Gäste aus den USA nahmen am Sonntagabend zunächst im Hof von Schloss Windsor eine Parade der Ehrengarde ab.
Bei strahlendem Sonnenschein erklangen zu der Parade der mit roten Uniformjacken und Bärenfellmützen bekleideten Soldaten die Nationalhymnen des Vereinigten Königreiches und der USA. Anschliessend gingen die Bidens mit der Monarchin zum Tee ins Schloss.
Der US-Präsident hatte bereits beim G7-Gipfel in Cornwall Gelegenheit gehabt, die Queen zu treffen. Dort hatte sie am Freitagabend an einem Empfang teilgenommen und für Erheiterung gesorgt, weil sie es sich nicht nehmen liess, eine Torte mit einem Säbel statt mit einem Messer anzuschneiden.
Mit Ausnahme von Lyndon B. Johnson hat die Queen während ihrer 69 Jahre auf dem Thron alle US-Präsidenten getroffen. Sie empfing auch Bidens Amtsvorgänger Donald Trump während dessen von Kontroversen geprägten Grossbritannien-Besuchs 2019.
Johnson und Macron streiten um Würstchen
Eine Debatte über Würstchen hat für Verstimmungen zwischen Paris und London gesorgt. Die britische Seite reagierte am Sonntag empört auf Äusserungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Gespräch mit Premierminister Boris Johnson am Rande des Gipfels. Bei dem Treffen am Samstag ging es um die Warenkontrollen in Nordirland nach dem Brexit.
Johnson fragte Macron, wie er es fände, wenn Wurst aus Toulouse nicht mehr in Paris verkauft werden dürfe, wie aus dem Elysée-Palast verlautete. Der französische Präsident habe «erstaunt» reagiert. Er habe ihm gesagt, dass Toulouse und Paris «Teile des gleichen Staatsgebiets» seien. Für Nordirland gelte dies nicht, da die Provinz durch die Irische See von Grossbritannien getrennt sei. Die geografischen Gegebenheiten seien daher vollkommen unterschiedlich, sagte Macron den Angaben zufolge.
Dies habe bei Johnson für Ärger gesorgt, berichtete die «Sunday Times». «Nordirland und Grossbritannien sind Teil des gleichen Landes», erwiderte der demnach im Gespräch mit Macron. Der britische Aussenminister Dominic Raab verlangte am Sonntag mehr «Respekt» von der EU für die territoriale Integrität seines Landes. Ranghohe EU-Politiker würden über Nordirland reden, als wäre es ein Land ausserhalb des Vereinigten Königreichs, kritisierte Raab. «Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn wir Katalonien, Flandern in Belgien, ein Bundesland in Deutschland, Norditalien oder Korsika in Frankreich als eigenständige Länder bezeichnen würden?», fügte er hinzu.
Die EU-Spitzen hatten die Regierung in London am Samstag am Rande des G7-Gipfels in Carbis Bay aufgerufen, sich an das nach dem Brexit vereinbarte Nordirland-Protokoll zu halten. Auch Macron appellierte an den britischen Premier, sein Wort zu halten. Johnson bat die Europäer seinerseits um Kompromissbereitschaft.
Lesen Sie dazu auch unseren Korrespondentenbericht: Die Grenzen der Harmonie
Merkel zieht positives Fazit
Angela Merkel hat ein positives Fazit des ersten G7-Gipfels mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden gezogen. «Durch die Wahl von Joe Biden zum amerikanischen Präsidenten ist ja die Welt nicht so, dass sie keine Probleme mehr hätte. Aber wir können mit neuem Elan an der Lösung dieser Probleme arbeiten», sagte Merkel am Sonntag am Rande des G7-Gipfels im südwestenglischen Cornwall.
Merkel bescheinigte dem G7-Gipfel, er habe ein «ganz eindeutiges Bekenntnis zu einer regel- und wertebasierten multilateralen Welt abgegeben». «Die G7 wollen sich engagieren in den grossen Themen, die wir heute zu bewerkstelligen haben.» Es gehe natürlich zunächst um die Bekämpfung der Pandemie – man sei sich einig, dass diese nur global besiegt werden könne. «Wir wollen für eine bessere Welt agieren», versprach die Kanzlerin. Die «Amerika-zuerst»-Politik von Bidens Vorgänger Donald Trump hatte die Arbeit der G7 in den vergangenen Jahren stark belastet. Auch zwischen Trump und Merkel gab es ein schwieriges Verhältnis.
Merkel sprach auch das Thema Menschenrechte an. Es gebe «eine Vielzahl von internationalen Plätzen, an denen die Demokratie nicht so gelebt werden kann, wie wir uns das vorstellen würden. An denen Menschen leiden.» Die Kanzlerin erwähnte ausdrücklich das Thema Zwangsarbeit in China. «Insgesamt glauben wir, dass Demokratie sich dann am besten durchsetzt, wenn wir eine regelbasierte, multilaterale Kooperation haben, zu der wir alle einladen.»
Gute Wünsche, keine Geschenke für Merkel
Auf die Frage, ob sie von ihren Kollegen der Gruppe der grossen demokratischen Industrienationen ein Abschiedsgeschenk erhalten habe, antwortete die Kanzlerin: «Ich habe nur gute Wünsche bekommen. Und keine Geschenke.» Merkel tritt nach bald 16 Jahren als Kanzlerin bei der Bundestagswahl im September nicht mehr an.
Entwurf: G7 für härteren Kurs gegenüber China
Die grossen Industrienationen haben sich laut einem Entwurf der Abschlusserklärung des G7-Gipfels auf einen härteren Kurs gegenüber China geeinigt. In der ausgehandelten Passage der Erklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, wollen die G7-Staaten gegen unfaire Handelspraktiken Chinas, dessen Menschenrechtsprobleme und harte Hand in Hongkong vorgehen.
Gleichzeitig wird aber auch das gemeinsame Interesse an einer Kooperation mit China bei globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität hervorgehoben. Es ist das erste Mal, dass die Kritik an China in einem Abschlusskommuniqué der G7 so deutlich formuliert wird.
Kollektives Vorgehen
So wollen sich die G7-Staaten im Umgang mit der zweitgrössten Volkswirtschaft «über ein kollektives Vorgehen absprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben», heisst es in dem Textentwurf.
Auch wollen die G7-Staaten «unsere gemeinsamen Werte fördern». Dazu gehöre, dass China aufgefordert werde, Menschenrechte und fundamentale Freiheiten zu achten, «besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Mass an Autonomie, das für Hongkong in den gemeinsamen Erklärung zwischen China und Grossbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist».
Der Hinweis auf Xinjiang in dem G7-Papier bezieht sich auf den Vorwurf der Verfolgung der Minderheiten in der Nordwestregion, insbesondere der Uiguren. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass Hunderttausende Uiguren, Kasachen, Hui oder Mitglieder anderer Minoritäten in Umerziehungslager gesteckt worden sind. China weist die Vorwürfe zurück und spricht von Fortbildungszentren.
Bidens besuchen Gottesdienst
Am Rande des G7-Gipfels in England haben US-Präsident Joe Biden und First Lady Jill Biden einen katholischen Gottesdienst besucht. Das Paar habe sich etwa für 25 Minuten in der Kirche Sacred Heart and St Ia in der Stadt St Ives aufgehalten, meldete die Nachrichtenagentur PA am Sonntag.
Die Kirche sei «wunderschön», sagte Biden. Er ist der erste Katholik im Weissen Haus seit John F. Kennedy und betont stets, dass der Glaube ihm dabei geholfen habe, persönliche Tragödien wie den Tod seiner ersten Frau und deren Tochter bei einem Autounfall sowie den Verlust seines Sohnes Beau nach einer Krebserkrankung durchzustehen.
Anschliessend sollte Biden an den letzten Arbeitssitzungen der G7-Gruppe teilnehmen, bevor er zu einer Audienz bei Queen Elizabeth II. auf Schloss Windsor erwartet wurde. Für den Abend war der Abflug nach Brüssel geplant, wo der US-Präsident an diesem Montag am Nato-Gipfel teilnimmt.
Klimaschutz-Milliarden für ärmere Länder
Die führenden westlichen Wirtschaftsmächte wollen nach Angaben Londons künftig jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung des Klimaschutzes in Entwicklungsländern aufbringen. Eine entsprechende Zusage werde es zum Abschluss des G7-Gipfels in der englischen Grafschaft Cornwall geben, teilte die britische Regierung in der Nacht zum Sonntag mit.
Bei der Konferenz hätten erstmals alle sieben Teilnehmerländer ein Bekenntnis zur Klimaneutralität spätestens bis 2050 abgelegt, hiess es weiter. Zudem sei eine Zusage zu einer knappen Halbierung der Treibhausgasausstösse bis 2030 im Vergleich zu 2010 zu erwarten. Damit sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur UN-Klimakonferenz in Glasgow im November erreicht worden. Zu den anvisierten Massnahmen gehörten unter anderem der Ausstieg aus der Kohlekraft zum frühestmöglichen Zeitpunkt, ein Ende fast aller direkten staatlichen Förderung für fossilen Energieträger im Ausland und das schrittweise Aus für Autos mit Verbrennermotor.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam kritisierte die Zielsetzungen als nicht ausreichend. Die Pariser Klimaziele könnten damit zwar erreicht werden, doch müssten die G7-Staaten «angesichts ihrer hohen Verantwortung für das Verursachen der Klimakrise und ihres im Weltmassstab sensationellen Wohlstands (...) deutlich mehr und schneller reduzieren, um für ärmere Länder mehr Flexibilität bei ihrer klimafreundlichen Transformation zu schaffen», sagte Jörn Kalinski von Oxfam.
Biden lobt die EU als «stark und lebendig» – Treffen mit Macron
US-Präsident Joe Biden hat sich bei seinem bilateralen Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron positiv über die EU geäussert.
«Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass die Europäische Union eine unglaublich starke und lebendige Einheit ist», sagte Biden am Samstag bei einem Treffen mit Macron am Rande des G7-Gipfels im südenglischen Cornwall.
Die EU habe nicht nur die Fähigkeit, wirtschaftliche Probleme zu bewältigen. Sie sei auch «das Rückgrat» der Nato. Deren Zusammenhalt bekräftigte Biden.
Biden sagte über Macron: «Wir sind auf derselben Wellenlänge.» Macron betonte angesichts der Pandemie, des Klimawandels und anderer Krisen: «Was wir brauchen, ist Zusammenarbeit.» Es sei daher grossartig, einen US-Präsidenten zu haben, der zur Kooperation bereit sei. «Sie zeigen, dass Führung Partnerschaft bedeutet.» Biden war bereits am Freitagabend kurz mit Macron zusammengekommen. Am Samstag stand das offizielle bilaterale Treffen auf dem Programm.
G7 kontert Chinas «Neue Seidenstrasse» mit Infrastruktur-Initiative
Die reichen Industrienationen (G7) planen eine Milliarden-Initiative zum Aufbau von Infrastruktur in armen Ländern. Das Vorhaben soll eine Alternative zum chinesischen Multi-Milliarden-Projekt der «Neuen Seidenstrasse» (Belt and Road, BRI) bieten, wie US-Regierungsbeamte am Rande des G7-Gipfels im englischen Carbis Bay berichteten.
Es gebe nach Schätzungen eine Lücke von benötigter Infrastruktur in Teilen der Welt in Höhe von 40 Billionen US-Dollar, die durch die Pandemie noch grösser geworden sei, wurde hervorgehoben. Die Initiative, die von US-Seite «Build Back Better World» (B3W) genannt wurde, soll im Abschlusskommuniqué stehen, das zum Abschluss des dreitägigen Gipfel am Sonntag angenommen wird.
Klare Finanzzusagen wurden allerdings noch nicht gemacht. Wie ein US-Beamter sagte, wollen die USA mit den G7-Partnern, dem privaten Sektor und anderen Teilhabern «bald» kollektiv Hunderte Milliarden für Infrastruktur-Investitionen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen mobilisieren. Die Umsetzung solle «auf transparente und nachhaltige Weise – finanziell, umweltfreundlich und sozial – erfolgen», teilte die US-Seite mit.
«Es geht nicht darum, dass die Länder zwischen uns und China wählen müssen», sagte der Beamte. Vielmehr solle «eine positive, alternative Vision» geboten werden, für die sich Ländern entscheiden könnten. Es stehe im «starken Kontrast zu der Art, wie einige andere Länder mit den Bemühungen um Infrastruktur umgehen». Er warf Peking einen «Mangel an Transparenz, schlechte Umwelt- und Arbeitsstandards» und ein Vorgehen vor, das viele Länder am Ende schlechter dastehen lasse.
Chinas «Seidenstrasse»-Initiative ist umstritten. Mit Investitionen in Strassen, Bahnstrecken, Häfen und andere Infrastrukturprojekte baut China neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien. Dabei investiert China auch in Staaten, die sonst nur schwer internationale Hilfe bekommen würden. Kritiker warnen arme Länder vor einer Schuldenfalle, politischen Abhängigkeiten und mangelndem Umweltschutz. Oft kommen auch nur chinesische Unternehmen zum Zuge.
G7 beschliessen globalen Infrastruktur-Plan
Als Antwort auf Chinas «Neue Seidenstrasse» haben die G7-Staaten bei ihrem Gipfel in Cornwall einen weltweiten Infrastruktur-Plan zur Unterstützung ärmerer Länder beschlossen. Interessierten Ländern solle eine «an Werten orientierte» und transparente Partnerschaft angeboten werden, teilte das Weisse Haus am Samstag mit. Damit schaffen die G7-Länder eine Alternative zu Chinas «Belt and Road Initiative», der sogenannten «Neuen Seidenstrasse».
Nach Angaben des Weissen Hauses berieten die G7-Länder bei ihrem Gipfeltreffen in Carbis Bay über den «strategischen Wettbewerb mit China», um konkrete Schritte zur Unterstützung von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei ihren gewaltigen Herausforderungen im Bereich der Infrastruktur einzuleiten. Dabei sei das weltweite Infrastruktur-Projekt beschlossen worden.
Pekings Einfluss ist in den vergangenen Jahren in einigen Ländern durch Kredite und Projekte im Rahmen der «Neue Seidenstrasse»-Initiative gewachsen. Das Projekt löste bei regionalen Mächten und vor allem bei westlichen Nationen Besorgnis aus. Im Zuge der Initiative half China einer Reihe von Ländern, Strassen, Eisenbahnen, Dämme und Häfen zu bauen oder zu entwickeln.
Macron: Briten müssen Wort halten und Brexit-Vertrag respektieren
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möchte einen Neustart der französisch-britischen Beziehung. Macron habe sich am Samstagmorgen während des G7-Gipfels im südenglischen Cornwall mit dem britischen Premier Boris Johnson getroffen, wie der Élyséepalast mitteilte. Macron sei bereit für einen «Reset». Allerdings habe er nachdrücklich betont, dass die Briten das den Europäern gegebene Wort halten und den Rahmen des Brexit-Vertrags respektieren müssten.
Vor einigen Wochen war der Fischerei-Streit zwischen London und Paris vor der Kanalinsel Jersey eskaliert, die zwar zur britischen Krone, aber nicht zum Vereinigten Königreich gehört. Dabei ging es um Fischereilizenzen – zuletzt hatten sich die Wogen aber wieder etwas geglättet. Auch beim Thema Nordirland gibt es Unstimmigkeiten zwischen Grossbritannien und der Europäischen Union.
Macron habe nun in dem Gespräch mit Johnson auch betont, dass Frankreich und Grossbritannien eine gemeinsame Vision und gemeinsame Interessen bei wichtigen globalen Fragen teilten. Es gebe ausserdem einen gemeinsamen Ansatz bei Themen wie der Rüstungskontrolle.
Zur Gruppe der Sieben (G7) gehören die USA, Deutschland, Kanada, Grossbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Auch die EU nimmt an ihren Treffen teil, das noch bis einschliesslich Sonntag andauert.
Weitere Pandemie verhindern
Die Gruppe der grossen Industrienationen (G7) will eine neue Pandemie mit allen Mitteln verhindern. Dazu wollen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Südwestengland eine «Gesundheitserklärung von Carbis Bay» verabschieden, wie der britische G7-Vorsitz in der Nacht zum Samstag mitteilte. Vorgesehen sei, die Entwicklung von Impfstoffen, Behandlungsmethoden und Diagnosen für künftige Krankheiten auf unter 100 Tage zu drücken.
Der britische Premierminister Boris Johnson lobte die Erfolge bei der Forschung und Produktion von Impfstoffen. «Aber um das Coronavirus tatsächlich zu besiegen und uns zu erholen, müssen wir verhindern, dass Pandemien wie diese jemals wieder geschehen.» Dazu müssten Lektionen aus den vergangenen anderthalb Jahren gezogen werden.
Globale Frühwarnsysteme sollen ebenso verstärkt werden wie die Möglichkeiten zur sogenannten Genom-Sequenzierung, die das Aufspüren von Virusvarianten ermöglicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll reformiert und gestärkt werden, wie es weiter hiess. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus lobte die Erklärung. «Gemeinsam müssen wir auf der erheblichen wissenschaftlichen und gemeinschaftlichen Antwort auf die Corona-Pandemie aufbauen und gemeinsame Lösungen finden, um viele der aufgedeckten Lücken zu schliessen.»
Institut zur Verhinderung von Zoonosen
Zur Reaktion auf künftige Pandemien legt eine neue internationale Beratergruppe den Staats- und Regierungschefs zudem einen Bericht vor. «Die ersten 100 Tage nach der Identifizierung einer epidemischen Bedrohung sind entscheidend, um deren Kurs zu ändern und im Idealfall zu verhindern, dass sie zu einer Pandemie wird», hiess es vorab.
London gab zudem den Aufbau eines neuen Instituts bekannt, das Impfungen für Nutzvieh erforschen und damit verhindern soll, dass sogenannte Zoonosen entstehen. Das sind Krankheiten, die von Tieren auf Menschen überspringen wie Covid-19, Ebola und die Vogelgrippe. «75 Prozent neuer menschlicher Krankheiten stammen von Tieren, und diese Krankheiten verbreiten sich zunehmend», hiess es zur Begründung. Diese Krankheiten seien ein Risiko für Menschen wie auch für die globale Landwirtschaft.
Biden mit Macron zusammengekommen
US-Präsident Joe Biden ist erstmals seit seiner Amtsübernahme persönlich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammengekommen. Bei dem kurzen Treffen am Freitag am Rande des G7-Gipfels im südenglischen Cornwall sei es unter anderem um den Kampf gegen die Pandemie und um Anti-Terror-Bemühungen in der Sahelzone gegangen, teilte die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, am Abend mit. Die beiden Präsidenten hätten die Bedeutung der bilateralen Partnerschaft und des transatlantischen Bündnisses unterstrichen. Am Samstag sei ein formelles bilaterales Treffen zwischen Biden und Macron geplant.
Psaki teilte weiter mit, Biden habe am Freitag «einen positiven und produktiven ersten Tag der Diskussionen auf dem G7-Gipfel» genossen. Dabei sei es unter anderem um die Zusammenarbeit für eine inklusivere und gerechtere Weltwirtschaft gegangen. Zur Gruppe der Sieben (G7) gehören die USA, Deutschland, Kanada, Grossbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Auch die EU nimmt an ihren Treffen teil, das noch bis einschliesslich Sonntag andauert. Für Biden ist es die erste Auslandsreise seit seiner Amtsübernahme im Januar.
Prinz Charles würdigt G7-Einsatz für den Klimaschutz
Prinz Charles hat den Einsatz der G7-Staats- und Regierungschefs für den Klimaschutz gewürdigt. Er spende ihrer Überzeugung Beifall, im Zuge der Corona-Pandemie eine grünere Zukunft aufzubauen, sagte der britische Thronfolger am Freitagabend bei einem Empfang zum G7-Gipfel. Der globale Gesundheitsnotstand habe gezeigt, wie eine tatsächlich grenzenlose Krise aussehe.
Der Kampf gegen die Corona-Krise biete ein deutliches Beispiel, wie erfolgreich die Welt sei, wenn sie gemeinsam handele, politischen Willen und unternehmerischen Einfallsreichtum vereine. Eine solche Zusammenarbeit sei auch gegen die Klimakrise nötig, sagte Charles, der sich seit Jahrzehnten für den Umweltschutz einsetzt.
An dem Empfang im Ökopark Eden Project, einem Botanischen Garten rund 56 Kilometer nordöstlich des Gipfelorts Carbis Bay, nahmen auch die Mutter von Charles, Königin Elizabeth II., sowie seine Gattin Herzogin Camilla und sein ältester Sohn Prinz William mit Ehefrau Herzogin Kate teil. Eingeladen waren auch mehrere Konzernchefs, die mit Charles in einer Initiative zur Finanzierung nachhaltiger Projekte zusammenarbeiten.
UN-Generalsekretär begrüsst G7-Impfspenden – «Aber wir brauchen mehr»
UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Ankündigung von Impfspenden der G7 begrüsst, aber deutlich mehr Einsatz angemahnt.
Die Gruppe sieben wirtschaftsstarker Demokratien hatte angekündigt, mindestens eine Milliarde Dosen zu spenden. «Eine Milliarde ist sehr willkommen. Aber offensichtlich benötigen wir mehr als das», sagte Guterres am Freitag am Rande des G7-Gipfels vor Journalisten.
Die Impfungen seien bisher sehr ungleich und unfair verteilt gewesen, rügte Guterres. Dabei sollten Impfstoffe öffentliche Güter sein. Gerade in Entwicklungsländern breite sich das Coronavirus wie ein Flächenbrand aus. Es gelte, schnell zu handeln und so viele Menschen weltweit wie möglich zu schützen, bevor das Virus immun gegen Impfstoffe werde, sagte Guterres. «Wir sind im Krieg mit dem Virus.»
Nötig sei ein globaler Impfplan, sagte Guterres. Regierungen, globale Organisationen und Finanzinstitutionen müssten sich mit der Pharmaindustrie zusammenschliessen, um die Produktion von Impfstoffen zu verdoppeln, so der UN-Generalsekretär. Er mahnte Regelungen an, mit denen sowohl der Profit der Impfstoffproduzenten gewahrt werde, aber zugleich eine flächendeckende Produktion garantiere und die Herstellungskapazitäten verdoppele.
Guterres forderte die G7 zudem auf, ihre Zusagen einzuhalten und den Entwicklungsländern rund 100 Milliarden US-Dollar im Jahr an Unterstützung im Klimawandel bereitzustellen. «Sie haben noch nicht geliefert.» Dies müsse von 2021 an gesichert sein. Die UN-Klimakonferenz in Glasgow im November biete in vielen Punkten eine letzte grosse Chance auf dem Weg, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. «Wir stehen am Abgrund», sagte Guterres. Nur eine gemeinsame Kraftanstrengung könne schlimme und unumkehrbare Folgen verhindern.
Der UN-Generalsekretär sprach von London aus. An diesem Samstag wird er beim G7-Gipfel im südwestenglischen Carbis Bay erwartet. Zu der G7-Gruppe gehören Gastgeber Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und die USA.
Umweltschützer demonstrieren am Rande von G7-Gipfel für mehr Klimaschutz
Umwelt- und Klimaschützer haben am Rande des G7-Gipfels im englischen Cornwall gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Klimaschutzpolitik der grossen Industriestaaten protestiert. Mit Bannern mit Aufschriften wie «Rettet unsere Ozeane» und «Rettet die Wälder» demonstrierten Aktivisten der Organisation Extinction Rebellion am Freitag in der Stadt St. Ives. In Falmouth gingen Anhänger der Klimaschutzbewegung Fridays for Future auf die Strasse.
«Wenn das Meer stirbt, sterben auch wir», stand auf einem Transparent von Extinction Rebellion am Strand von St. Ives, «Die Zerstörung der Natur wird mehr Pandemien bedeuten» auf einem weiteren. Davor posierten mehrere Aktivisten als Leichen.
Auch Aktivisten von Fridays for Future warfen den G7 vor, nicht genug gegen die globale Erderwärmung zu unternehmen. «Lügner, Lügner, die Erde brennt» stand auf einem grossen Transparent, das Jugendliche auf einer Demonstration am Strand Gyllyngvase von Falmouth trugen. Die Organisation Oxfam warb derweil mit Aktionen am Swanpool-Strand in Falmouth für eine Aussetzung der Patentrechte auf Corona-Impfstoffe.
Der Klima- und Artenschutz gehört neben der Corona-Pandemie und der Stärkung demokratischer Werte zu den Schwerpunktthemen des dreitägigen G7-Gipfels in Carbis Bay im südwestenglischen Cornwall. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Kanadas, Frankreichs, Italiens und Japans findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Für Demonstrationen hat die britische Polizei vier Orte in Plymouth, Falmouth, Truro und Exeter ausgewiesen. Dort herrscht auch ein entsprechend grosses Polizeiaufgebot.
EU-Vertreter betonen ihren Einsatz für Impfstoffversorgung
EU-Vertreter haben zum Auftakt des G7-Gipfels betont, dass sich die Europäer im Gegensatz zu anderen G7-Staaten bereits seit Monaten stark für Corona-Impfstofflieferungen in ärmere Länder engagieren. Die EU sei die «Apotheke der Welt» und werde bis Jahresende mindestens 100 Millionen Impfstoff-Dosen spenden, hiess es am Freitagnachmittag nach einem Koordinierungstreffen der europäischen Gipfelteilnehmer von Diplomaten. Der Impfinitiative Covax stelle man 3,2 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die EU war nach eigenen Angaben zudem lange Zeit die einzige demokratische Region, die im grossen Massstab Corona-Impfstoff exportierte. Bislang seien rund 350 Millionen Dosen ausgeführt worden, was in etwa der Hälfte der Gesamtproduktionsmenge entspreche, hiess es am Freitag. Zum Beispiel die USA behielten dort produzierten Impfstoff hingegen lange vorrangig selbst. So hatte US-Präsident Joe Biden noch Ende April gesagt, bevor die USA ein «Arsenal» für andere Länder würden, werde jeder Amerikaner Zugang zu vollständigem Impfschutz haben.
Mit Blick auf die G7-Beratungen zum künftigen Umgang mit China betonten die Diplomaten nach dem Koordinierungstreffen, dass China aus EU-Sicht weiter gleichzeitig als Partner bei globalen Herausforderungen, als wirtschaftlicher Wettbewerber und als Systemrivale gesehen werde.
An dem EU-Koordinierungstreffen nahmen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi teil. Die EU-Spitze war durch Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vertreten.
Scharfe Töne zwischen Blinken und chinesischem Spitzendiplomat
In einem seltenen Telefonat mit Chinas Spitzendiplomat hat US-Aussenminister Antony Blinken Peking gedrängt, Licht ins Dunkel über den Ursprung von Covid-19 zu bringen. Blinken betonte gegenüber Yang Jiechi, dem höchsten Verantwortlichen der Kommunistischen Partei Chinas für Aussenpolitik, «die Wichtigkeit von Kooperation und Transparenz bezüglich der Herkunft des Virus», wie das US-Aussenministerium am Freitag mitteilte. Er forderte auch, dass Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach China zurückkehren dürfen.
Zudem rief er Peking auf, den Druck auf Taiwan zu verringern und «die Probleme friedlich zu lösen». Peking betrachtet Taiwan, das sich 1949 von China losgesagt hatte, als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit Gewalt. In den vergangenen Jahren hat China den wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Druck auf Taiwan massiv erhöht.
Das Telefonat Blinkens fand am Rande des G7-Gipfels statt. Anlässlich des Treffens der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen kritisierte Yang bei dem Telefonat Washingtons Diplomatie der «kleinen Kreise», wie staatliche Medien berichteten. «Der einzige echte Multilateralismus ist der, der auf den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts beruht», sagte Yang zu Blinken in ihrem ersten persönlichen Gespräch seit März. Die USA sollten Menschenrechtsfragen nicht als «Vorwand benutzen, um sich willkürlich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen», betonte Yang ausserdem.
Beim G7-Gipfel stehen auch die Spannungen mit China auf der Tagesordnung, unter anderem die Menschenrechtsverstösse in der nordwestlichen Provinz Xinjiang sollen diskutiert werden. Die US-Regierung von Präsident Joe Biden fährt eine harte Linie gegenüber China und will Peking im Verbund mit westlichen Partnern mit Stärke gegenübertreten.
SDA/AFP/AP/red
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