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G-7-Gipfel in Grossbritannien
Johnson hofft auf «spezielle Beziehung» zu Biden

Zurück auf die Weltbühne: Der britische Premierminister Boris Johnson will den G-7-Gipfel nutzen, um nach dem Brexit eine neue Führungsrolle in Anspruch zu nehmen.  
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Für Boris Johnson ist diese Woche die Chance zum grossen Auftritt gekommen. Der britische Premierminister empfängt hohe Gäste aus aller Welt. Präsidenten und Regierungschefs führender Industrienationen und von ein paar «angeschlossenen» Staaten werden von Freitag bis Sonntag in Cornwall – im englischen Südwesten – zum G-7-Gipfel erwartet. Aus den USA reist Joe Biden an. Sein Besuch verleiht dem Treffen eine besondere Note. Es ist der erste Überseetrip des US-Präsidenten seit seiner Amtsübernahme im Januar dieses Jahres. Seite an Seite mit dem «bei weitem wichtigsten Verbündeten» der Briten will sich Johnson, so glanzvoll es geht, seinen Landsleuten und der Welt präsentieren.

Am Sonntag sind Joe und Jill Biden bei der Queen in Windsor Castle zum Essen eingeladen, bevor der Präsident weiterreist nach Brüssel zur Nato und zur EU und dann nach Genf, wo er Wladimir Putin trifft. Schon vor der Eröffnung des G-7-Treffens wollen Biden und Gastgeber Johnson im kleinen Rahmen zusammentreffen. Dankbar hat die britische Seite vermerkt, dass US-Aussenminister Antony Blinken jüngst die «besondere Beziehung» zwischen Briten und Amerikanern, die «special relationship», wieder hervorgehoben hat.

Wie vertrauensvoll die Beziehung letztlich sein wird, muss sich freilich erst noch erweisen. Beidseits des Atlantiks hat niemand vergessen, dass Joe Biden Boris Johnson vor zwei Jahren einmal als «physisches und emotionales Ebenbild» von Donald Trump bezeichnet hat. Und dass, wo es um Nordirland geht, Bidens Sympathien aufseiten der Iren liegen. Seine Administration hat bereits deutlich gemacht, dass der Präsident britische Manöver, die seiner Ansicht nach das nordirische Friedensabkommen gefährden, gegenüber Johnson in Cornwall «auf jeden Fall» zur Sprache bringen will.

Für den Briten-Premier, der im Vorjahr den britischen Austritt aus der EU in Form eines harten Brexit durchsetzte, ist es jedenfalls wichtig, Unstimmigkeiten mit Biden zu vermeiden. Immerhin bietet der G-7-Gipfel Johnson eine erste Gelegenheit, Post-Brexit-Britanniens neue Identität auf der Weltbühne herauszustreichen – und, wie er seinen Wählern vielfach gelobte, eine «globale Führungsrolle» zu spielen.

Entsprechend hat man in No. 10 Downing Street versucht, den G-7-Gipfel zu einem Forum britischer Ambitionen zu stilisieren. Den vorab schon getroffenen
Beschluss zur Einführung von Mindeststeuern für internationale Konzerne zum Beispiel hat Schatzkanzler Rishi Sunak weitgehend seinen eigenen Verhandlungskünsten zugeschrieben. Und betont, dass London seit langem «gedrängt» habe auf eine «wahrhaft historische Übereinkunft» dieser Art.

Dieser Anspruch auf Erfolg ist freilich nicht unwidersprochen geblieben. Kritiker im eigenen Land werfen Johnsons Regierung vor, in Wirklichkeit einen ursprünglich geplanten Steuersatz von 21 Prozent auf 15 Prozent reduziert und so den Deal verwässert zu haben, statt im Kreis der Grossen «echtes Führungsvermögen zu demonstrieren».

Bittere Klagen sogar in den konservativen Rängen hat auch die Entscheidung Johnsons ausgelöst, die britische Entwicklungshilfe für bedürftige Länder vorübergehend kräftig herunterzuschrauben. In einem offenen Brief an den Premier erklärten 1700 britische Wohlfahrtsverbände, Akademiker und Geschäftsleute, eine solche Entscheidung mitten in der Pandemie werfe einen Schatten auf den G-7-Gipfel – und auf den Willen Londons, anderen Staaten zur Seite zu stehen.

Den Eindruck mangelnder Solidarität mit den Armen der Erde sucht Boris Johnson unterdessen zu zerstreuen. In Sachen Pandemie hat er von den beim Gipfel versammelten wohlhabenden Staaten eine feierliche Vereinbarung zur Impfung «der ganzen Welt bis Ende nächsten Jahres» verlangt: «Ich rufe meine Kollegen Regierungschefs dazu auf, sich uns anzuschliessen, um diese schreckliche Pandemie zu beenden, und gemeinsam zu geloben, dass wir eine solche Zerstörung, wie sie das Coronavirus angerichtet hat, nie wieder zulassen werden.»

Auch dieser Appell hat aber neue Fragen aufgeworfen. Ausser Kanada ist Grossbritannien das einzige G-7-Land, das sich bisher nicht auf eine feste Anzahl Dosen hat festlegen wollen, die an ärmere Nationen abgetreten werden sollen.

«Meine allererste Pflicht ist es, die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs zu schützen», hat kürzlich erst wieder Gesundheitsminister Matt Hancock beteuert. Die britische Hilfe für die Welt bestehe im Übrigen darin, dass Grossbritannien den in Oxford entwickelten AstraZeneca-Impfstoff aller Welt zum Selbstkostenpreis anbiete, sagte der Minister. Auf diese Weise habe sein Land mehr als irgendein anderes zur globalen Bekämpfung von Covid beigetragen.

Heftig umstritten ist zugleich der Anspruch Boris Johnsons, im Kampf gegen die Klimakatastrophe aller Welt ein paar Schritte voraus zu sein. Gedacht ist der G-7-Gipfel, von britischer Seite, ja nicht zuletzt als eine Veranstaltung, bei der die Tagesordnung für den grossen Weltklimagipfel erarbeitet werden sollte, der im November in Glasgow stattfinden soll.

Aber wiewohl Premier Johnson schon seit Monaten die Vorreiterrolle seines Landes in dieser «für die Menschheit entscheidenden Frage» hervorhebt, haben viele seiner Landsleute daran ihre Zweifel. Einen Erfolg können sich die britischen Gastgeber freilich schon jetzt zuschreiben: Nämlich dass die prominenten Akteure auf diesem Gipfel persönlich antreten werden und sich nicht einfach per Zoom zuschalten lassen. Das kommt Boris Johnsons Wunsch nach einer Charmeoffensive entgegen.