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Vor dem Gipfeltreffen in Genf
USA lassen russischen Geschäftsmann im Wallis verhaften

US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin. Wird eine Verhaftung in der Schweiz einen Schatten auf das Gipfeltreffen in Genf werfen?
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Nur wenige Tage vor dem Gipfeltreffen zwischen Wladimir Putin und Joe Biden könnte eine Verhaftung in der Schweiz neue Spannungen im Verhältnis zwischen Russland und den USA provozieren. Wie erst jetzt bekannt wurde, sitzt der russische Unternehmer Wladislaw Kljuschin seit März 2021 in Sitten in Haft. Grund für seine Verhaftung sind eine Anklage und ein Auslieferungsersuchen an die Schweiz seitens eines amerikanischen Gerichts im Bundesstaat Massachusetts.

Kljuschins Schweizer Anwälte versuchten, die Ausschaffung durch eine Beschwerde beim Bundesstrafgericht zu verhindern. Diese wurde jedoch sowohl von den Richtern in Bellinzona als auch danach vom Bundesgericht in Lausanne abgewiesen. Über die Verhaftung Kljuschins berichtete zuerst das Genfer Portal «Gotham City».

Ein Programm wie eine Rakete

Der Grund, warum sich der 40-jährige Kljuschin in der Schweiz aufhielt, ist bis jetzt nicht klar. Das Bundesamt für Justiz bestätigt auf Anfrage die Verhaftung Kljuschins am 21. März. Am 19. April habe die US-Botschaft in Bern formell um die Auslieferung des Russen ersucht. Ihm wird in den USA vorgeworfen, zusammen mit mehreren Mittätern Insiderhandel in zweistelliger Millionenhöhe betrieben zu haben. Kljuschins Genfer Anwalt antwortet auf die Fragen dieser Zeitung nicht.

Kljuschin ist Besitzer der russischen Firma M 13, die über ein spezielles Programm namens Katjuscha Medien beobachtet und analysiert. Katjuscha ist die russische Koseform von Katja, aber auch der Name eines im Zweiten Weltkriegs besonders gefürchteten Raketenwerfers. Die Medienbeobachtung mit demselben Namen ist seit mehreren Jahren im Einsatz und dient vor allem russischen Ministerien, aber auch der Pressestelle des Kreml zur Kontrolle von Medien und zur schnellen Reaktion auf kritische Berichte.

Kljuschins Firma soll eine strategisch wichtige Rolle für die russische Regierung spielen.

Laut russischem Handelsregister erhielt die Firma M 13 im vergangenen Jahr Aufträge im Wert von rund 17 Millionen Franken, fast ein Viertel davon von Ministerien und staatlichen Agenturen. Unabhängige russische Internetportale berichten von einer engen Verbindung von Kljuschin zu jenem Mann, der im Kreml für die Kontrolle und Führung der Medien zuständig ist: Aleksei Gromow war früher Pressesprecher des Präsidenten. Nun sorgt er für die Linientreue in den staatlichen russischen Fernsehkanälen.

Kljuschin selbst erklärte den Schweizer Gerichten, dass sein Fall besonders bedeutend sei, weil seine Firma «eine strategisch wichtige Rolle für die russische Regierung spielt». Offenbar wollte er damit andeuten, dass der Haftbefehl aus den USA politisch motiviert sei. Zudem wirft er laut dem Entscheid des Bundesgerichts den US-Behörden vor, sie hätten sich Beweise auf illegalen Wegen beschafft.

Wladimir Putin antwortet 2018 auf Fragen der Presse. Links sein für die Kontrolle der Medien zuständiger Mitarbeiter Aleksei Gromow.

Die unabhängige russische Internetplattform «Projekt» berichtete vor zwei Jahren über den nun in der Schweiz verhafteten Kljuschin auch als heimlichen Besitzer eines anonymen Telegram-Kanals, der für den Kreml Propaganda betreibe und sich über die Opposition gerne lustig mache. Kljuschin ging vor Gericht, verlor in erster Instanz, konnte letztendlich aber doch einen kurzen Widerruf durchsetzen.

1,5 Millionen Franken Jahreseinkommen

Kljuschins Einkommen durch das Medienmonitoring dürfte beträchtlich sein. Auf seinen Namen sind in Russland ein Porsche Carrera, ein Lexus-SUV, ein Toyota Land Cruiser und ein Mercedes-Kleinbus gemeldet. Seine Wohnadresse liegt an einer der ältesten und teuersten Strassen Moskaus. Laut den Schweizer Gerichtsentscheiden bot Kljuschin 1,5 Millionen Franken Kaution für seine Freilassung an. Das entspreche ungefähr seinem Jahresgehalt und 40 Prozent seines gesamten Vermögens. Die Schweizer Richter sahen jedoch Fluchtgefahr und lehnten die Kaution ab. Kljuschin ist weiterhin in Sitten in Haft.

Der amerikanische Haftbefehl stammt vom 19. März 2021 und wurde bereits am Tag darauf an die Schweizer Behörden weitergeleitet. Wieder einen Tag später wurde Kljuschin in der Schweiz festgenommen. Die Amerikaner wussten also offenbar sehr genau über die Reisepläne des Russen Bescheid.

In Moskau wundern sich Beobachter, wie der Kreml die Verhaftung eines offenbar sehr wichtigen Mitarbeiters so lange geheim halten konnte. Die ersten Berichte in Russland erschienen erst jetzt, am Tag nach der Veröffentlichung in «Gotham City». Spekuliert wird, dass die Affäre auf höchster Ebene, beim Treffen zwischen den beiden Präsidenten in Genf, gelöst werde. Möglicherweise hätte auch Putins Sprecher Dmitri Peskow dazu Auskunft geben können. Doch Peskow sagte überraschend und sehr kurzfristig sein tägliches Pressebriefing an diesem Mittwoch ab.