Raiffeisen-SpitzeDer unbekannteste Topbanker der Schweiz bekommt eine neue Rolle
Nach dem plötzlichen Abgang von Raiffeisen-Präsident Guy Lachappelle rückt Bank-Chef Heinz Huber in den Fokus. Dabei war für ihn eigentlich nur eine Nebenrolle vorgesehen.
War da was? Vor einem Monat trat der damalige Raiffeisen-Präsident Guy Lachappelle bei einem denkwürdigen Auftritt von seinem Posten zurück – er war über eine alte Liebesaffäre gestolpert, die in juristische Auseinandersetzungen mündete.
Bei der Präsentation der guten Halbjahresergebnisse verliert Raiffeisen-Chef Heinz Huber über den Vorgang kein Wort. Erst auf Nachfrage verrät er, dass Raiffeisen Schweiz schon bis Ende des Jahres einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden haben will.
Bankenriese Raiffeisen
Typisch Huber. Der 56-Jährige ist Chef der drittgrössten Bankengruppe der Schweiz. Raiffeisen zählt zu den national systemrelevanten Bankengruppen, hat eine Bilanzsumme von 281 Milliarden Franken, ist Marktführer bei Hypotheken – die Liste der Superlative liesse sich fortsetzen. Doch der Raiffeisen-Chef gibt sich bodenständig, an der Grenze zur Schüchternheit. Entsprechend dürften die wenigsten Menschen den Mann kennen.
Nun aber rückt Huber in den Fokus. Denn Lachappelle, welcher der Architekt der neuen Raiffeisen-Strategie war und die Aussenwahrnehmung dominierte, ist weg. Ad interim übernimmt wieder einmal der Basler Finanzprofessor Pascal Gantenbein die Leitung des Verwaltungsrats. Doch dieser war nie wie Lachappelle operativer Bankenchef und verfügt nicht über dessen Machtanspruch. Und wer dauerhaft an die Raiffeisen-Spitze nachfolgen wird, ist derzeit offen.
«Es gibt eine klare Aufteilung der Rollen zwischen dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsratspräsidenten. Daran ändert sich nichts.»
Im Gespräch ist Huber nach Kräften bemüht, jeglichen Machtanspruch von sich zu weisen. Auf die Frage, ob der Wechsel an der Spitze des Verwaltungsrats nicht seine Position stärke, sagt er lapidar: «Es gibt eine klare Aufteilung der Rollen zwischen dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsratspräsidenten. Daran ändert sich nichts.»
Das stimmt aber nur zum Teil. Denn wer immer auch neuer Präsident von Raiffeisen wird: Der Job ist ein anderer. Hatte Lachappelle bei Amtsantritt im Herbst 2018 nach der Skandalära Vincenz noch einen klaren Reformauftrag von der Finanzmarktaufsicht (Finma), so muss der neue Mann oder die neue Frau an der Spitze nur noch dafür sorgen, dass Raiffeisen in der Spur bleibt.
Wichtige Reformen aufgegleist
Zumindest diesen Punkt sieht Huber genauso. «Jetzt gilt es, die Strategie umzusetzen. Das ist die Aufgabe von mir und meinen Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsleitung», sagt der Raiffeisen-Chef.
Lachappelle gleiste zum einen interne Reformen auf: So gibt es ein neues Organ, den Bankrat, mit dessen Hilfe die Raiffeisen-Banken dem Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz auf die Finger schauen können. Zum zweiten verpasste er der genossenschaftlichen Bankengruppe eine neue Strategie – etwa den Ausbau des Wertpapiergeschäfts oder den Aufbau von Produkt-Ökosystemen. Beim Ökosystem «Wohnen» spannt Raiffeisen mit Partnern wie der Mobiliar zusammen. Mit diesen Initiativen will Raiffeisen die Provisionseinnahmen stärken und die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft lösen.
Hier kommt Huber voran: Im ersten Halbjahr eröffneten Kundinnen und Kunden 36’000 neue Depots – die Einnahmen aus dem Verkauf von Anlageprodukten steigen. Der Anteil des Zinsergebnisses am Ertrag sank im Jahresvergleich von 75 auf 72 Prozent.
Ein interner Kandidat als neuer Präsident?
Ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin mit neuen Umbauplänen wäre da wohl ein Störfaktor. Was die Wahl eines internen Nachfolgers für Lachappelle nahelegt. Sieht das Huber auch so? «Es liegt nicht an mir, mich über Wünsche zu äussern», sagt er nur.
Es sind solche Antworten, die schon zuvor die Wahrnehmung Hubers als ausführende Hand Lachappelles prägten. Als dieser Ende 2018 den Chef der damaligen Thurgauer Kantonalbank zu seinem neuen CEO erkor, wurde gleich der Verdacht laut, dass der neue Präsident sich bewusst einen unbekannten Chef geholt habe, der nur umsetzen soll, was der Präsident will.
Insider argumentieren, dass die Stellung Hubers damit unterschätzt würde. Seine interne Stellung beruhe nicht auf medialen Auftritten, sondern darauf, dass er mit ruhiger Hand die riesige Bankengruppe führe. «Während Lachappelle durch das Land tourte, um für Reformen zu werben, hielt Huber in St. Gallen den Laden am Laufen», so ein Insider.
Wie sich künftig die Machtbalance zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung austariert, wenn ein neuer Präsident oder eine Präsidentin einmal gefunden ist, wird interessant werden. Heinz Huber selbst scheint mit seiner Rolle als unbekannter Topbanker jedenfalls ganz happy.
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