Schwere Vorwürfe gegen SchönheitschirurgenStar der Nasenkorrekturen will trotz Berufsverbot in Frankreich in der Schweiz operieren
Ein bekannter Mediziner wurde in Frankreich suspendiert, weil er seine eigenen, allzu positiven Reviews gefälscht haben soll. Derweil beklagen sich Patientinnen über Fehlbehandlungen. Nun will er seine Dienste auch in der Schweiz anbieten.

- Der französische Schönheitschirurg Dr. G. darf in seiner Heimat nicht mehr praktizieren.
- Dr. G. erhielt dennoch eine Bewilligung in der Schweiz.
- Die Bewilligung wurde erst nach Recherchen dieser Zeitung auf «inaktiv» gestellt.
Lisianne, eine junge Frau aus der Region Genfersee, hat ein Problem: Ihre Nasenscheidewand ist verkrümmt, sie leidet an chronischen Entzündungen der Nebenhöhlen. Man musste das operieren, erzählt die Frau. «Und weil ich auch noch einen Höcker auf der Nase habe, wollte ich mit einer Nasenkorrektur gleich beide Probleme auf einmal lösen.» Lisianne ist nicht ihr echter Name. Sie möchte lieber anonym bleiben.
Nach einer Suche im Internet stiess Lisianne sogleich auf den Franzosen Dr. G.: «Auf Google steht, er sei der beste Chirurg auf diesem Gebiet», sagt sie. «Er ist dort so präsent, dass man den Eindruck hat, er sei mit der Suchmaschine verheiratet.»
Tatsächlich ist Dr. G. ein Star der Schönheitschirurgie. Der 58-jährige Arzt aus Paris gilt als Erfinder der «Ultraschall-Rhinoplastik». Mit dieser Technik könne man Nasen besonders sanft modellieren. G. hält Vorträge auf der ganzen Welt und hat Zehntausende Follower in den sozialen Netzwerken.
Lisianne ist begeistert, nimmt Kontakt auf und vereinbart einen Operationstermin an einem Wochentag in einer Klinik in Frankreich. Doch kurz vor dem Termin erhält sie einen Anruf, dass die Operation auf Samstag verschoben werden müsse. Am ursprünglich vorgesehenen Tag sei «der Operationsraum geschlossen». Die Patientin findet das seltsam. Sie wird misstrauisch und fängt an, Dr. G. genauer zu recherchieren. Schon bald sieht sie, dass G. in Frankreich gar nicht mehr praktizieren darf.
Zwei Jahre Sperre in Frankreich
Tatsächlich wurde G. im November 2023 von der Disziplinarkammer der französischen Ärztekammer wegen «Vernachlässigung der Beziehung zu Patientinnen» für zwei Jahre gesperrt. G. soll, so die Disziplinarkammer, medizinische Berichte sowie Fotos gefälscht haben. Doch G. bot trotz seiner Sperre weiterhin Operationen und Behandlungen an, unter anderem in der Schweiz. Seine Angebote erreichten in der Romandie ein Publikum, das keine Ahnung vom Urteil in Paris hatte. «Das hat mich schon sehr erschreckt», sagt Lisianne.
Im Januar 2024 erstattete die französische Ärztekammer deshalb bei der Staatsanwaltschaft Paris Anzeige wegen «möglicher illegaler Ausübung der Medizin». Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass sie gegen den Arzt ermittelt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm nach französischem Recht bis zu zwei Jahren Haft und eine Geldstrafe von 30’000 Euro.
All diese Informationen drangen offenbar nicht bis zu den Behörden in der Schweiz vor. Am 10. Oktober 2024 erhielt Dr. G. vom Kantonsärztlichen Dienst Genf eine Bewilligung, medizinisch tätig zu werden. Wieso wussten die Genfer nichts von G.s problematischer Vorgeschichte in Frankreich?
Verdacht der Fälschung
Das Genfer Departement für Gesundheit und Mobilität (DSM) will Einzelfälle nicht kommentieren. Die Medienstelle verweist auf das Gesundheitsgesetz: Eine Bewilligung werde nur dann erteilt, wenn der Bewerber oder die Bewerberin «nicht mit einem vorübergehenden oder endgültigen Berufsverbot belegt ist». Deshalb müssen die Bewerber ein Führungszeugnis vorlegen, «aus dem hervorgeht, dass keine Verfahren anhängig sind».
Damit stellt sich die Frage: Wie konnte Dr. G. in Genf mit einem Führungszeugnis beweisen, dass er kein Berufsverbot hat, wenn in Frankreich genau ein solches Verbot für ihn gilt?
Jean-Marcel Mourgues, Vizepräsident der französischen Ärztekammer, sagt auf Anfrage, dass die Kammer kein solches Zeugnis für G. ausstellte. Mourgues vermutet, dass ein solches Dokument «aller Wahrscheinlichkeit ein Fall von Fälschung ist». Der Oberste Rat der Kammer werde in einer seiner nächsten Sitzungen die Möglichkeit einer Strafanzeige besprechen.

Inzwischen geht es längst nicht nur um vernachlässigte Patienten. Mitte November 2024 berichteten das Magazin «Elle» und die Tageszeitung «Le Parisien» über Patientinnen von G., die sich nach seinen Eingriffen «verstümmelt» fühlten.
So zum Beispiel eine Frau namens Chloé, bei der sich die Nase nach der Korrektur entzündete: «Ich hatte eine grosse Kartoffel im Gesicht», sagte Chloé den Reportern von «Le Parisien». Sie verlor ihren Job und die Lust am Leben. Schliesslich musste sie mit Antidepressiva behandelt werden. Andere Patientinnen gründeten eine Facebook-Gruppe mit Berichten über misslungene Eingriffe von Doktor G.
Firma des Sohns erstellte falsche Facebook-Profile
Dass Lisianne dennoch so viele positive Bewertungen von G. im Internet fand, dürfte an den Aktivitäten von G.’s Sohn liegen. Dieser hatte eine Firma mit Sitz in Estland gegründet, die das Image von Schönheitschirurgen im Internet beschönigte und negative Berichte verschwinden liess. Zu den Kunden gehörte auch Vater G. In einer im Frühjahr 2021 ausgestrahlten TV-Reportage erklärte der Sohn ganz offen, dass er mit seinem Vater falsche Facebook-Profile von angeblich ehemaligen Patienten von G. erstellt hatte, um potenzielle neue Patientinnen aufzuspüren und sie zu Doktor G. zu leiten.
Inzwischen ist man offenbar auch in Genf aktiv geworden. Am 25. November wurde auf der Plattform für Gesundheitsberufe der Status von G. von «aktiv» auf «inaktiv» geändert. Ob die Einstellung seiner Tätigkeit nur vorübergehend oder permanent ist, bleibt unklar. Die Medienstelle des Genfer Gesundheitsdepartements teilt mit: «Eine Praxisbewilligung kann jederzeit vom Kantonsarztamt entzogen werden, beispielsweise aufgrund neuer Tatsachen, die dem Amt zur Kenntnis gebracht werden.»
Dr. G. will weiterhin in die Schweiz
Im Telefongespräch mit dieser Zeitung sagt Dr. G.: «Ich habe die Schweiz, ihre Landschaften und ihre Lebensqualität seit meiner Kindheit sehr geliebt. Ich möchte dort praktizieren können und Schweizer Patientinnen von meiner 24-jährigen Erfahrung in der Nasenkorrektur profitieren lassen.»
Er werde dafür kämpfen, «dass dieses Lebensprojekt nicht aufgrund von negativen Artikeln in der Presse beendet werden muss», so G. weiter. Dass der Status seiner Schweizer Zulassung nun auf «inaktiv» stehe, habe er nicht gewusst. Angesprochen auf den Verdacht, dass er in Genf ein gefälschtes Führungszeugnis vorgelegt habe, antwortet G., dass er den Antrag Anfang des Jahres gestellt habe: «Ich kann mich nicht an alle Dokumente erinnern. Was ich sagen kann, ist, dass ich alles ordnungsgemäss eingereicht habe.»
Der Vizepräsident der französischen Ärztekammer, Jean-Marcel Mourgues, sagt, dass die Schweizer Gesundheitsbehörden vor kurzem über die Suspendierung des Schönheitschirurgen in seiner Heimat informiert worden seien. Es sei nun Sache der Schweiz, zu entscheiden, «ob sie Dr. G. auf ihrem Hoheitsgebiet praktizieren lässt».
Lisianne ist heute froh, dass sie die Behandlung bei Doktor G. in letzter Minute absagte. Sie wolle jetzt darüber sprechen, «weil ich hoffe, dass andere nicht auch noch getäuscht werden. Ich bin unter einem guten Stern gestanden.»
Übersetzung: Bernhard Odehnal
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