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Meinung

Glosse aus dem Bundeshaus
Der spezielle Geist von Alex Kuprecht

Die Gefahr kommt von innen: Der neue Ständeratspräsident Alex Kuprecht im Ratssaal.
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«Das ist der Höhepunkt meiner politischen Laufbahn.» So freut sich der 63-jährige SVP-Politiker Alex Kuprecht aus Schwyz am ersten Tag der Dezembersession über seine Wahl zum Ständeratspräsidenten.

Der Satz ist unverfänglich. Doch danach wird es schwierig.

Zur Feier des Tages hat Kuprecht eine Ländlerkapelle ins Bundeshaus bestellt. Sie bemüht sich nach Kräften, mit ihren Saxofonen jede Corona-Depression aus dem Ratssaal zu blasen. Alex Kuprecht ist begeistert. Draussen beim Volk jedoch überwiegt die Irritation über diese Performance – mitten in einer Pandemie, in der sogar Primarschüler auf das Adventskonzertli mit ihrer Blockflöte verzichten müssen.

Doch das bisschen Shitstorm in den sozialen Medien ist vernachlässigbar, wenn man – wie Alex Kuprecht – plötzlich das ganze Gewicht einer 172 Jahre alten Institution auf den eigenen, schmalen Schultern spürt. Die Verantwortung ist gross – denn der Ständerat, das spürt Kuprecht, ist bedroht. Die Gefahr, sie kommt von innen, von jenen Ratsmitgliedern, die im Oktober 2019 neu gewählt wurden.

Rettung naht

«Der Geist des Ständerats, ein spezieller Geist, eine Kultur, konnte bei den neuen Mitgliedern noch nicht so implementiert werden, wie das in früheren Jahren der Fall war»: Das ist die besorgniserregende Diagnose, die Kuprecht in einem Videointerview auf der Website des Parlaments verkündet. Doch Rettung naht: Kuprecht kündigt an, er selber werde die neuen Ratsmitglieder – spät, aber doch noch – «in diese Kultur einführen».

Nachfrage: Was genau ist das Problem mit den Neuen?

Per Mail vermeldet Kuprecht stichwortartig Folgendes: Immer mehr Nationalräte wechseln in den Ständerat (wie können diese Wähler nur!). Die Neuen bringen die Parteipolitik ins Stöckli. Sie reichen zu viele Vorstösse ein, halten langfädige Voten und verbreiten «Unruhe» im Saal. Und dann – horribile dictu – gebe es neuerdings sogar Ständeratsmitglieder, die aus dem Saal heraus twittern würden.

Es ist nicht schwer zu erraten, wen Kuprecht vor allem meint: die fünf Ständeräte der Grünen, die 2019 sensationell gewählt wurden. Vier davon sind Frauen, und sie sind teilweise über 20 Jahre jünger als der Durchschnitt des Rates. Auch als Kuprecht.

So junge Leute im ehrwürdigen Stöckli, das ist natürlich ein Problem. «Der Ständerat war bisher geprägt von Fachwissen, Lebens- und Berufs- und Regierungserfahrung», konstatiert Kuprecht an anderer Stelle. Den Ständerat verdient haben Politiker erst, wenn sie «auf Stufe Gemeinde anfangen, sich nach oben arbeiten und an den gemachten Erfahrungen wachsen». Sagt Kuprecht.

Er selber wurde übrigens vor 17 Jahren direkt aus dem Schwyzer Kantonsparlament in den Ständerat gewählt. Regierungserfahrung?

Wie dem auch sei. Dass der Ratspräsident sich jetzt der Neuen annehmen und sie an seiner Lebenserfahrung teilhaben lassen will, ist natürlich verdienstvoll. Man muss sogar sagen: im nationalen Interesse. Man stelle sich vor, mitten in der Corona-Krise würden ein paar junge grüne Frauen auch noch den «Geist des Ständerats» zugrunde richten!

Präsidiale Mühen

Dieser «Geist» besteht aus vielen geschriebenen und noch mehr ungeschriebenen Regeln. So ist etwa genau definiert, wer im Rat in welcher Reihenfolge reden darf. Doch damit hat ausgerechnet der Retter des Ständerats in seinen ersten zwei Sessionswochen als Präsident grosse Mühe: Kuprecht verwechselt Kommissionssprecher oder vergisst sie ganz; er erteilt dem Bundesrat das Wort statt den Ratsmitgliedern: er unterlässt es, zuhanden des Protokolls Entscheide festzuhalten. Offenbar noch nicht so implementiert, dieser «Geist».

Zum «Geist» gehört auch die Regel, dass der Ratspräsident bei Stichentscheiden jeweils mit der Kommissionsmehrheit stimmt. Kuprecht kommt schon am zweiten Sessionstag in diese Situation – und stimmt gegen die Mehrheit. Als ihn ein Ratskollege höflich an die Tradition erinnert, antwortet Kuprecht: «Ich werde so stimmen, dass ich es mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Davon lasse ich mich von niemandem abbringen.»

Der Geist des Ständerats – er weht, wo er will.