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Vorwürfe wegen Konzernumbau 
Der Novartis-Chef Narasimhan gilt als angezählt – zu Recht?

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Er war ein Medienliebling, als er mit 41 Jahren zum Chef von Novartis aufrückte. Die Scheinwerfer gingen an, in- und ausländische Journalisten stürzten sich auf Vas Narasimhan. Er war jung und voller Ideen. Nach genau vier Jahren gilt er nun als angezählt. Dabei hat er die meisten seiner Visionen umgesetzt.

Liefert er dieses Jahr nicht, dann muss er gehen: so der Tenor vieler Medienberichte über den Novartis-Chef Vas Narasimhan. Das Ultimatum wird ihm gestellt, weil die Aktie des Pharmakonzerns weniger stark gestiegen ist als die von Roche und der Konkurrenz. Die reflexhafte Logik: Läuft die Aktie nicht, fliegt der Chef. 

«Die reine Aktienperformance ist allerdings differenziert zu sehen», sagt Lorenzo Biasio, der Branchenexperte von Credit Suisse. Novartis sei dabei, sich zu häuten. Der US-Amerikaner Narasimhan ist angetreten, den Konzern ganz auf neue Technologien auszurichten. Dieser Transformationsprozess brauche Zeit, und daher sei die aktuelle Börsenbewertung kaum aussagekräftig. Gleichzeitig nage am Kurs, dass Novartis bei seinen Zukäufen nicht immer eine glückliche Hand gehabt habe. Doch dies gilt für den Sektor insgesamt.

500 Milliarden Dollar für Übernahmen

Es wirkt, als würde die gesamte Pharmabranche gerade tief Luft holen – denn eine ganze Reihe von Unternehmen stellt sich neu auf. Mehr als 500 Milliarden Dollar liegen bereit für Übernahmen. Allein Novartis hat durch den Verkauf seiner Roche-Aktien und die erwartete Veräusserung von Sandoz insgesamt um die 20 Milliarden Dollar zur Verfügung. Auch der amerikanische Covid-Impfstoffhersteller Pfizer und die britische GlaxoSmithKline verfügen jeweils über Dutzende Milliarden, die sie einsetzen können und müssen.

Grossübernahmen sind kaum zu erwarten, allein aus Kartellrechtsgründen. Die Augen richten sich stattdessen auf zukunftsweisende Biotechfirmen. Doch genau das ist das Problem, wie Christophe Eggmann vom Schweizer Vermögensverwalter GAM erklärt: «Es ist nicht klar, welche das sind, und deswegen ist auch ihr Wert nur schwer zu bestimmen, der Kaufpreis könnte sich als viel zu teuer herausstellen.»  

Eggmann ergänzt: «Als Investor ist es schwer, einzuschätzen, welche Technologie-Visionen sich tatsächlich in neuen Therapien vermarkten lassen.» Wegen dieser Unsicherheit stocke auch die Novartis-Aktie, wie andere Bankanalysten betonen. «Novartis hat sich in den letzten vier Jahren durch Zukäufe, auch kostspielige, sehr breit bei neuen Technologien aufgestellt, nun muss es der Konzern auch schaffen, sie in Umsatz zu verwandeln», sagt CS-Experte Biasio.

«Ich sehe Novartis und ihren Chef Narasimhan nicht am Scheideweg, es gibt keinen Grund, von einem Hopp oder Flop zu reden.»

Markus Manns, Portfoliomanager Union Investment

Die neue Novartis beruht im Kern auf fünf zugekauften Technologie-Ansätzen, die neue profitable Therapien hervorbringen sollen: Gentherapie, Zelltherapie, RNA-Therapien, chemischen Angriffsmechanismus auf krankheitsauslösende Proteine. Als Fünftes kaufte Novartis die Radioligand-Therapie ein, bei der eine radioaktive Substanz direkt an ein Antikörper gekoppelt ist, das einer Lenkwaffe gleich die Bestrahlung direkt zum Krebsgewebe bringt, ohne allzu viel Kollateralschaden bei gesunden Zellen zu verursachen.

Ziel ist, alle fünf Technologien bei verschiedenen Krankheiten zum Einsatz bringen zu können. Mit ein und derselben Methode sollen etwa Krebs wie auch Nervenerkrankungen behandelt werden, deswegen spricht man von Technologie-Plattformen.

Er ist vor vier Jahren angetreten: Novartis-Chef Vas Narasimhan.

Den Druck, den Medienberichte gegen Novartis aufbauen, können Biasio und andere Pharmaexperten nicht nachvollziehen. «Ich sehe Novartis und ihren Chef Narasimhan nicht am Scheideweg, es gibt keinen Grund von einem Hopp oder Flop zu reden», sagt Markus Manns, Aktien-Portfoliomanager bei der deutschen Union Investment. Trotz des tiefen Börsenkurses sei die Angst vor einer feindlichen Übernahme oder dem Einstieg von aktivistischen Investorinnen, die Narasimhan an den Kragen wollten, fehl am Platz.

Für Manns ist Novartis hoch spannend. Er macht das am Beispiel des neuen Cholesterinsenkers Leqvio deutlich, bei dem sich Narasimhans Vision gleich doppelt zeigt: Das Medikament beruht auf einer neuen Technologie der RNA-Interference, bei der die mRNA gebunden und so die Bildung desjenigen Proteins verhindert wird, das mit der Produktion von schädlichem Cholesterin im Zusammenhang steht.

«Narasimhan geht es um eine komplett neue Ausrichtung von Novartis.»

Michael Nawrath, Pharmaexperte der Finanzboutique Octavian

Zudem erfolgt die Markteinführung des Mittels mit einem bislang einmaligen Konzept: In Grossbritannien arbeitet Novartis mit der Gesundheitsbehörde zusammen, um Patienten nach einem Herzinfarkt zu betreuen. Ziel ist es, eine zweite Attacke zu verhindern, bezahlt wird die Therapie in Abhängigkeit ihrer Wirksamkeit. Nun kommt Leqvio in den USA auf den Markt, dem grössten Pharmamarkt der Welt. «Die grosse Frage ist, ob es die Therapie tatsächlich schafft, weltweit auf einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Dollar zu kommen», sagt Manns. 

Im Schnitt haben neue CEOs sechs Jahre Zeit, um zu zeigen, was sie können, so US-Statistiken. «Narasimhan geht es um eine komplett neue Ausrichtung von Novartis», sagt Pharmaexperte Michael Nawrath von Octavian. Auch die Wende weg von der kurzfristigen Profitmaximierung, die sein Vorvorgänger Daniel Vasella praktiziert habe, gehöre dazu.