GastkommentarDer Fall Gottfried Locher: Ein Racheakt?
Der Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche wurde zu Fall gebracht. Christlich ist das Vorgehen gegen den «obersten Reformierten» nicht.
Der Rücktritt von Gottfried Locher als Vorsteher der Evangelisch-reformierten Kirche bewegt mich. Es treibt mich die Frage um: Warum kommen gerade jetzt Auffälligkeiten in seinem Leben in die Medien, ganze zehn Jahre nach deren Aktualität? Das hat die Öffentlichkeit in keiner Weise zu interessieren. Es liegt oder lag einzig und allein an den direkt Betroffenen, einen aufgetretenen Konflikt zu lösen.
Hinter dem Interesse, ihn publik zu machen, vermute ich Rache, abgefeuert aus drei verschiedenen Rohren. Feministinnen entsetzen sich über Lochers Äusserungen zu Prostituierten. Moralisten spielen die Pharisäer-Karte, und Reformationspuristen wollen auf Teufel komm raus keinen Gottfried Locher als starke Führungspersönlichkeit. Dieses dreifache Interesse reicht locker, Locher abzuschiessen, zumal er ein Mann ist.
Ich kann alle verstehen, die jetzt sagen: Schluss! Ich trete aus der reformierten Kirche aus, nicht wegen Locher, sondern seiner Häscher wegen.
Noch ein anderer Gedanke lässt mich nicht los. Der Fall Locher soll nach dem landesüblichen Vorgehen gelöst werden: Beschwerde, Untersuchungen, Geschäftsprüfungskommission, externe Beratung. Es sind doch vor allem Pfarrerinnen und Pfarrer, die jetzt das grosse Wort führen.
Denkt da jemand von ihnen auch an jenen, dem sie verpflichtet sind: Jesus aus Nazareth? Ich fürchte, er hat keine Chance. Er stört nur. Orientierten sich die Federführenden am Nazarener, schlügen sie andere Wege ein. Sie stehen doch auf den Kanzeln und predigen über Versöhnung. Nichts davon. Jetzt wird ausgegrenzt. Komme mir niemand damit, Locher sei freiwillig gegangen.
Ich kann alle verstehen, die jetzt sagen: Schluss! Ich trete aus der reformierten Kirche aus, nicht wegen Locher, sondern seiner Häscher wegen.
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