Evangelisch-reformierte KircheNach happigen Vorwürfen: Der oberste Protestant tritt per sofort zurück
Der Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, Gottfried Locher, hat in einem Schreiben mitgeteilt, dass er sein Amt niederlegt. In einer Beschwerde wurden ihm Grenzverletzungen vorgeworfen.
Der kirchenpolitische Druck auf den Präsidenten der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) war offenbar zu gross geworden. Nach neunjähriger Amtszeit hat Gottfried Locher am Mittwochabend seinen Rücktritt per sofort bekannt gegeben. Dies, nachdem letzte Woche durch eine Beschwerde bekannt geworden war, dass Locher Grenzverletzungen vorgeworfen werden. In einem Communiqué der EKS heisst es, die Handlungsfähigkeit des Präsidenten sei seit einigen Wochen eingeschränkt gewesen. Eine Diskussion um seine Person solle nach seinem Willen die Arbeit der EKS nicht erschweren. Locher wolle mit seinem Ausscheiden ein Zeichen setzen, damit sich alle Kräfte auf die Weiterentwicklung der Kirche konzentrieren sollen.
Ansonsten bleibt das Communiqué nichtssagend. Es schweigt sich über die inhaltlichen Gründe zu Lochers Demission aus, über die seit dem 24.April gerätselt wird. Damals war Pfarrerin Sabine Brändlin wegen unüberbrückbarer Differenzen in einem laufenden Geschäft aus dem EKS-Rat, der Exekutive, ausgeschieden. Dem Vernehmen nach gab es Vorwürfe gegen den 53-Jährigen, es sei im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu Grenzverletzungen gekommen.
Beschwerde beim Rat eingereicht
Eine ehemalige Angestellte des Präsidenten habe demnach beim Rat eine Beschwerde eingereicht, um andere Personen zu schützen. Sabine Brändlin, im Rat zuständig für Prävention von Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen, habe sich darum kümmern müssen, sei beim Rest des Rates aber auf Widerstand gestossen.
Verschiedene Kantonalkirchen verlangten daraufhin in einer Interpellation Transparenz in der Sache. Sie zweifelten an der Handlungsfähigkeit des Präsidenten und des Rates.
Kommission in Aussicht gestellt
Das Büro der Synode, wie das kirchliche Parlament heisst, stellte die Bildung einer Kommission in Aussicht, die in einem Jahr Antworten vorlegen sollte. Das wurde als Verzögerungstaktik gewertet und mit Entrüstung quittiert. In einem offenen Brief forderten 12 namhafte Theologinnen und Theologen, eine unabhängige Kommission müsse die Sache zeitnah beantworten. Darüber hinaus solle sie allfälligen weiteren betroffenen Personen mit einer Meldestelle ermöglichen, sich anonym zu melden.
Im gestrigen Communiqué heisst es, die Aufarbeitung des Geschäftes werde weitergehen. Der Rat habe schon am 17. April beschlossen, dass der komplexe Sachverhalt von einer externen Stelle unabhängig untersucht werden solle. Zugleich stellt er klar: «Der Sachverhalt ist nicht erstellt oder erhärtet und wird nun erst abgeklärt.» Bis zur Neubesetzung des Präsidiums werden die beiden Vizepräsidenten die Geschäfte führen. Spätestens an der Synode vom 15. Juni wird man mehr erfahren.
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