Zoff in der Kirche Oberster Protestant gerät erneut unter Druck
Der überstürzte Rücktritt einer Pfarrerin aus der Führung der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz sorgt für Aufruhr. Kantonalkirchen fürchten einen Reputationsschaden und verlangen von Präsident Gottfried Locher Transparenz.
Der Vorgang ist einmalig: Die vier grossen Kantonalkirchen Zürich, Bern, Aargau und Waadt fragen in einer Interpellation an den Rat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) und deren Präsidenten Gottfried Locher, ob diese noch handlungsfähig seien. Sie verlangen Transparenz in einem vor drei Wochen öffentlich gewordenen Konflikt auf höchster Kirchenebene.
Ratsmitglied Pfarrerin Sabine Brändlin war am 24. April «aus persönlichen Gründen und wegen unüberbrückbaren Differenzen» per sofort aus der Exekutive der EKS ausgeschieden. Dies «trotz grosser Freude» an ihrem seit 2016 bekleideten Amt. Der Rücktritt stehe im Zusammenhang mit einem laufenden Geschäft im Rat. In einem eigenen Communiqué hielt dieser fest, der Rücktritt habe mit einer möglichen Befangenheit zu tun. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes werde nicht darüber informiert.
Bis heute schweigen Brändlin und Locher. Es wird gerätselt, welches Geschäft zum Rücktritt Brändlins geführt hat. In ihrem Communiqué schreibt die Pfarrerin lediglich, zu ihren Kerngeschäften im Rat habe die Vorlage «Ehe für alle» gehört und die Prävention von Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen.
Ist Locher ein Frauenfeind?
Die kantonalen Exekutiven wollen in der Interpellation nun wissen: Um welches Geschäft handelt es sich? Ist es ein Personal- oder Sachgeschäft? Geht es um den Präsidenten? Wer ist befangen? Und wer beansprucht Persönlichkeitsschutz? Die Kantonalkirchen befürchten einen Vertrauensverlust und das Risiko eines Reputationsschadens für die neu gestartete EKS und ihre Mitgliedkirchen. Nach einer Verfassungsrevision war Anfang Jahr aus dem Dachverband von 26 Kantonalkirchen die nationale Kirche EKS geworden mit Locher an der Spitze. Er versprach eine starke personelle Leitung der neuen Kirche.
Doch schon vor seiner Wiederwahl für die dritte Amtszeit als Präsident im Juni 2018 war Locher heftiger interner Kritik ausgesetzt. Im Zentrum standen seine umstrittenen Aussagen zur «Feminisierung der Kirche», zu Prostitution, Frauen und zur Sexualität, die sich in der Jugend als «beuteverschlingendes Raubtier» melde. Zahlreiche Pfarrerinnen empfanden die Aussagen als frauenverachtend und forderten von Locher ein klares Bekenntnis zur Geschlechtergerechtigkeit in seiner Kirche. Die kurzfristig als Gegenkandidatin aufgestellte Pfarrerin Rita Famos hatte dann aber keine Chance aufs Präsidium.
Viel Geld für PR
Bereits in der damaligen Krise wurden rund 26’000 Franken für externe Kommunikation ausgegeben. Geprüft auch vom Präsidenten der kirchlichen Geschäftsprüfungskommission, Johannes Roth aus Zug. Dieser hatte einst zum Verwaltungsrat der Mossack Fonseca & Co. Zürich AG gehört. Deren gleichnamige Anwaltskanzlei in der Karibik hatte Hunderttausende Briefkastenfirmen errichtet, wie 2016 im Zuge der Enthüllung der Panama Papers bekannt geworden war. Roth zeigte Reue und demissionierte als Verwaltungsrat.
Nun wollen die Kantonalkirchen wissen, ob auch im neuen Konflikt «zusätzliche Mittel beansprucht werden, beispielsweise für Kommunikation (zu denken ist an PR-Büros und Kommunikationsagenturen) und Anwaltskosten. Wenn ja, in welchem Umfang, wer bewilligt diese und wer kommt dafür auf?»
Die Interpellation müsste in der Juni-Synode der EKS mündlich beantwortet werden. Wegen der Pandemie wird diese nur virtuell stattfinden, am 15. Juni.
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