Regionalwahlen in DeutschlandDer CDU droht ein Debakel
Ausgerechnet vor dem Wahlsonntag in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bricht die CDU in den Umfragen ein. Statt der erhofften Erfolge stehen schwere Niederlagen bevor.
Dass die Parlamentswahlen in den südwestlichen Bundesländern – und damit der Einstieg ins Superwahljahr 2021 – schwierig werden könnten, ahnten die deutschen Christdemokraten schon lange.
In Baden-Württemberg hatte die CDU 2011 nach 60 Jahren Vorherrschaft die Macht an die Grünen verloren und regierte seit 2016 nur noch als deren Juniorpartner mit. In Rheinland-Pfalz, das in der Vergangenheit immerhin den christdemokratischen Langzeitkanzler Helmut Kohl hervorgebracht hat, schmort die CDU seit 30 Jahren in der Opposition.
Dabei war lange noch Hoffnung
Doch sehr lange hegten die Christdemokraten im Südwesten noch Hoffnungen, und nicht ohne Grund: In Rheinland-Pfalz lagen sie seit 2018 in den Umfragen bis zu 10 Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, in Baden-Württemberg wenigstens sporadisch gleichauf mit Winfried Kretschmanns Grünen. Seit einem Jahr gab es zusätzlich starken Rückenwind aus Berlin, weil die Corona-Krisenpolitik von Kanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn und CSU-Chef Markus Söder die Union auf Umfragewerte gegen 40 Prozent hochtrieb.
In den letzten Wochen endeten beide Höhenflüge abrupt: In den Ländern begann die Beliebtheit der Amtsinhaber die üblichen Parteienpräferenzen wieder zu überlagern, im Bund machte der Unmut über den andauernden Lockdown die einjährige Krisendividende der CDU Tag für Tag ein bisschen mehr zunichte.
Je mehr Leute sich über den schleppenden Impfstart und das löcherige Testregime ärgerten, je mehr der sozialdemokratische Koalitionspartner in das Mäkeln, Schimpfen und Jammern der Opposition einstimmte und je mehr die Medien von «Spiegel» bis «Bild» den Stimmungswechsel befeuerten, umso stärker sanken die Umfragewerte der CDU.
Den letzten Rest Zuversicht vernichtete in den letzten zwei Wochen eine hausgemachte Affäre: Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU hatten vor einem Jahr Unternehmen und Ministerien dabei geholfen, Schutzmasken einzukaufen – und dabei viel Geld in die eigene Tasche gesteckt: 660'000 Euro sollen es bei Vize-Fraktionschef Georg Nüsslein (CSU) gewesen sein, 250'000 Euro beim Baden-Württemberger Nikolas Löbel (CDU).
Unter Korruptionsverdacht
Pünktlich zur Wahl geriet also die ganze Union unter Korruptionsverdacht. Entsprechend heftig fiel ihre Reaktion aus: CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Kollege Söder drängten die fehlbaren Abgeordneten schnell aus der Partei, versprachen vollständige Transparenz und reichten der SPD die Hand für schärfere Regulierungen, die sie bisher stets bekämpft hatten.
In den wählenden Bundesländern aber war der Schaden längst angerichtet. Meinungsforscher erwarten nun nicht mehr nur Niederlagen der CDU, sondern halten auch ein Debakel für möglich. In Baden-Württemberg besteht die Gefahr, dass die Grünen die nächste Regierung ohne die Christdemokraten bilden. Für die erfolgsgewohnte Partei wäre es eine Demütigung, ja Katastrophe.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden die Niederlagen von Stuttgart und Mainz mit Geschepper im Feld des neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet landen. Offiziell heisst es zwar, man könne dem im Januar gewählten neuen Chef diese Skandale und Niederlagen beim besten Willen nicht zur Last legen. Inoffiziell weiss jeder, dass genau dies passieren wird.
Zumal die wichtigste Entscheidung der Union im Wahljahr 2021 immer noch aussteht, nämlich die Frage, wer die Union als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl führen soll: Laschet oder Söder. Erst hiess es, der Entscheid solle nach den Landtagswahlen vom Sonntag fallen, danach war von Ostern die Rede. Nun reicht der Horizont auf einmal bis Pfingsten.
Über allem steht die entscheidende Frage:
Wer wird Kanzlerkandidat der Union?
Die Ausgangslage ist eigentlich klar, aber gleichwohl vertrackt: Der Chef der viermal grösseren CDU hat traditionell das erste Zugriffsrecht auf die Spitzenkandidatur, der CSU-Vorsitzende kommt höchstens zum Zuge, wenn die CDU schwach erscheint.
Dieser Fall könnte bald eingetreten sein. Seit Januar haben sich Laschets persönliche Umfragewerte jedenfalls nicht verbessert, die von Söder liegen – trotz Verlusten – immer noch fast doppelt so hoch. Den Niedergang der CDU in den Umfragen konnte Laschet genauso wenig verhindern wie das absehbare Debakel in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Kanzlerkandidat und möglicher Nachfolger von Merkel ist der 60-jährige Aachener also noch lange nicht.
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