Analyse zum neuen CDU-ChefLaschet muss liefern – sonst wird er kaum Kanzler
Sieger nur für einen Tag: Armin Laschet muss die zerrissene CDU schnell wieder zusammenführen und Landtagswahlen gewinnen.
Auf den ersten Blick geht es den deutschen Christdemokraten am Anfang des grossen Wahljahres 2021 hervorragend: In den Umfragen liegen sie über 35 Prozent, fast doppelt so hoch wie der nächste Verfolger, die Grünen. Mit der Wahl des Mitte-Politikers Armin Laschet zum Parteichef ist nun auch die Führungs- und Richtungsfrage wieder geklärt. Kurz: Es müsste wohl ziemlich viel passieren, damit im Herbst nicht ein Christdemokrat Angela Merkel im Kanzleramt ablöst.
Der zweite Blick hingegen zeigt eine Partei, die nicht selbstbewusst, sondern zerrissen und verunsichert ist. Die um ihren Status als letzte «Volkspartei» bangt. Die Christdemokraten sind uneins über den Kurs und beunruhigt, welche Folgen der Abgang von Merkel haben könnte. Im Osten ringen sie im Umgang mit der Alternative für Deutschland um ihre Identität, im Westen sehen sie wichtigen Landtagswahlen auffallend nervös entgegen.
Laschet kann integrieren wie wenige. Aber wollen die Merz-Fans überhaupt noch mitarbeiten?
Wenige CDU-Politiker wären besser geeignet als Laschet, die Partei nach einer knappen, aufwühlenden Wahl wieder zusammenzuführen. Das heisst aber noch lange nicht, dass es ihm auch gelingt. Im Unterschied zu Friedrich Merz, der ihm in der Wahl unterlag, ist Laschet ein Versöhner, kein Spalter. Wie Merkel ist er begabt darin, Schnittmengen zwischen scheinbar unvereinbaren Lagern und Meinungen zu finden.
Laschet hat es in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen bewiesen: Erst einte er eine legendär zerstrittene Landespartei, gewann aus der Opposition die Wahl gegen eine Amtsinhaberin, die deutlich beliebter war als er, und zimmerte danach eine stabile Koalition mit der schwierigen FDP. Unter seiner Führung regiert diese seither geeint und recht erfolgreich – trotz nur einer einzigen Stimme Mehrheit im Parlament.
Merz’ schlechtes Vorbild
Die Aufgabe in der Bundespartei ist aber noch einmal erheblich schwerer. Der Konservative Merz, der seine Anhänger begeistert, indem er ihnen die Abkehr von Merkel und ihrer Politik verheisst, scharte am Samstag fast die Hälfte der Delegierten hinter sich. In seinem Lager ist die Enttäuschung über die Wahl des Merkel-Unterstützers Laschet teilweise grenzenlos. Viele von ihnen wollen nun lieber stänkern, als sich wieder einzufügen und mit anzupacken.
Sie fühlen sich dabei bestärkt vom Verhalten ihres Idols: Merz lehnte es am Samstag wie schon 2018 ab, ins Präsidium der Partei einzutreten. Stattdessen forderte der Wahlverlierer das Wirtschaftsministerium für sich, und zwar in Merkels jetziger Regierung: eine Frechheit nicht nur an die Adresse der Kanzlerin, sondern auch an die des neuen Parteichefs.
Laschet will die CDU in der politischen Mitte halten. Nur, was heisst das konkret? Aus strategischer Sicht wird sich die Bundestagswahl im Herbst an der Frage entscheiden, wem es gelingt, die Millionen von Wechselwählern in der Mitte zu gewinnen, insbesondere Frauen, die Merkel im Laufe der Jahre davon überzeugt hat, ihr Kreuz bei der CDU zu machen. Weil die Kanzlerin im Herbst die Bühne verlässt, könnte der CDU diese Aufgabe erheblich schwerer fallen, als viele meinen.
Kaum etwas schadet der CDU mehr, als wenn sie zu viel Nähe zur AfD zeigt.
Sicher ist eigentlich nur: Eine konservative Wende, wie sie Merz’ Anhänger fordern, würde vielleicht die Stammwähler der CDU auf dem Land begeistern, die Wechselwähler in Städten und Agglomerationen aber nachhaltig vertreiben.
Ähnlich schädlich wäre Merz’ Strategie, durch prononciert konservative Politik Wähler zurückzugewinnen, die die CDU in den letzten Jahren an die AfD verloren hat. Nichts schreckt urbane Mitte-Wähler mehr ab als Nähe zu Rechtsradikalen. Viele CDU-Politiker vor allem im Osten fühlen sich aber der AfD politisch viel näher als etwa den Grünen. Dieser Widerspruch führte zuletzt in Thüringen und in Sachsen-Anhalt bereits zu Konflikten, die die CDU zu zerreissen drohen. In beiden Bundesländern wird 2021 gewählt.
Schicksalswahlen im Westen
Auch die Lage im Westen ist konfliktreich. Bereits im März wird in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt – frühere Hochburgen der CDU, die im letzten Jahrzehnt beide verloren gingen. In beiden Ländern ist die CDU heute betont konservativ und ländlich geprägt. In Stuttgart und in Mainz hatte man deswegen Merz als neuen Chef regelrecht herbeigesehnt.
Die neue Mitte (und die Regierungskanzleien) besetzen in Baden-Württemberg derweil die Grünen, in Rheinland-Pfalz die Sozialdemokraten. Sollte die CDU diese wichtigen Landtagswahlen erneut verlieren, wäre die Versuchung vor Ort gross, Laschet für die Niederlage verantwortlich zu machen. Obwohl dieser doch gerade antritt, um die Attraktivität seiner Partei in der Mitte zu bewahren.
Die Aufgaben, vor denen der neue CDU-Chef steht, sind also gewaltig. Umso mehr, als Laschet nebenher in Nordrhein-Westfalen auch noch 18 Millionen Menschen durch eine der grössten Krisen der Nachkriegsgeschichte führen soll. Seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die ein sehr ähnliches Profil aufwies wie er, ist an den Widersprüchen der Partei innert weniger Monate gescheitert. Und Laschet hat noch viel weniger Zeit, um die Probleme zu lösen, als damals die Saarländerin.
Kann der neue CDU-Chef den schwelenden Richtungsstreit nicht bald befrieden und Wahlerfolge vorweisen, dürften seine Chancen auf die Nachfolge von Merkel bald schwinden. Mit Markus Söder steht ein Mann als Alternative bereit, der seine CSU bereits versöhnt und mit Kraft in die neue, grünere Mitte geführt hat. Und der, zu Laschets Leidwesen, auch noch in der Pandemie die Menschen von seiner Krisenfestigkeit überzeugt hat. Wenigstens bis jetzt.
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