Gefahr DeindustrialisierungWas anstelle von Industriepolitik nötig ist
In der Schweiz mehren sich die Rufe nach Subventionen für Firmen. Viel besser wäre es, der Wirtschaft gute Rahmenbedingungen zu verschaffen.
![Betonstahl-Armiereisenin lagern in einer Halle der Produktionsstaette der Stahl Gerlafingen AG in Gerlafingen im Kanton Solothurn, Schweiz, fotografiert am Montag, 18. September 2023. Die Schweizer Stahlproduktionsfirma gehoert der italienischen Beltrame Group und ist ein fuehrender Anbieter von Bewehrungsprodukten (Armierungen) in der Schweiz. (KEYSTONE/Christian Beutler)](https://cdn.unitycms.io/images/9aet_lC3ang8afgj6ocyjw.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=a3qvwSa_Cao)
Ronald Reagan hat die Logik der Politik einmal so zusammengefasst: «Wenn es sich bewegt, besteuere es. Wenn es in Bewegung bleibt, reguliere es. Und wenn es aufhört, sich zu bewegen, subventioniere es.» Wir laufen Gefahr, in der Industriepolitik genau dieser Logik zu folgen.
Der Blick nach Deutschland sollte für die Schweiz ein Weckruf sein: Bei unserem nördlichen Nachbarland, welches sich zu Recht als Exportweltmeister bezeichnete, findet seit einiger Zeit eine Deindustrialisierung statt. Die deutsche Politik reagiert mit Subventionsversprechen. Die Unternehmen werden so dazu gedrängt, sich vermehrt am Räuspern der Politik zu orientieren. Eine solche aktivistische Industriepolitik hat aber eine gravierende Kehrseite: Die Unternehmen vergessen, sich voll und ganz auf den Markt auszurichten. Die Innovation bleibt auf der Strecke. Sie werden immer abhängiger von der Politik und gehen schliesslich trotzdem ein. In der Schweiz kennen wir zum Glück nicht viele solcher Beispiele. Eines davon ist der Fahrzeughersteller Saurer, bei dem die Politik über Jahre das Sterben hinausgezögert hat.
Immerhin hat die Schweiz über weite Strecken eben keine Industriepolitik betrieben. Und der Erfolg ist beeindruckend: Der Industrieanteil am Schweizer Bruttoinlandprodukt liegt bei fast 20 Prozent, viel mehr als in anderen Ländern. In Frankreich beispielsweise, das über Jahrzehnte eine aktivistische Industriepolitik betrieben hat, ist dieser Anteil lediglich etwa halb so gross.
Gefahr der Deindustrialisierung wächst
Weshalb konnte in der Schweiz die Industrie so erfolgreich bleiben? Weil sie bisher gute Rahmenbedingungen fürs Wirtschaften schuf: gute Infrastruktur, offene Märkte, moderate Steuersätze, ein ausgezeichnetes Bildungssystem, Top-Hochschulen wie die ETH, ein liberaler Arbeitsmarkt und eine günstige Energieversorgung.
Diese Voraussetzungen halfen, dem unaufhaltsamen Strukturwandel aktiv zu begegnen, Altes abzustossen, in neue Geschäftsbereiche zu expandieren und innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Nur so war es möglich, dass die Schweizer Unternehmen heute im internationalen Vergleich herausragende Löhne zahlen und weiterhin auf dem teuren Pflaster Schweiz produzieren können. Damit dies auch in Zukunft gelingt, müssten genau diese Faktoren gepflegt werden, doch passiert im Moment leider das Gegenteil.
Die Rahmenbedingungen in der Schweiz verschlechtern sich, und die Gefahr einer Deindustrialisierung wächst. Hohe Energiepreise, verursacht durch Subventionen und unzureichende Netzplanung, sowie zunehmende Regulierung belasten die Unternehmen. Gleichzeitig schwindet die Investitionsbereitschaft, und Debatten über Selbstverständlichkeiten wie Infrastruktur und Technologieoffenheit lähmen Fortschritte.
Klimaschutz, Verteidigung, Bildung, Forschung und Sozialausgaben haben etwas gemeinsam: Sie kosten Geld. Viel Geld. Um uns das leisten zu können, ohne die Bevölkerung mit noch höheren Steuern zu belasten, braucht es erhebliches Wachstum. Und das gelingt nur durch eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Die Politik muss handeln und bereit sein, rote Linien zu überdenken, um den Stillstand zu überwinden – frei nach einem anderen Präsidenten der USA, John F. Kennedy: Fragt nicht, was eure roten Linien sind, sondern welche ihr bereit seid aufzugeben, um vorwärtszukommen.
Rudolf Minsch und Alexander Keberle sind Mitglieder der Geschäftsleitung von Economiesuisse, des Dachverbands der Schweizer Wirtschaft.
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