Update folgtHochwasser in Deutschland«Jahrhundert-Niederschläge»: Passau unter Wasser, Frau aus Baumkrone gerettet
Der Regen hat nachgelassen. Doch die Schäden der Überschwemmungen in Süddeutschland werden immer sichtbarer. Mehrere Menschen werden vermisst.
Nur langsam fliesst das gewaltige Hochwasser an der unteren Donau ab. Zwischen Kelheim und Passau ist die Lage in Bayern weiterhin angespannt – ganz besonders in Regensburg. Dort bereitete den Behörden und Einsatzkräften der durchweichte Boden entlang einer Strasse in der Altstadt Sorgen. In Passau gingen derweil die Pegelstände zurück, wenn auch zunehmend langsamer. Die schwäbischen und oberbayerischen Hochwasser-Landkreise sind ebenfalls noch längst nicht zurück in der Normalität. Bei der Suche nach Vermissten gab es bis zum Donnerstagmorgen keine Neuigkeiten
Die Wasserstände an den Pegeln in Passau und Regensburg lagen am frühen Mittwochmorgen laut Hochwassernachrichtendienst (HND) weiter bei der höchsten Meldestufe 4. Auch wenn sich die Lage vielerorts langsam zu entschärfen scheint, ist aufgrund mehrerer Vermisstenfälle zu befürchten, dass neben den fünf bestätigten Hochwasseropfern noch weitere Tote hinzukommen könnten.
Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) sind zwar in Bayern am Mittwoch und Donnerstag weitere Schauer und Gewitter zu erwarten – Starkregen sei aber nur am östlichen Alpenrand wahrscheinlich. Das Landratsamt Donau-Ries warnte, trotz teils sinkender Pegelstände in den Flüssen könne das Wasser auf freier Flur weiter steigen. Auch in Baden-Württemberg sind laut DWD am Donnerstag einzelne Schauer oder Gewitter möglich – am Mittwoch soll es weitestgehend trocken bleiben.
Teile Süddeutschlands stehen weiter unter Wasser
Die Wassermassen hatten Autos mitgerissen, Häuser, Felder und Strassen sind überflutet, Räume und Möbel von Schlamm zerstört. Teile Süddeutschlands stehen weiter unter Wasser, besonders stark betroffen sind Gebiete an der Donau in Bayern. Mehrere Landkreise und die Städte Passau und Regensburg haben den Katastrophenfall ausgerufen. Dadurch können Rettungsarbeiten besser koordiniert werden. Bei der Donau betrug der Pegelstand am Dienstagnachmittag 9,97 Meter.
Aufgrund des Starkregens am Montag rechnete Passau mit einem Pegelstand der Inns von mehr als sieben Metern.
Zahlreiche Strassen und Plätze in Passau sind wegen des Hochwassers bereits gesperrt, Schulunterricht fällt aus. Der Busverkehr ist beeinträchtigt, Verbindungen in die Altstadt wurden am Dienstag komplett eingestellt. Betroffen ist den Angaben zufolge vor allem die Alt- und Innenstadt. Die Stadt warnte dringend davor, überflutete Bereiche zu betreten. Das gesamte Hochwassergebiet solle grundsätzlich gemieden werden.
In Passau kommen die drei Flüsse Donau, Inn und Ilz zusammen. Vor allem entlang der Donau spitzte sich die Hochwasserlage in Bayern zu.
In Regensburg hatten am späten Montagabend rund 200 Menschen ihre Häuser verlassen müssen. In Oberbayern rutschten Teile der Burg Falkenstein angesichts des Dauerregens ab. An zahlreichen Schulen in Bayern fiel der Unterricht aus.
Menschen vermisst, Frau aus Baumkrone gerettet
In den Hochwassergebieten galten am Dienstagnachmittag nach Angaben des Innenministeriums sechs Menschen als vermisst. Gesucht wurde unter anderem nach einem Feuerwehrmann in Schwaben. Der 22-Jährige war in Offingen mit weiteren Einsatzkräften mit einem Boot gekentert. Die anderen konnten sich retten.
Eine Frau hat im bayerischen Hochwassergebiet mehr als 52 Stunden in einer Baumkrone ausgeharrt. Am Dienstag wurde die 32-Jährige in Neu-Ulm im Bereich Silberwald gefunden, wie die Polizei mitteilte. Die Frau hatte seit Sonntag als vermisst gegolten, die Polizei leitete umfangreiche Suchmassnahmen ein.
Letztlich wurde die Frau mithilfe einer Drohne in der Krone eines umgestürzten Baums gefunden, in der sie sich vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht hatte. Zum Zeitpunkt der Rettung stand das Wasser laut Polizei immer noch brusthoch, sodass die Frau mit einem Helikopter gerettet werden musste. Die 32-Jährige war den Angaben zufolge sichtlich geschwächt und dehydriert und kam vorsorglich in ein Spital. Ansonsten war sie aber körperlich unversehrt.
In Baden-Württemberg entspannt sich die Hochwasserlage dagegen deutlich. Doch die verheerenden Folgen werden immer stärker sichtbar. «Von Normalität sind wir noch weit entfernt», sagte eine Sprecherin der Behörden. Im Unterallgäu wurde eine Frau tot aus ihrem Auto geborgen. Sie war laut Polizeiangaben am Montag in Markt Rettenbach mit ihrem Wagen von einer Strasse ins Wasser gerutscht. Damit stieg die Zahl der bekannten Todesopfer infolge des Hochwassers in Bayern und Baden-Württemberg auf fünf.
Gewitterrisiko an den Alpen
Zusätzliches Wasser von oben soll es nicht oder kaum noch geben: Laut Deutschem Wetterdienst werden am Dienstag keine unwetterartigen Niederschläge mehr erwartet. Lediglich an den Alpen bestehe gegen Nachmittag und Abend ein geringes Risiko für Gewitter mit Starkregen um 15 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit.
An den Donauzuflüssen ging das Hochwasser am Morgen zurück. Im Bereich Isar und Inn hätten jedoch die Starkregenfälle vom Montag zu kurzzeitig starken Anstiegen der Pegelstände geführt.
Tausende Helfer sind weiter im Einsatz. An zahlreichen Schulen in Bayern fiel auch am Dienstag der Präsenzunterricht aus.
In Oberbayern rutschten Teile der Burg Falkenstein ab. Unterhalb der Burg seien 50 Anwohner in Sicherheit gebracht worden, teilte der Landkreis Rosenheim mit. Die Burgruine unweit der Autobahn an der Grenze zu Österreich gilt als Wanderziel, die Hauptburg wurde um 1300 erbaut. Wie gross das Ausmass der Schäden an der Ruine ist, war zunächst nicht bekannt.
Im Landkreis Rosenheim ist die Hochwasser-Lage weiter angespannt. Bürgerinnen und Bürger sollten möglichst zu Hause bleiben. «Es besteht eine akute Gefahr für Leib und Leben», hiess es in einer Mitteilung der Behörde am Montagabend: Die Menschen sollten den Aufenthalt im Freien vermeiden, sich von offenen Gewässern fernhalten und die Rettungskräfte nicht bei ihrer Arbeit behindern.
Donau in Österreich für Schifffahrt gesperrt
In Österreich ist der gesamte Verlauf der Donau wegen des Hochwassers für die Schifffahrt gesperrt worden. Das teilte die staatliche Wasserstrassengesellschaft Via Donau am Dienstag mit. «Ab einem gewissen Wasserstand ist die Sicherheit nicht mehr gewährleistet», sagte Sprecher Christoph Caspar der Deutschen Presse-Agentur. Wie lange die Massnahme in Kraft bleibe, hänge von den weiteren Niederschlägen und den Wassermengen der Zubringerflüsse ab.
Wegen der Sperre mussten einige Kreuzfahrtschiffe in Linz anlegen, wo die Donau am Dienstag über die Ufer trat. Die Donau fliesst über 350 Flusskilometer durch Österreich, von der bayerischen Grenzstadt Passau bis zur slowakischen Haupt- und Grenzstadt Bratislava.
Meteorologe: Jahrhundert-Niederschläge
An der Donau sollen die Wasserstände am Dienstag zwar die höchsten Werte des aktuellen Hochwassers erreichen, aber unter früheren Werten bleiben, wie der Hochwassernachrichtendienst am Morgen mitteilte.
Weiteren Regen soll es nicht oder kaum geben: «Aus meteorologischer Sicht kann man nun für den Süden Deutschlands Entwarnung geben», sagte Meteorologe Robert Hausen vom Deutschen Wetterdienst. Vereinzelte Schauer und Gewitter seien in den Hochwassergebieten zwar möglich, doch diese würden nicht unwetterartig ausfallen.
Dennoch könne man von Jahrhundert-Niederschlägen sprechen, sagte der Meteorologe Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst. «Das ist schon besonders, aber nicht komplett aussergewöhnlich.» Insgesamt zeigten etwa 20 bis 30 Messstationen solche besonders hohen Werte an – überwiegend von einer Region nordöstlich von Augsburg bis fast zum Bodensee. Einige Extremwerte bezögen sich auf die Niederschläge an einem Tag, andere auf Niederschläge in drei aufeinander folgenden Tagen. Am Bodensee hat sich die Situation auch in der Schweiz zugespitzt. Seit Dienstag gilt die Gefahrenstufe «hoch».
Züge zwischen München und Stuttgart betroffen
Nach Einschätzung der Behörden ist die teils dramatische Lage nach den Überflutungen im Griff. «Wir sind im Bevölkerungsschutz in Baden-Württemberg gut aufgestellt», hatte der Innenminister des Bundeslandes, Thomas Strobl, am Montagabend mitgeteilt. Wassermassen hatten in der Region südöstlich von Stuttgart Strassen überflutet. Zahlreiche Gebäude waren evakuiert worden.
Bahnreisende müssen sich wegen der Lage weiter auf Einschränkungen und Zugausfällen einstellen. Züge konnten unter anderem München aus Richtung Stuttgart nicht anfahren, wie die Deutsche Bahn mitteilte. «Wir raten von Reisen in die betroffenen Hochwassergebiete in Bayern und Baden-Württemberg ab und empfehlen, nicht notwendige Reisen zu verschieben», teilte das Bahnunternehmenmit.
Hochwasserschutz oder Klimaschutz?
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte den betroffenen Menschen in Süddeutschland verlässliche Unterstützung zu. «In den Hochwassergebieten steht jetzt nur eins im Vordergrund, Leib und Leben zu retten. Das ist der Imperativ der Stunde. Den Menschen in den Überschwemmungsgebieten muss aber auch beim Wiederaufbau geholfen werden», sagte er der «Augsburger Allgemeinen».
Dass die Überschwemmung weiter Landstriche häufiger als in der Vergangenheit aufträte, sei eine Folge der Erderwärmung. «Zurückdrehen können wir sie nicht, aber ich glaube, dass die fürchterlichen Ereignisse dieser Tage die Debatte darüber anregen werden, wie ernst wir den Klimaschutz nehmen», sagte Habeck.
Verbände forderten unterdessen mehr Investitionen in den Hochwasserschutz. Der Deutsche Städtetag rief Bund und Länder zu höheren Ausgaben auf. «Hochwasser, wie derzeit in Bayern und Baden-Württemberg, kommen in immer schnellerem Takt. Deutschland muss sich besser darauf vorbereiten», sagte der Geschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, dem Sender RND.
Die Einsatzkräfte bräuchten dafür die bestmögliche Ausstattung und Infrastruktur. «Bund und Länder müssen deshalb die Mittel für den Hochwasser- und Katastrophenschutz wieder deutlich ausbauen – und zwar dauerhaft und nicht ad hoc über Sonderprogramme.» Er wies auf die wachsenden Ausgaben der Städte und Gemeinden für Massnahmen wie Dammbau, Begrünung und Bewässerung hin, die durch die Erderwärmung nötig würden.
Die Präsidentin des Technischen Hilfswerks, Sabine Lackner, sagte der «Augsburger Allgemeinen» mit Blick auf nötige Investitionen: «Wir liegen mit rund 400 Millionen Euro für das laufende Jahr noch ein Stück über dem Niveau aus der Zeit vor der Corona-Pandemie, umgerechnet sind das etwa vier Euro pro Bundesbürger und Jahr, also nicht wirklich viel. Innenministerin Nancy Faeser sagt ja selbst, dass es erheblicher Investitionen bedürfe. Insofern ist die Politik in der Pflicht.»
Die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke hatte am Montag bereits ein neues Gesetz zum besseren Schutz vor Hochwasser in Deutschland angekündigt. «Es wird immer deutlicher, dass wir uns gegen die Folgen der Klimakrise besser schützen müssen», teilte die Ministerin mit. «Dafür brauchen wir auch ein neues Hochwasserschutzgesetz.»
Mit Material der DPA und der AFP./oli
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