Nach Roche- und Sandoz-DealsDas wird Novartis mit der Riesensumme von rund 50 Milliarden machen
So viel freies Geld hat kaum je ein Konzern zur Verfügung. Dahinter steht beim Basler Pharmakonzern jedoch ein Plan.
Novartis hat bis Ende 2022 rund 50 Milliarden Franken zur Verfügung: 19 Milliarden fliessen dem Pharmakonzern aus dem Verkauf seines jahrzehntelang gehaltenen Roche-Aktienpakets in die Kassen, das er Roche nun in einer überraschenden Vereinbarung angedient hat. Bis Ende 2022 sind zudem rund 30 Milliarden aus der Trennung von der Generika-Sparte Sandoz zu erwarten. Damit wird in Basel quasi ein neuer Pharmakonzern entstehen, von dem Patientinnen und Patienten schon in Kürze auf eine Reihe von neuartigen Therapien gegen Krebs und andere Krankheiten hoffen dürfen.
Mit den prall gefüllten Kassen plant Novartis-Chef Vas Narasimhan eine besondere Art von Befreiungsschlag. Die Milliarden will er nicht in den Kauf eines anderen Pharmariesen stecken, sondern in eine ganze Reihe von Zukäufen kleinerer vielversprechender Firmen. «Es gibt keine grosse und noch bezahlbare Firma, die wirklich gut bei den gefragten neuen Technologien vertreten ist», wie der unabhängige Pharmaanalyst Michael Nawrath sagt.
«In neue Technologien schnell aus eigener Forschungskraft einzusteigen, das schafft keine grosse Pharmafirma.»
Im Fokus der neuen Novartis stehen vor allem die Gen-, die Zell- und die Radioligand-Therapie, wie sie vor allem von kleineren US-Firmen erforscht werden. Der Konzern dürfte mit Zukäufen in diesen Bereichen den neuartigen Therapieansätzen einen weiteren Schub verleihen – und sich selbst aus der Bredouille bringen. Denn viele seiner wichtigen Patente laufen in Kürze aus, und er selbst hat aus eigener Forschung wenig Nachschub zu erwarten.
In der Pharmaindustrie geht es bei der Forschung und auch bei Zukäufen jedoch nicht mehr um einzelne Medikamente, sondern um Technologieplattformen, die gleich gegen eine Vielzahl von Krankheiten eingesetzt werden können. Hier ist Novartis schon vertreten. Dies jedoch nur dank den schon erfolgten Zukäufen der letzten Jahre. «In neue Technologien schnell aus eigener Forschungskraft einzusteigen, das schafft keine grosse Pharmafirma», sagt Nawrath.
Wie ein Shop-in-Shop-Kaufhaus dürfte sich der bisherige Riesentanker Novartis künftig in neue, agile Bereiche gliedern, die für Kranke verschiedene Behandlungsarten im Angebot haben.
Gentherapie
In der Gentherapie geht es darum, eine defekte DNA auszutauschen. So können vor allem Erbkrankheiten nicht nur behandelt, sondern sogar geheilt werden. Novartis hat hier mit dem teuersten Medikament der Welt namens Zolgensma von der US-Firma Avexis schon ein Mittel gegen spinale Muskelatropie bei Babys auf dem Markt. Mit der Akquisition hatte Novartis jedoch wenig Glück, denn die klinische Zulassung für ältere Patientinnen und Patienten wurde zunächst teilweise gestoppt, wegen Unsicherheiten bei den präklinischen Daten. Aber auf diesem Feld dürfte Novartis weitere Zukäufe ins Auge fassen, denn es gibt verschiedene Arten, wie die DNA in die Zellen gebracht werden kann.
Zelltherapie
Zelltherapien existieren erst gegen Leukämie und Lymphome, aber nicht gegen feste Krebstumore der Organe. Bei dieser Technologie werden menschliche Immunzellen gentechnologisch so verändert, dass sie Krebszellen erkennen und bekämpfen. Dabei können entweder eigene Abwehrzellen des Patienten aufbereitet werden – wie bei der Therapie Kymriah von Novartis – oder aber universell verwendbare von gesunden Menschen. «Hier eine Herangehensweise zu finden, die auch bei der zu 80 Prozent überwiegenden Mehrheit der festen Tumore einsetzbar ist, wäre so etwas wie der Heilige Gral», sagt Nawrath.
Radioligand-Therapie
Bestimmte Krebsarten – etwa Prostatakrebs mit Metastasen – könnten künftig nuklearmedizinisch behandelt werden, indem karzinome Zellen gezielt bestrahlt werden. Novartis ist auch hier dank dem Zukauf der Firma Endocyte schon dabei. «Investitionen in neue Plattform-Technologien wie Radioligand- und Gentherapie sind sinnvoll, denn Novartis ist bei den herkömmlichen Therapien schon gut vertreten, bei denen jedoch die Patente bald auslaufen und deswegen generell eine Umsatzerosion absehbar ist», schrieb Vontobel-Analyst Stefan Schneider schon im letzten Frühling in seiner Studie zu Novartis.
Small-Interference-RNA-Therapie
Und dann gibt es noch die RNA- oder Antisense-Therapie. Bei ihr wird nicht wie bei der mRNA-Impfung eine Matrize in die Zelle geschleust, deren Abschreibung bewirkt, dass der Körper eigene Abwehrzellen herstellt – sondern sie blockiert beispielsweise ein überaktives Gen. Hier hat Novartis mit Leqvio schon ein Medikament eingekauft, das solch ein Gen (PCSK9) unterdrückt, damit es erst gar nicht das für Menschen schlechte LDL-Cholesterin produziert. Allerdings besitzt der Konzern bei diesem Therapieansatz noch keine Plattform-Technologie, die auch auf andere Krankheiten ausgeweitet werden kann.
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