Sandoz steht auf dem PrüfstandNovartis will sein historisches Erbe abstossen
Der Traditionsname Sandoz diente zuletzt noch als Marke für wenig rentable Nachahmermedikamente. Die will das Schweizer Pharmaunternehmen nun loswerden.
Novartis will sich als reiner Forschungskonzern für neue, hochpreisige Medikamente aufstellen. Das Geschäft mit günstigen Nachahmermedikamenten in der Division Sandoz dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach verkauft werden. Der Konzern verabschiedet sich damit von einer Schweizer Traditionsmarke – und von der grössten Antibiotikaproduktion der Welt.
«Wir erwägen alle Optionen, um einerseits den Wert für unsere Aktionärinnen und Aktionäre zu maximieren und andererseits Sandoz so aufzustellen, damit sie die grösste globale Generikaherstellerin werden kann», sagte Novartis-Chef Vas Narasimhan am Dienstag vor den Medien. Die Aktie reagierte prompt und legte rund ein Prozent zu.
Weltweit 20’000 Jobs
Den Wert von Sandoz schätzt Vontobel-Analyst Stefan Schneider auf zwischen 27 und 37 Milliarden Dollar.
Bei Sandoz arbeiten weltweit rund 20’000 Menschen. In der Schweiz sind davon jedoch nur wenige angesiedelt: Im Vertrieb in Rotkreuz arbeiten rund 140 Personen. Bei der Sandoz AG in Basel arbeiten rund 170 Angestellte für die weltweite Organisation.
Bis Ende nächsten Jahres soll klar sein, was mit Sandoz passiert. Neben einem Verkauf und einem Börsengang schliesst Narasimhan die Möglichkeit zwar explizit nicht aus, Sandoz doch noch zu behalten. Dies dürfte jedoch nur rein theoretisch eine Option sein, denn alle Anzeichen deuten auf die vollständige Herauslösung aus dem Konzern hin.
Auch bei der Augenheilmitteltochter Alcon begann die Abspaltung mit einer «strategischen Überprüfung». Vor zwei Jahren dann hatte Novartis Alcon aus dem Konzern herausgelöst und als eigene Gesellschaft an die Börse gebracht.
Mit einem Verkauf oder der Abtrennung von Sandoz wird Novartis einen Teil seiner Geschichte aufgeben: Der Konzern war vor 25 Jahren aus der Fusion der beiden Basler Pharmafirmen Ciba-Geigy und Sandoz entstanden. Die 1886 gegründete Farbenfabrik Sandoz, die sich schon bald auf die Erforschung und Herstellung neuer Medikamente spezialisierte, war einer der wichtigen Grundsteine für den Aufstieg der Schweiz zur Pharmanation. Im Zuge der Neuordnung hatte Novartis den Markennamen Sandoz weitergeführt, daraus jedoch seine Division für Nachahmermedikamente gemacht.
Noch Anfang des Jahres dementierte Novartis Verkaufsgerüchte
Die Trennung von Sandoz war seit Jahren ein Thema: Narasimhan hatte dies Investoren schon 2018 als Option genannt. Noch letzten Februar betonte er jedoch, Sandoz verbleibe im Konzern, denn die Einheit bringe Gewinn und sei ein Schlüssel für Novartis’ Ziel, erschwingliche Medikamente auch für ärmere Staaten herzustellen.
Dennoch sind Pharmaanalysten über die jetzige Ankündigung einer möglichen Abspaltung von Sandoz wenig erstaunt. Denn das Geschäft mit Generika hat eine deutlich geringere Gewinnmarge als das restliche Pharmageschäft, weil es hier im Gegensatz zu den patentgeschützten neuen Therapien verschiedene Anbieter gibt und der Markt spielt.
Betriebsgewinn bei Sandoz bricht weg
Dies zeigt sich vor allem im wichtigsten Markt USA. Hier dürfen für neue Medikamente exorbitante Preise verlangt werden, aber bei Generika sind die Preise so tief, wie nirgendwo sonst. Aktuell ist der Preisdruck dort so enorm, dass für Novartis der Zeitpunkt gekommen ist, für Sandoz ganz den Stecker zu ziehen. Denn der Betriebsgewinn bei Sandoz fiel im dritten Quartal um 18 Prozent. Fürs Gesamtjahr wird nun sogar ein Rückgang von 50 Prozent und höher erwartet.
Zudem ging die Strategie nie auf, dass die Generikasparte mit dem restlichen Novartis-Geschäft zusammenspielt. Der Konzern schaffte es sogar oft nicht, bei der Einführung von Nachahmerprodukten für Medikamente aus dem eigenen Haus schneller als die Konkurrenz am Markt zu sein. Und auch bei der Herstellung von Biosimilars – also Nachahmertherapien für biologische Medikamente – harzte es. Dieser neue Riesenmarkt, der sich mit dem Ablauf der Patente bei den neuartigen Krebsbehandlungen gerade auftut, sollte Sandoz nach vorn bringen. Doch die Herstellung eines Nachahmermittels von Roches Krebsbestseller Rituxan brach Sandoz ab.
«Auch in diesem relativ innovativen und hochmargigen Biosimilar-Geschäft scheint Novartis im Vergleich mit anderen Generikaherstellern wie Amgen, Pfizer, Samsung-Bioepis oder Celltrion nicht richtig in die Gänge zu kommen», bemängelt Pharmaanalyst Michael Nawrath. Dabei könnten Biosimilars in den nächsten zehn Jahren allein im US-Markt der Branche Umsätze von 225 bis 375 Milliarden Dollar bringen.
«Bei der fast autonomen Einheit Sandoz dürften die Synergieeffekte innerhalb der Novartis-Gruppe weitgehend verschwunden sein.»
Narasimhan weiss, dass er mit Sandoz einen grossen Schweizer Markennamen zum Verkauf stellt, der aller Voraussicht nach von ausländischen Generikaherstellern übernommen werden dürfte. «Es ist wichtig, zwischen dem Namen und der Firma selbst zu unterscheiden», sagt Narasimhan. Er betont, dass das Erbe von Sandoz – nämlich die Forschung nach neuen Medikamenten – bei Novartis verbleibe und es lediglich um einen möglichen Verkauf des Generikageschäfts gehe.
Novartis hatte die Produktion von Sandoz in den letzten Jahren schon aus dem restlichen Konzern herausgelöst. Nur die Herstellung biologischer Nachahmertherapien erfolgt noch gemeinsam. «Bei der fast autonomen Einheit Sandoz dürften die Synergieeffekte innerhalb der Novartis-Gruppe deshalb weitgehend verschwunden sein», sagt Vontobel-Analyst Schneider. Er geht deshalb von einer Abspaltung aus.
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