Ticker zum Frauenstreik in Zürich120'000 Teilnehmende laut Veranstalterinnen, Polizei spricht von 15'000 | Demo wegen Dachstockbrand umgeleitet | 32-Jährige verhaftet, Polizist im Spital
Das feministische Streikkollektiv hat zum Protest aufgerufen: An über 50 Orten wurde demonstriert, bevor um 18 Uhr der offizielle Umzug startete.
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Infostand des ETH-Personals auf der Polyterrasse
Eben haben sie dem ETH-Rat ihre Forderungen überreicht, nun verteilen Mitglieder des Personalverbandes des Bundes (PVB) Äpfel auf der Polyterrasse. Sie hatten den Eindruck, mit ihren Forderungen auf offene Ohren gestossen zu sein.
Der PVB Zürich vertritt mehr als acht verschiedene Institutionen im Raum Zürich. Neben der ETH sind das etwa die Eawag, die Empa, Meteo Schweiz, aber auch das Schweizerische Nationalmuseum. Der Katalog umfasst gegen zwanzig Punkte. Zu den wichtigsten Forderung gehören nach wie vor die Lohn- und Rentengleichheit und mehr Frauen in Kaderpositionen, sagen sie. Kampf gegen Diskriminierung und Förderung von Teilzeitarbeit und Jobsharing – auch in Kaderpositionen.
Nebenan steht ein Drehrad mit Schätzfragen. Es bleibt bei der 2 stehen. Die Schätzfrage lautet: Wie gross ist der Frauenanteil unter den ETH-Professuren? 32 Prozent? Noch lange nicht: 20,3 Prozent. An der Uni sind es knapp 23 Prozent.
Friedlicher Streik in Winterthur
In Winterthur findet das Programm zum feministischen Streik auf dem Kirchplatz statt. Das eigens für diesen Tag formierte Bündnis besteht aus dem feministischen Kollektiv und anderen Vereinigungen, die ab 12 Uhr mit ihren Ständen auf dem Platz präsent sind. Dazu gehören der kurdische Frauenverein, Vertreterinnen der «Ein Lohn zum Leben»-Initiative, das Frauenhaus, die Beratungsstellen Frauennottelefon und OKey, Gewerkschaften wie die Unia sowie die SP und die Grünen.
Es gibt Kulinarisches, Musik, Lesungen sowie zwei Kurzaktionen zur Lohnungleichheit: um 13.33 und 15.24 Uhr. Zudem wurde quer über den Platz eine Wäscheleine gespannt, auf der zwischen Stöckelschuh und Geschirrhandtuch kleine Plakate hängen, die über Frauen aus der Winterthurer Geschichte informieren, die Pionierarbeit geleistet haben.
Das Frauenhaus hat symbolische «red flags» aufgestellt. Im Schatten etwas abseits spielen einige Kinder. Die Stimmung ist friedlich und entspannt. Die bewilligte Demo startet um 18 Uhr auf dem Neumarkt. Die Reden werden in Gebärdensprache übersetzt, und die Demo wird live auf dem Instagram-Kanal des feministischen Kollektivs übertragen. Nach dem Umzug feiern die Demonstrantinnen auf dem Neumarkt. Das Fest dauert voraussichtlich bis 22 Uhr. (dvw)
Feministischer Brunch an der Uni
Es sind Semesterferien. Daher ist es ziemlich ruhig am Deutschen Seminar der Uni Zürich. Auf der Dachterrasse des Seminars aber wird trotzdem heiss diskutiert und fröhlich geplaudert.
Hier oben beginnt der Tag des Frauenstreiks mit einem Brunch. Studierende, Doktorierende und andere Mitarbeitende des Instituts sitzen zusammen, mit Blick in die Stadt und auf den Uni-Turm. Es geht ums Vernetzen, vor allem aber um den Uni-Alltag, in dem, so sagt die Doktorandin Shantala Hummler, das kompetitiv männliche Verhalten immer noch dominant sei. «Das schreckt viele Frauen davon ab, nach einem Studium sich für eine längerfristige Anstellung an Hochschulen zu entscheiden.”»
Die Studentin Gena Astner vermisst an vielen Institutionen, eben auch an der Uni, proaktives Engagement für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von Minderheiten. Gerade wenn man wie sie in der privilegierten Lage seien, studieren zu können, müssten Angehörige von Hochschulen sich für feministische Anliegen einsetzen, sagt Shantala Hummler. Und diese ewigen Diskussionen um das Gendern? Das nervt doch viele! «Diese Diskussionen sind essentiell», sagen beide überzeugt. Im Studium, im Beruf, im privaten Kreis – und eben auch in der Politik.
Streikpause von tanzenden Betreuerinnen in der Bäckeranlage
Zwei Gruppen von jeweils etwa 25 Frauen haben sich um 10 Uhr in der Bäckeranlage eingefunden. Eine Gruppe ist mit dem Velo gekommen, die andere zu Fuss. Alle tragen die Kampffarbe Lila. Bald macht sich die Velogruppe, die unter dem Motto «Trotzphase» demonstriert, auf einen Rundgang durch die Betreuungsinstitutionen.
Die andere Gruppe bestehend aus Lehrerinnen und Betreuungspersonen konnte sich eine Stunde «Streikpause» einrichten. Sie haben es sich unter einem schattigen Baum gemütlich gemacht und trinken Kaffee, malen Streikschilder und verkaufen T-Shirts, Kappen und Schlüsselanhänger mit Streik-Parolen. «Teilzeit nicht gleich Freizeit», «NBA = Nicht bezahlte Arbeit» oder «Wenn Frau will, steht Schule still» steht auf den Plakaten. Die Stimmung ist entspannt, die Frauen tanzen und freuen sich auf den bevorstehenden Tag. Obwohl sie um 10.30 Uhr wieder in die Betreuungsinstitutionen zurückkehren, haben sie angekündigt, ab 14 Uhr wieder auf der Bäckeranlage zu streiken.
Am Nachmittag trifft sich auch die Gewerkschaft VPOD zu einem gemeinsamen Picknick auf der «Bäcki». VPOD-Männer betreiben eine Bar, es sind ein offenes Mikrofon sowie Reden zum Streiktag angekündigt. Anschliessend machen sich die Frauen gemeinsam auf zur Demo am Bürkliplatz.
Bricht Stadtparlament Sitzung ab?
Am heutigen Mittwoch findet nicht nur der feministische Streiktag statt, sondern auch eine Sitzung des Zürcher Gemeinderats. Diese könnte allerdings nach wenigen Minuten abgebrochen werden. SP, Grüne und AL wollen gleich zu Beginn der Sitzung um 17 Uhr einen Ordnungsantrag stellen zum Abbruch, wie die NZZ berichtet.
«Politische Arbeit ist auch eine Arbeit, und deshalb wollen wir sie niederlegen», sagt SP-Parlamentarierin Judith Boppart. Es gehe auch um Solidarität mit den Demonstrierenden. FDP-Gemeinderätin Yasmine Bourgeois empfindet das Vorhaben als Affront gegenüber den Steuerzahlenden, weil das Sitzungsgeld von 130 Franken auch dann ausbezahlt wird, wenn die Sitzung abgebrochen wird. Die SP will wiederum auf das Geld verzichten oder es der Glückskette zukommen lassen.
Der Antrag auf Abbruch hat gute Chancen, haben SP, Grüne und AL doch die knappe Mehrheit im Rat. Gegen das Vorhaben werden FDP und SVP und voraussichtlich auch die Mitte/EVP-Fraktion votieren. Die GLP hat noch nicht entschieden.
Nur eine linke Veranstaltung?
Dieser Streik wurde gekapert, schreibt Raphaela Birrer in einem Leitartikel dieser Zeitung. Am heutigen Frauenstreiktag dominierten linke Parolen. Das sei bedauerlich. Denn vor vier Jahren zeigte sich, welche Kraft eine politisch breite Bewegung entfalten kann.
Ist Streiken für Gleichstellung überhaupt erlaubt?
Die Gewerkschaften berufen sich auf das Streikrecht, wie es in der Bundesverfassung festgeschrieben ist. Allerdings sind laut Bundesverfassung Streiks nur dann zulässig, wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen.
Unzulässig sind sie für allgemeine gesellschaftliche Forderungen. Der Arbeitgeberverband stellt sich daher auf den Standpunkt, dass es sich beim feministischen Streik um keinen eigentlichen Streik handelt. Um am Frauenstreik teilzunehmen, müssen Arbeitnehmerinnen und -nehmer deshalb einen Ferientag opfern.
Was ist in Zürich geplant?
In Zürich beginnt um 17:30 Uhr der Demonstrationszug am Bürkliplatz, doch schon tagsüber finden zahlreiche Aktionen statt. Die Redaktion wird über den Tag laufend berichten.
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Drei Streikpausen
An diesem Streiktag sind drei Streikpausen vorgesehen – auf die Minute genau getimt.
10.46 Uhr: Da geht um die Vorsorge. Während Männer bereits ab 8 Uhr für ihre Rente arbeiteten, schufteten Frauen in den ersten 2 Stunden und 46 Minuten ihres Arbeitstages, ohne dass dies zu ihrer Rente beitrage, schreibt das Streikkollektiv.
13.33 Uhr: Ab jetzt hätten Frauen kein Einkommen mehr, so das Kollektiv. Die Gründe: Lohnungleichheit, Gratis-Sorgearbeit und Teilzeitarbeit.
15.24 Uhr: Das soll der Lärmmoment werden: Ab jetzt arbeiteten Frauen wegen der Lohnungleichheit gratis, schreibt das Streikkollektiv.
Mauch und Fehr bekunden Solidarität
Bereits einen Tag vor dem feministischen Streik haben die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) und Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) ihre Solidarität mit den Streikenden ausgedrückt und denen gedankt, die sich für die Gleichstellung einsetzen.
Der 14. Juni sei ein Tag zum Feiern, aber auch ein Tag zum Kämpfen, sagte Fehr an einem Mediengespräch zusammen mit der kantonalen sowie der städtischen Fachstelle für Gleichstellung. Die Fortschritte, die in den letzten Jahren erzielt wurden, seien unbequemen, lauten und hartnäckigen Frauen zu verdanken. «Mit brav sein gewinnt man in der Politik keinen Blumentopf», sagte Fehr. Und: «Alle Frauen, ob bürgerliche oder linke, stehen auf den Schultern von Feministinnen», sagte Fehr.
Die beiden Politikerinnen, die neue Leiterin der kantonalen Gleichstellungs-Fachstelle Susanne Nef und Projektleiterin Martha Weingartner bei der städtischen Fachstelle sprachen nicht nur über den feministischen Streik, sondern auch über das Thema geschlechterspezifische Gewalt.
Das bedeutet, sexuelle Gewalt und Belästigung, Stalking oder Hassverbrechen; davon betroffen sind vor allem Frauen. Gleichstellung in allen Lebensbereichen müsse das Ziel sein, diese sei noch nicht erreicht, sagte Mauch. Und diese gebe es nur ohne Gewalt. Oder wie Jacqueline Fehr sagte: «Gewalt verhindern bedeutet Gleichstellung fördern.» Denn geschlechterspezifische Gewalt sei ein Ausdruck von Machtverhältnissen.
So geht es der Frauenbewegung in Zürich
Die Gewerkschaften mobilisieren für den landesweiten Streik am 14. Juni. Bereits im Vorfeld ist ein Richtungsstreit in der Bewegung entbrannt.
Die Frauenbewegung in Zürich hat seit vier Jahren zudem ein eigenes Streikhaus. Für viele ist es eine «feministische Oase» und ein «feministischer Freiraum» geworden.
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