Antworten zum feministischen StreiktagIst Streiken für Gleichstellung überhaupt erlaubt?
Die Gewerkschaften mobilisieren für den landesweiten Streik am 14. Juni. Sie berufen sich dafür auf das Streikrecht in der Bundesverfassung. Wie weit dieses geht, ist aber umstritten.
Die Schweiz wird violett. Das ist das Ziel des Komitees, das den feministischen Streiktag vom Mittwoch organisiert: Die Farbe der Gleichberechtigung soll an diesem Tag von Genf bis Rorschach und von Schaffhausen bis Chiasso die Strassen so dominieren wie letztmals vor vier Jahren.
Die Antworten auf die sechs wichtigsten Fragen zum Aktionstag.
Wer steht hinter dem feministischen Streik?
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat die Initiative für den Streik ergriffen. Neben den Gewerkschaften gehören auch verschiedene regionale Streikkollektive zum Organisationskomitee. Zudem unterstützen Grüne, Junge Grüne, SP und Juso den Streik.
Warum heisst der Frauenstreik neu «feministischer Streik»?
Mit der neuen Bezeichnung soll klar werden, dass nicht nur Frauen zum Streiken aufgerufen sind – sondern auch alle anderen, die hinter den feministischen Forderungen stehen: Männer, nicht binäre und trans Personen. Allerdings lehnen bürgerliche Frauenorganisationen die Neuausrichtung ab.
Was passiert eigentlich am feministischen Streiktag?
Julia Maisenbacher, Zentralsekretärin für Gleichstellung beim Gewerkschaftsbund, spricht von einer «breiten Palette der kollektiven Mobilisierung». Dazu würden neben klassischen Arbeitsniederlegungen auch Versammlungen am Arbeitsplatz, symbolische Aktionen und verlängerte Pausen gehören.
Streikkomitees in den Kantonen und Gemeinden organisieren zahlreiche Veranstaltungen während und nach den üblichen Arbeitszeiten. Auf der Website 14Juni.ch sind die geplanten Aktionen aufgeführt.
Ist Streiken für Gleichberechtigung überhaupt erlaubt?
Die Gewerkschaften berufen sich auf das Streikrecht, wie es in der Bundesverfassung festgeschrieben ist. «Der feministische Streik ist legitim», sagt Julia Maisenbacher. «Die Schweiz hat seit 1996 ein Gleichstellungsgesetz – trotzdem halten sich Ungleichbehandlungen.»
Allerdings sind laut Bundesverfassung Streiks nur dann zulässig, wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen. Unzulässig sind sie für allgemeine gesellschaftliche Forderungen. Der Arbeitgeberverband stellt sich daher auf den Standpunkt, dass es sich beim feministischen Streik um keinen eigentlichen Streik handelt.
Um am Frauenstreik teilzunehmen, müssen Arbeitnehmerinnen und -nehmer einen Ferientag opfern.
Daniella Lützelschwab ist Leiterin Ressort Arbeitsmarkt beim Arbeitgeberverband. Sie sagt: «Mit seinen vielen verschiedenen Forderungen, die nicht mit einem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, stellt der Frauenstreik eine politische Demonstration dar.»
Für Lützelschwab ist deshalb klar: «Erscheinen Mitarbeitende für die Teilnahme am Frauenstreik ohne Abmeldung und entgegen den Weisungen nicht am Arbeitsplatz, verletzen sie die Arbeitspflichten.»
Um am Frauenstreik teilzunehmen, müssen Arbeitnehmerinnen und -nehmer deshalb einen Ferientag opfern. Arbeitgeber dürfen ihrerseits den Ferienbezug an diesem Tag nur aus wichtigen betrieblichen Gründen verbieten.
Dürfen auch Spitalangestellte für den feministischen Streiktag freinehmen?
Grundsätzlich ist das nicht verboten. Das Bundesgericht hat in einem Urteil festgehalten, dass keiner Berufsgruppe das Streiken generell verboten werden darf. Allerdings müssen Streikwillige darauf Rücksicht nehmen, dass «unverzichtbare Gesundheitsleistungen für die Bevölkerung im Falle eines Streiks sichergestellt sind».
Julia Maisenbacher vom Gewerkschaftsbund sagt: «Bei einem Streik dürfen natürlich schutzbedürftige Personen nicht zu Schaden kommen.» Deshalb müssten solche Aktionen sorgfältig organisiert werden. «Aber sie sind letztlich auch im Sinne der Patientinnen und Patienten, denn bessere Arbeitsbedingungen erlauben auch bessere Pflege.»
Der VPOD, also die Gewerkschaft des Personals der öffentlichen Dienste, schreibt in einem Merkblatt zum Frauenstreiktag, dass auch die Einsatzbereitschaft von Rettungsdiensten, Feuerwehr oder Polizei sichergestellt bleiben soll.
Dürfen Arbeitgeber ihre Angestellten wegen einer Teilnahme am feministischen Streik bestrafen?
Daniella Lützelschwab vom Arbeitgeberverband sagt, unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeitsstelle könne Konsequenzen nach sich ziehen. «Deshalb empfehlen wir, dass Mitarbeitende mit ihren Vorgesetzten im Voraus das Gespräch suchen, wenn sie am Frauenstreik teilnehmen wollen.» So könnten die Beteiligten klären, ob und wie lange man der Arbeit fernbleiben könne – und auch, ob am Arbeitsplatz eine Kollegin oder ein Kollege einspringen könne.
Aude Spang, Gleichstellungssekretärin der Gewerkschaft Unia, erinnert daran, dass vor vier Jahren Arbeitgeber versucht hatten, Arbeiterinnen im Vorfeld des Streiks einzuschüchtern. «Letztendlich gab es aber kaum Sanktionen, oder sie wurden zurückgenommen. Je grösser die soziale Mobilisierung wird, desto besser sind die Streikenden geschützt.»
Julia Maisenbacher vom Gewerkschaftsbund rät, dass niemand auf eigene Faust streikt: «Am besten sollten Menschen, die ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollen, sich mithilfe einer Gewerkschaft zusammenschliessen.» Die Gewerkschaften bieten Unterstützung an, falls Arbeitgeber Sanktionen androhen.
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