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Meinung

Analyse zur Konzernverantwortungsinitiative
Das taktische Ja im Nationalrat

Setzte sich für einen Gegenvorschlag ein: Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
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Am Schluss eilte es. Und dies, nachdem National- und Ständerat fast drei Jahre darüber diskutiert hatten, wie ein Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative aussehen könnte. Die zweite Sessionswoche war am Montag bereits eingeläutet, als sich die SVP-Bundeshausfraktion noch zur entscheidenden Fraktionssitzung versammelte. Die laufende Fragestunde erlaubte die Abwesenheit der Mehrheit der SVP-Nationalratsmitglieder. Hinter verschlossener Tür diskutierten sie nochmals kurz und dem Vernehmen nach auch heftig, wie der Konzernverantwortungsinitiative von über 100 Menschenrechtsorganisationen, der politischen Linken und einiger Bürgerlicher beizukommen sei.

Das Resultat der fraktionsinternen Abstimmung, das 29 zu 14 lautete (bei 3 Enthaltungen, darunter jener von Magdalena Martullo), war schliesslich auch ausschlaggebend für den ziemlich knappen Entscheid im Plenum. 99 Ratsmitglieder stimmten dort für den Antrag der Einigungskonferenz und damit für den indirekten Gegenvorschlag des Ständerats. 91 (hauptsächlich linke) wollten die Volksinitiative dem Stimmvolk nackt vorlegen, sozusagen auf tutti gehen, was den Verzicht auf einen Gegenvorschlag bedingt hätte.

«Dieser Gegenvorschlag ist wirkungslos.»

Sibel Arslan, Grüne

Nun wähnt die am Montag obsiegende knappe Nationalratsmehrheit die Vorteile im Abstimmungskampf auf ihrer Seite. Die Initiative sei mit Gegenvorschlag besser zu bekämpfen. Die Zürcher Nationalrätin Barbara Steinemann hatte sich in der SVP-Fraktion an der Seite von Parteipräsident Albert Rösti und Fraktionschef Thomas Aeschi für den Gegenvorschlag starkgemacht. Sie sagt: «Hinter der Tatsache, dass eine Mehrheit der SVP-Fraktion den Gegenvorschlag unterstützt, steht die Überlegung, dass die Annahme der Initiative verhindert werden soll.» Steinemann und Fraktionschef Aeschi sagten auf Anfrage, es handle sich um «ein taktisches Ja». Man habe Linken und Initianten mit einem Verzicht auf einen Gegenvorschlag nicht in die Hände spielen wollen.

Trotzdem lehnten 13 Mitglieder der SVP-Fraktion im Nationalrat den Gegenvorschlag ab. Die Wortführer dieser SVP-Minderheit sind die Zürcher Alfred Heer, Hans-Ueli Vogt, Mauro Tuena und der Schwyzer Pirmin Schwander. Das Verhalten der SVP ist deshalb bemerkenswert, weil sie sich bis gestern einem Gegenentwurf widersetzt hatte. Jetzt ist sie auf die Haltung von FDP- und Mittefraktion eingeschwenkt; sie findet sich nun – nicht minder bemerkenswert – auch auf derselben Linie mit dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, den die Partei bei anderen Gelegenheiten oft und hart kritisiert.

Pflicht zur Berichterstattung

Die politische Ausgangslage bei der Konzernverantwortungsinitiative ist damit klar. Die Grüne Sibel Arslan (BS) spricht von einem Alibi-Gegenvorschlag. «Dieser Gegenvorschlag ist wirkungslos», sagt sie, «er soll nur dazu dienen, der Stimmbevölkerung vorzugaukeln, die Politik gehe gegen Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne vor.» Ähnlich sagt es Baptiste Hurni, der Neuenburger SP-Nationalrat. Für ihn ist der Gegenvorschlag «eine Fata Morgana, eine Nebelwand».

Die im Oktober 2016 eingereichte Konzernverantwortungsinitiative fordert, dass globale Konzerne mit Sitz in der Schweiz einem Regelwerk unterstellt werden, damit Menschenrechte und Umweltschutznormen bei ihren weltweiten Tätigkeiten durchgesetzt werden. Kern der Initiative ist die Sorgfaltsprüfungspflicht, die bei einer Annahme durch Volk und Stände neu eingeführt wird. Vernachlässigt ein Schweizer Konzern diese Pflicht, soll er für Schäden haften müssen, die Tochter- und auch Zulieferfirmen im Ausland verursachen.

Der gestern im Nationalrat angenommene indirekte Gegenvorschlag entspricht für die Mehrheit demgegenüber einer international abgestimmten Lösung, wie sie in anderen Ländern bereits gelte und sich in der EU abzeichne. Der Gegenvorschlag knüpfe zudem an bestehende Haftungsnormen in der Schweiz an und sei für die Wirtschaft erträglich. Er enthält keine neuen Haftungsregeln, aber Berichterstattungspflichten für Unternehmen, wenn es um Konfliktmineralien oder um Kinderarbeit geht.