Credit Suisse und SpacsDas nächste Risiko für Thomas Gottstein
Blankocheck-Gesellschaften oder Spacs sind ein Renner – und die CS ist vorn dabei. Jetzt schauen die Regulierungsbehörden genauer hin.
Ex-UBS-Chef Sergio Ermotti, Ex-Credit-Suisse Chef Tidjane Thiam, eine Reihe weiterer Grössen aus der internationalen Wirtschaft, aber auch Berühmtheiten aus dem Sport wie Tennis-Star Serena Williams mischen mit. Die Rede ist von «Special Purpose Acquisition Companies», kurz Spacs. Das Geschäft ist in den letzten Monaten gemessen an den involvierten Summen förmlich explodiert.
In aller Kürze handelt es sich bei einer Spac um eine «Hüllenfirma», das heisst, ihr Geschäftsmodell besteht einzig darin, über einen Gang an die Börse Geld zu sammeln, um damit später ein Unternehmen zu suchen und aufzukaufen. Anlegerinnen und Anleger, die Aktien von Spacs kaufen, bleibt nichts anderes übrig, als auf das Urteilsvermögen, die Fähigkeiten und die Fairness der sogenannten Sponsoren zu vertrauen, wie die Gründer von Spacs genannt werden.
Spacs sind aber auch ein gutes Geschäft für Banken, die mit Beratung und Krediten mitmischen. Auf dem ersten Platz steht die Credit Suisse. Laut Bloomberg lag ihr Anteil am Spac-Geschäft im letzten Quartal 2020 bei 16,7 Prozent, die nächstfolgende Citigroup brachte es bloss auf 9,5 Prozent.
Gewinntreiber für die Credit Suisse
Nach allen verlustreichen Skandalen der letzten Monate sind Spacs auch für die Zukunft die grosse Hoffnung der Schweizer Grossbank. Laut von Bloomberg befragten Analysten steuert dieses Geschäft allein 10 Prozent zum gesamten Gewinn der Credit Suisse bei. Bankchef Thomas Gottstein ist überzeugt, dass das so weitergeht: «Kurzfristig sehen wir keine Abschwächung», erklärte er zum Spac-Geschäft an einer Analystenkonferenz, «wir sehen weiterhin eine grosse Nachfrage nach Spacs in den USA, aber auch zunehmend in Asien.»
Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass hier eine nächste Katastrophe lauert. Spacs gibt es zwar schon seit Jahrzehnten. Die jüngste Zunahme ist aber extrem, und Beobachter erklären sie sich hauptsächlich mit dem steilen Aufwärtstrend an den Börsen seit dem Tiefpunkt im Frühjahr 2020.
«Welche Risiken werden bei der Credit Suisse verbleiben?»
Endet diese Entwicklung – etwa weil die Notenbanken angesichts von Inflationsängsten die Zinsen erhöhen, dann dürfte der einmalige Geldsegen für die Spac-Gründer enden, und die eingegangenen Risiken werden deutlich. «Welche Risiken werden dann bei der Credit Suisse verbleiben?», fragt sich nicht nur die Agentur Bloomberg.
Die Bank selbst weist in ihren Büchern nichts Konkretes zum Geschäft und zu den eingegangenen Risiken aus. Mögliche Risiken liegen in möglichen Klagen, Abschreibern auf Krediten oder einem Wertverlust von Spac-Anlagen auf den eigenen Büchern.
Dem Geschäft droht aber nicht nur bei fallenden Aktienkursen Gefahr, sondern auch von den Aufsichtsbehörden. Ein Vorstoss der US-Börsenaufsicht SEC im April bremste den Aufwärtstrend erstmals aus.
Bis jetzt laufen die meisten Spacs über die US-Börse. Während noch im März 109 Spacs dort kotiert wurden, waren es im April nur noch 10. Eine genauere Prüfung des Geschäfts hat auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht Esma angekündigt, denn der Spac-Boom beginnt bereits nach Europa überzuschwappen.
Die Finma griff ein
Dass es an der Schweizer Börse trotz Interessenten bisher keine einzige Spac gibt, hat ebenfalls mit der Aufsicht zu tun. Als die Börsenbetreiberin SIX-Group Gregor Greber, dem Gründer der Investmentgesellschaft Veraison, über eine Ausnahmeregelung im Börsenreglement einen Spac-Börsengang unter dem Namen «Veraison Technology 5» ermöglichen wollte, schritt die Aufsichtsbehörde Finma ein.
Eine Ausnahmeregelung ist für sie nicht zulässig. Die Finma hat deshalb von der Börse verlangt, ihr Reglement so anzupassen, damit die Risiken von Spacs angemessen berücksichtigt werden. Das Reglement muss am Ende von der Finma abgesegnet werden. Wann dieser Prozess abgeschlossen ist, kann aktuell niemand sagen.
Die Finma, wie auch andere Aufsichtsbehörden, sorgt sich nicht nur um mögliche Risiken für die Finanzstabilität. Im Vordergrund steht vor allem eine drohende Benachteiligung von Anlegern, auch angesichts einer mangelhaften Transparenz. 46 Prozent der Spac-Anlegerinnen und -Anleger auf einer Handelsplattform waren gemäss dem «Economist» im Januar Kleinanleger, noch im Vormonat waren es lediglich 30 Prozent.
Eine Goldgrube für «Sponsoren»
Das grosse Geschäft machen bei steigenden Aktienkursen die Gründer einer Spac, die sogenannten Sponsoren. Gleich zu Beginn sichern sie sich in der Regel einen Anteil von meist 20 Prozent am Vehikel. Sie und weitere Grossinvestoren wie Hedgefonds, die den Börsengang einer Spac finanzieren, erhalten neben Aktien zusätzlich sogenannte Warrants, die zum Kauf weiterer Aktien der Spac berechtigen.
Noch mehr Sonderrechte sichern sich Gründer und Grossinvestorinnen, wenn sie beim Kauf einer einmal auserwählten Firma weiteres Kapital einschiessen, weil die Mittel der Spac in der Regel nicht reichen. Wenn die Sponsoren allerdings innerhalb von zwei Jahren kein Unternehmen kaufen oder die Mehrheit der Spac-Aktionäre einen vorgeschlagenen Kauf ablehnt, löst sich die Spac auf, und die Investoren werden entsprechend ihren Anteilen ausbezahlt.
«Die Vergütungsstruktur sorgt für Fehlanreize»
«Die Vergütungsstruktur sorgt für Fehlanreize», erklärte Bill Ackman, Hedgefonds-Manager und selbst Sponsor einer Spac, der britischen «Financial Times». Die Vorteile für die Gründer führe zu einer «massiven Verwässerung» der Aktienwerte zulasten der gewöhnlichen Aktionäre.
Was «Sponsoren» verdienen können, hat die «Financial Times» an einem Beispiel aufgezeigt: Michael Klein, ein Ex-Banker der Citigroup, ist es mit einer Investition von 25’000 Dollar in seine Spac gelungen, ein Gewinn von 60 Millionen Dollar zu erzielen. Solche Aussichten dürften ein wesentlicher Grund für den Spac-Boom seit dem letzten Jahr sein.
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