8 Fragen zur VorlageDas müssen Sie über die Ehe für alle wissen
Am 26. September stimmen wir darüber ab. Welche Vorteile hat die Ehe gegenüber der registrierten Partnerschaft, und warum wird sie von konservativen Kreisen bekämpft?
Worum geht es bei der Vorlage?
Seit 2007 können gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz eine eingetragene Partnerschaft eingehen. Rund 700 Paare lassen ihre Beziehung jährlich registrieren. Die eingetragene Partnerschaft ist der Ehe zwar ähnlich, aber weder symbolisch noch rechtlich gleichgestellt. Künftig sollen gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe schliessen können. Eingetragene Partnerschaften können in eine Ehe umgewandelt oder weitergeführt, jedoch nicht mehr neu eingegangen werden.
Wodurch unterscheidet sich die Ehe von der eingetragenen Partnerschaft?
Mit der Ehe wird Frauenpaaren der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz erlaubt. Schliessen gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe, so steht ausländischen Partnerinnen oder Partnern künftig die erleichterte Einbürgerung offen. Mit der Ehe ist es gleichgeschlechtlichen Paaren zudem möglich, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Bei der registrierten Partnerschaft ist hingegen nur die Stiefkindadoption möglich; die Partnerin oder der Partner kann das eigene Kind der Partnerin oder des Partners anerkennen.
Wieso kommt es zur Volksabstimmung?
Gegen die Vorlage wurde von einem überparteilichen Komitee aus EDU-, SVP-Mitgliedern und Parteilosen das Referendum ergriffen, das mit 61’000 Unterschriften zustande kam. Dem Referendumskomitee gehören 23 aktive oder ehemalige Mitglieder des eidgenössischen Parlaments an, mehrheitlich aus der SVP. Das Kopräsidium bilden SVP-Nationalrätin Verena Herzog, Marco Romano (Mitte) und EDU-Präsident Daniel Frischknecht. Den Anstoss zur Ehe für alle gab 2013 eine parlamentarische Initiative der Grünliberalen.
Wer ist dafür, wer dagegen?
Bundesrat und Parlament sind für die Ehe für alle. Grüne, SP, GLP und FDP unterstützen die Vorlage. Dagegen sind EDU und EVP. Die SVP dürfte im August die Nein-Parole fassen, im Parlament stimmte sie mehrheitlich gegen die Vorlage. Gespalten war im Parlament die Mitte-Fraktion, dem Zusammenschluss von CVP, BDP und EVP. Im Parlament stimmte die 44-köpfige Fraktion knapp Nein, wobei die drei BDP-Mitglieder zustimmten, die beiden EVP-Nationalrätinnen dagegen mit Nein. Die Mitte-Partei der Schweiz fasst im September die Parole. Die Präsidenten der Mitte-Kantonalparteien haben bereits die Ja-Parole gefasst.
Was sagen die Befürworter, was die Gegner?
Den Befürwortern geht es um die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare mit heterosexuellen Paaren. Denn die registrierte Partnerschaft biete den Paaren in wichtigen Bereichen, beispielsweise bei der Einbürgerung, bei der gemeinsamen Adoption, beim Schutz der Familie oder bei der Witwenrente, weniger Rechte als die Ehe. Die Öffnung der Ehe für alle Paare beseitige diese Ungleichbehandlung gegenüber heterosexuellen Paaren. Die Zulassung der Adoption und der Samenspende berücksichtige die gesellschaftliche Realität. In der Schweiz wüchsen bereits heute Kinder mit zwei Müttern oder zwei Vätern auf. Welche Zuwendung und Fürsorge Eltern ihren Kindern zukommen liessen, sei keine Frage der Familienform und des Geschlechts der Eltern.
Die Gegner halten die Ehe für ein Privileg zwischen Mann und Frau, das auf biologischen Fakten gründe. Bundesgericht und Bundesrat hätten das Recht auf Ehe stets als eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Frau und Mann interpretiert. Die Ehe für alle mit einer blossen Gesetzesänderung einzuführen, sei deshalb klar verfassungswidrig. Ein Teil der Gegner lehnt die Ehe für alle an sich nicht ab, jedoch die Samenspende für Frauenpaare. Sie verweisen auf die Bundesverfassung, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung auch bei heterosexuellen Paaren nur bei Unfruchtbarkeit oder der Gefahr einer schweren Krankheit erlaube.
Wie ist der Zugang zur Samenspende geregelt?
Verheiratete Frauenpaare erhalten neu Zugang zu einer professionellen Samenbank in der Schweiz, bisher mussten die Frauen dafür ins Ausland fahren. Bei einer Samenspende in einer Klinik in der Schweiz werden beide Elternteile von Geburt an als Eltern des Kindes anerkannt. Dabei ist vorgeschrieben, dass der Spender in das Samenspenderregister eingetragen wird. Anonyme Samenspenden bleiben weiterhin verboten.
Wo steht die Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern?
In Europa ist die Ehe für alle bereits in 16 Ländern eingeführt worden, vorwiegend in Westeuropa. Voran gingen 2001 die Niederlande. Es folgten Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden und andere. Von den Nachbarländern führten Frankreich (2013), Deutschland (2017) und Österreich (2019) die gleichgeschlechtliche Ehe ein, Deutschland und Frankreich erlauben jedoch die Samenspende für Frauenpaare nicht. In insgesamt 13 westeuropäischen Ländern ist die Samenspende für Frauenpaare erlaubt. Italien und Liechtenstein anerkennen wie bis jetzt die Schweiz nur die registrierte Partnerschaft.
Kommen als Nächstes die Eizellenspende und die Leihmutterschaft?
Beides ist in der Schweiz verboten, sowohl für gleichgeschlechtliche als auch für heterosexuelle Paare. Zwar warnen die Gegner der Ehe für alle, dass nach deren Annahme entsprechende Forderungen kämen, denn mit dem Verbot der Leihmutterschaft sind Männerpaare von der Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz ausgeschlossen. Das Verbot der Leihmutterschaft ist in der Verfassung festgeschrieben. Für eine allfällige Zulassung wäre in einer Volksabstimmung das Ständemehr nötig, und die Hürde für eine Legalisierung ist entsprechend hoch. Das Verbot der Eizellenspende ist im Fortpflanzungsmedizingesetz festgeschrieben. Zurzeit ist im Parlament eine Initiative der grünliberalen Basler Nationalrätin Katja Christ hängig, die eine Legalisierung verlangt. Sie verweist darauf, dass wegen des Verbots der Eizellenspende jedes Jahr mehrere Hundert Frauen ins Ausland fahren, um eine Eizellspende zu empfangen.
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