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Meinung

Gastkommentar zur Impfkampagne
Das Gleichheitsgebot gilt auch beim Impfen

«Eine Herz für uns alle» – wirklich? Impfkampagne des Bundesamts für Gesundheit.
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Dass die Impfstoffe weltweit gerecht verteilt werden, bleibt ein frommer Wunsch. Es fehlen verbindliche Regeln und eine für die Zuteilung zuständige Instanz. Ob sich ein Mensch impfen lassen kann, hängt primär davon ab, ob er in einem wohlhabenden Land lebt.

Anders präsentiert sich die Lage innerhalb einzelner Staaten: Über die Zuteilung von Impfdosen entscheiden hier Behörden. Diese aber dürfen das knappe Gut nicht nach freiem Ermessen verteilen. Vielmehr sind sie an rechtliche Regeln gebunden, die bestimmten Gerechtigkeitsvorstellungen folgen. In der Schweiz ist das Gleichheitsgebot zentral, wie es in der Bundesverfassung verankert ist. Dieses erschöpft sich nicht in formaler Gleichbehandlung, sondern erfordert Rücksichtnahme auf bestehende Unterschiede zwischen Menschen.

So verlangt das Differenzierungsgebot, dass der Staat Personen, die sich im Hinblick auf die fragliche Massnahme in einer nicht vergleichbaren Situation befinden, ungleich behandelt. Die Corona-Impfung dient dem Schutz der Gesundheit, insbesondere dem Schutz vor schweren Krankheitsverläufen. Somit muss der Grad der Gefährdung für die Zuteilung von Impfdosen entscheidend sein.

Dieser korreliert direkt mit steigendem Alter. Deshalb sieht die Impfstrategie des Bundes vor, dass nach der erfolgten Impfung der über 65-Jährigen, der Personen mit Vorerkrankungen und des Gesundheitspersonals alle weiteren Erwachsenen «in altersabsteigenden Gruppen geimpft werden (z. B. 64–55, 54–45, 44–35 Jahre)».

Viele Menschen zwischen 60 und 64 werden die Schutzimpfung erst mehrere Wochen nach vielen 20- bis 29-Jährigen erhalten.

Viele Kantone rücken nun von diesem Grundsatz ab. So hat Bern auf einen Schlag Impftermine für alle unter 65-Jährigen freigeschaltet, Zürich für alle unter 55-Jährigen. Genügend Vakzine für die rasche Impfung aller Impfwilligen sind aber nicht vorhanden. Priorisiert wird nach dem Prinzip «first come, first served».

Konsequenz: Viele Menschen zwischen 60 und 64 werden die – unter Umständen lebensrettende – Schutzimpfung erst mehrere Wochen nach vielen 20- bis 29-Jährigen erhalten. Und das, obwohl sie gemäss BAG ein etwa 16-mal höheres Risiko aufweisen, an einer Covid-19 Infektion schwer zu erkranken.

Eine Alterspriorisierung lässt sich organisatorisch problemlos bewältigen. Die Kantone Genf und Tessin, die sich an die eidgenössische Impfstrategie halten, machen es vor. Andere sachliche Gründe für das Unterlassen einer Differenzierung nach dem Alter sind nicht ersichtlich. Keine Rechtfertigung bildet auf jeden Fall das Bedürfnis, angesichts des interkantonalen Impfwettbewerbs bei einem möglichst grossen Teil der Bevölkerung gut dazustehen.

Eine zusätzliche Unterscheidung, die sich aufdrängt, ist jene nach der beruflichen Tätigkeit. Angehörige besonders exponierter Berufsgruppen wie Lehrpersonen oder Kita-Beschäftigte sollten früher Zugang zur Impfung haben als jene, die sich im Homeoffice abschotten können.

Aus dem Gleichheitsgebot folgt zudem, dass die Behörden die Anmeldung zur Impfung so gestalten müssen, dass alle die gleiche Chance haben, einen Termin zu ergattern.

Die Benachteiligung von Personen aufgrund ihrer sozialen Stellung verletzt das Diskriminierungsverbot.

Offensichtlich nicht der Fall war dies im Kanton Zürich, wo die Gesundheitsdirektion die Impftermine ohne Vorankündigung an einem Freitagvormittag freischaltete. Damit verwehrte sie von Anfang an all jenen die Aussicht auf eine rasche Impfung, die zu dieser Zeit eine Wohnung reinigten, Pakete auslieferten oder an einer Kasse sassen – also ausgerechnet Menschen, die beruflich besonders exponiert und aufgrund ihrer sozialen Stellung häufig speziell gefährdet sind. Die Benachteiligung von Personen aufgrund ihrer sozialen Stellung verletzt das Diskriminierungsverbot.

Bereits in der ersten Phase der Pandemie schenkten die Behörden den ungleichen sozialen Auswirkungen von Massnahmen wie Schulschliessungen zu wenig Beachtung. Es ist nicht mit unserer Rechtsordnung zu vereinbaren, dass im Wettrennen gegen das Virus die Verletzlicheren zurückgelassen werden.

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