Prickelnde ForschungDarum steigen die Blasen im Prosecco auf direktem Weg nach oben
Forschende studieren das unterschiedliche Verhalten von Kohlensäureblasen in Schaumweinen, Bier und Mineralwasser – für Anwendungen in Medizin und Industrie.
Manchmal haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Toast auf ihre Forschung unbedingt verdient. Die Rede ist von Physikern der Brown University in den USA, die in diesem besonderen Fall kaum auf eine Kooperation mit Spezialisten aus Frankreich verzichten konnten. Zusammen mit Kollegen der Universität Toulouse gelang es den Experten für Strömungsforschung denn auch, den typischen Weg der Blasen in einem Champagnerkelch nachzuzeichnen und zu ergründen, warum diese nicht im Glas hin und her dümpeln, sondern zumeist den direkten Weg an die Oberfläche nehmen.
Man könnte geradezu von einem «Signature Move» der Blasen in Champagner, Prosecco und anderen Schaumweinen reden. Aufgereiht wie an einer Perlenschnur steigen sie linear nach oben, während sich die Blasen in Bier, Limonade oder anderen kohlensäurehaltigen Getränken in alle möglichen Richtungen bewegen, bevor sie aus dem Getränk entweichen. Von einer «stabilen Blasen-Kette» sprechen die Physiker, die ihre Ergebnisse im Fachblatt «Physical Review Fluids» veröffentlicht haben. Sie versichern zudem, dass sie die Testflüssigkeiten nicht alle getrunken, sondern zumeist verworfen hätten.
«Wir vermuten, dass es das gute Zeug im Champagner ist, das die Oberflächenspannung reduziert und zur stabilen Blasen-Kette führt.»
Die typische Reihung der Blasen im Champagner führen die Wissenschaftler auf einen sogenannten Surfactant-Faktor zurück, also auf grenzflächenaktive Substanzen (surface acting agents). Solche Moleküle verringern – ähnlich wie Seife – die Oberflächenspannung von Blasen, was die Spannung zwischen den Gas-Einschlüssen und der sie umgebenden Flüssigkeit vermindert. Auf diese Weise ist ein geschmeidiger Aufstieg möglich, die Blasen bleiben in der Spur. «Wir vermuten, dass es das gute Zeug im Champagner ist, das die Oberflächenspannung reduziert und zur stabilen Blasen-Kette führt», sagt Roberto Zenit, der an der Studie beteiligt war. «Also genau jene Aromastoffe, die den Genuss so einzigartig machen.»
In Bier gibt es zwar auch manchmal Blasen, die geordnet in Reih und Glied direkt zur Oberfläche aufsteigen, doch das ist nicht für alle Sorten der Fall, sondern davon abhängig, ob die Inhaltsstoffe eine Surfactant-Wirkung haben. Die Blasen im Mineralwasser sind hingegen nie stabil, sondern irren in der Flüssigkeit umher. Es sind schlicht keine anderen Bestandteile im Getränk, die auf die Oberflächenspannung einwirken könnten.
Studie auch für die Medizin wichtig
Die Forscher betonen, dass ihre alltagsnahen Untersuchungen keiner Sektlaune entsprungen seien. In der Medizin spielt ein spezifischer Surfactant-Faktor eine wichtige Rolle für die Lungenreifung von Babys; der Mangel an dieser Substanz kann bei Frühgeborenen zu schweren Atemproblemen führen. In der Industrie werden Gase gezielt in Flüssigkeiten gepumpt, weil sie sich durch die Blasenbildung besser vermischen. Für die Trinkwasserzubereitung ist die Strömungsmechanik von Blasen ebenfalls von grosser Bedeutung.
Die Wissenschaftler freuen sich, dass ein Teil ihrer Beobachtungen in der Eckkneipe oder zu Hause nachvollzogen werden können – und auf diese Weise gleichsam nebenbei erkannt wird, wie wichtig das Verhalten von Flüssigkeiten und die Forschung mit dem Blubb ist. Eine Ozeansenke, eine DNA-Analyse oder das Steuermodul einer Raumfähre habe kaum jemand aus der Nähe gesehen, «aber ein Glas Sprudel, Bier oder Champagner hatten die meisten Menschen schon mal in der Hand», so Zenit. Na, dann Prost!
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