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Wenn schon, denn schon
Sieben Gründe, Champagner zu trinken

Sag niemals nie zu Champagner: Sean Connery als James Bond in «Goldfinger» (1964), zusammen mit Shirley Eaton. 
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Ende August hat Vincent Chapperon in einer Videokonferenz den neuen Dom Pérignon des Jahrgangs 2010 vorgestellt. Es sei kein einfaches Jahr gewesen damals, sagte der Kellermeister süffisant, «aber wir lernen aus Herausforderungen.» Dann präsentierte er – live aus einem Schloss in der Champagne – einen grossartigen Jahrgangsschaumwein, der den Teilnehmern der Degustation zuvor per Post zugestellt worden war.

Charmant nach Grapefruit duftet das Getränk. Die Perlage ist lebendig und feinporig zugleich. Aprikosen und Ananas zeigen sich am Gaumen. Ein wunderbarer Tropfen, wahrlich. Aber, das ist die Krux, das Getränk kostet in der Schweiz pro Flasche rund 160 Franken. Und auch einfachere Abfüllungen aus der Champagne schlagen in aller Regel mit mindestens 40 Franken zu Buche. Da stellt sich die Frage: Wie sind solche Preise zu rechtfertigen? Worin liegt die Differenz zu Prosecco, Sekt und spanischem Cava?

Sieben Argumente sprechen für Champagner:

Champagner ist aromatisch-vielschichtig

Auch Weinlaien merken es: Wo bei einem günstigen Prosecco meist einfach nur Apfelaroma zu riechen ist, zeigt ein Champagner in der Nase blumige Aromen (wie Rose), fruchtige Akzente (wie Aprikose), dezente Reifenoten (wie Brioche) – je nach Abfüllung. Ja, man kann ganze Blumensträusse, Früchtekörbe und Konditorei-Auslagen ins Bouquet des Schaumweins hineindenken.

Der Grund für die Komplexität? Bis zu 100 verschiedene Grundweine werden für eine typische Cuvée zu einem neuen grossen Ganzen zusammengesetzt. Darum gilt: Eindimensional ist Champagner nie.

Kater? Nicht mit Champagner

Viele Geniesser glauben daran – und vielleicht ist tatsächlich was dran: Im Gegensatz zu Discounter-Bier, dubiosen Weinen und harten Schnäpsen bleibt ein richtig übler Kater nach vier, fünf (oder vielleicht noch mehr?) Gläsern Champagner aus… Na, wenn das kein gutes Argument für den Traditionsschaumwein ist.

Gaetan Haas vom SC Bern feiert den Schweizer-Meister-Titel von 2019 mit Champagner – ob er danach einen «Moudi» hatte, weiss wohl nur er. 

Champagner trinken heisst Geschichte geniessen

Nicht in Spanien, nicht in Italien – in der Champagne wurde das Verfahren erfunden, einen Wein in der Flasche ein zweites Mal gären zu lassen und auf diese Weise mit Kohlensäure anzureichern. Auch wenn es Legende sein dürfte, dass dies der alleinige Verdienst des Benediktinermönchs Dom Pérignon (1638–1715) gewesen sei, mit Bestimmtheit hat er die Produktionsweise massgeblich weiterentwickelt.

Auch sonst ist Champagner quasi «Geschichte glasweise»: Wer schon einmal in den kathedralenartigen Kalksteinkellern von Ruinart stand und die aufgebahrten Flaschen im Halbdunkeln sah, wird den erhabenen Anblick dieses über 200-jährigen Gewölbes kaum mehr vergessen.

Auch kein Zufall, dass der Versailler Vertrag von 1919 eine Champagner-Klausel enthielt – um Nachahmern des Originals aus Deutschland das Leben schwer zu machen. Und noch ein historischer Schwank? In der französischen Appellation wurden im Zweiten Weltkrieg die wertvollsten Flaschen vor den Nazis versteckt, in dem man sie einmauerte. Zur Tarnung hängten manche Produzenten sogar falsche Spinnweben aufs frische Mauerwerk.

Solche Storys machen Lust auf Champagner, oder?

Champagner ist ein Gütesiegel

Ja, es gibt sehr gute Cavas aus Spanien . Und auch in der Schweiz, Österreich sowie Italien sind, zugegeben, gelungene Schaumweine zu finden. Aber: Man muss sie immer auch suchen – und ist dabei vor Fehlgriffen nicht sicher.

Eine echte Seltenheit hingegen sind Champagner, die unterirdisch schlecht sind. Und manchmal ist man doch als Konsument einfach gern auf der sicheren Seite.

Traubenbauern werden gut bezahlt

Es spricht für Champagner, dass nicht nur die grossen «Player» wie LVMH (zum Luxuskonzern gehören Moët & Chandon, Dom Pérignon, Veuve Clicquot, Krug u.a.) gut verdienen. Die Wertschöpfungskette erstreckt sich bis zu den Rebbauern, die für ihr Traubengut so viel Geld bekommen wie nirgends sonst auf der Welt: Pro Kilo sind es je nach Jahr und Qualität in Spitzenlagen über 8 Euro. Zum Vergleich: Im Wallis erhalten viele Weinbauern für ein Kilo Chasselas-Trauben nicht mal mehr 3 Euro, in Österreich teilweise sogar weniger als 1 Euro.

Nachhaltigkeit ist ernst gemeint

Früher wurden die Trauben kaum vor Anfang September gelesen – inzwischen ist eine Lese schon im August fast üblich geworden. Noch früher geht nicht, da dies auf Kosten eines ausgereiften Geschmacksprofils gehen würde. Kann die Klimaerwärmung also nicht gestoppt werden, dürften Champagnerproduzenten bald schon ihrer Existenzgrundlage beraubt sein.

Kein Wunder, intensivieren die grossen Häuser zurzeit ihre Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit – im Rebberg, aber auch im Vertrieb: Louis Roederer wird ab dem Jahrgang 2021 auf gut der Hälfte der Parzellen biozertifiziert sein. Ruinart hat jüngst die luxuriöse Geschenkverpackung aus PVC durch eine schlichte Papierhülle ersetzt, erzeugt aus nachhaltig gewonnenem Holz westeuropäischer Wälder.

Die Labels übertrumpfen sich derzeit gegenseitig mit solchen «grün angehauchten» Neuerungen – und das dürfte nicht bloss aus Marketinggründen sein.

Womöglich gibt es Champagner nicht mehr lange

Leider werden die Traditionshersteller in der Champagne die Erderwärmung (auch mit den oben genannten Massnahmen) nicht allein bremsen können. Und darum munkelt man, dass sich viele Produzenten bereits im südlichen England nach Parzellen umsehen, wo die Bodenbeschaffenheit sehr ähnlich ist…

Trinken wir Champagner, solange es ihn noch gibt: Grand Siècle ist eine der Préstige-Cuvées aus dem Haus Laurent-Perrier.

Das heisst: Vielleicht wird es Champagner, wie wir ihn kennen, bald mal nicht mehr geben. Dies ist noch ein Grund, sich anlässlich der kommenden Feiertage noch ein Cüpli zu schnappen.