Leserinnen und Leser fragenDarf die Arbeitgeberin aufgrund einer Quarantäne nachträglich das Gehalt kürzen?
Ist eine Lohnreduktion erlaubt, wenn jemand auf behördliche Anordnung zu Hause bleiben muss? Sind AHV-Nachzahlungen möglich, wenn es wegen Krankheit Beitragslücken gibt? Hier die Antworten.
Darf die Arbeitgeberin wegen einer Quarantäne den Lohn kürzen?
Vor wenigen Wochen zog mir meine Arbeitgeberin vom Märzlohn 400 Franken ab. Der Grund: Vor einem Jahr musste ich aufgrund einer behördlich verordneten Quarantäne zehn Tage lang zu Hause bleiben. Auf Nachfrage hin teilte mir die Arbeitgeberin mit, eigentlich müsste sie während der Quarantäne gar nichts bezahlen. Aus Kulanz habe sie aber Gelder gemäss Erwerbsersatzordnung beantragt. Diese würden allerdings nur 80 Prozent des Gehalts ausmachen. Ist dieses Vorgehen korrekt?
Die Arbeitgeberin liegt falsch, wenn sie meint, bei einer angeordneten Quarantäne gebe es von vornherein keine Lohnfortzahlungspflicht. Auch unabhängig von den Corona-Vorschriften während der Pandemie gilt eine solche Quarantäne als unverschuldete Arbeitsverhinderung. Das bedeutet, dass die Arbeitgeberin für die Zeit der Quarantäne grundsätzlich den vollen Lohn erstatten muss.
Roger Rudolph, Professor und Arbeitsrechtsexperte an der Universität Zürich, weist jedoch auf eine Ausnahmebestimmung hin, die in Ihrem Fall eine Rolle spielt: Sobald eine obligatorische Versicherung mindestens 80 Prozent der Lohnfortzahlung übernimmt, ist die Arbeitgeberin nicht mehr dafür verantwortlich. Wenn die Versicherung weniger als 80 Prozent des Lohns deckt, muss die Arbeitgeberin bis auf 80 Prozent aufstocken. Mit anderen Worten: Angestellten bleibt in der Regel nichts anderes übrig, als sich mit der Lohnreduktion abzufinden, wenn ein Unternehmen nicht kulant ist.
In Ihrem Fall ist es aber ungewöhnlich, dass die Arbeitgeberin erst ein Jahr später die Lohnkürzung vornimmt. Damit erhalten Sie ein starkes rechtliches Argument. Denn wenn ein Unternehmen mit einem Entscheid längere Zeit zuwartet, dürfen Angestellte dies in vielen Fällen als stillschweigenden Verzicht auf die Geltendmachung interpretieren.
Roger Rudolph vergleicht es mit einem Sachschaden am Arbeitsplatz: Wenn Vorgesetzte nicht rasch reagieren und einen Angestellten zur Rechenschaft ziehen, so kann dies als Verzicht auf eine Schadenersatzforderung gewertet werden. «Gerichte neigen dazu, rasch einmal von einem stillschweigenden Verzicht auszugehen», sagt er.
Sie können Ihre Arbeitgeberin mit dieser Argumentation konfrontieren. Ob sich das lohnt oder ob Sie damit einen Konflikt riskieren, bei dem die negativen Folgen überwiegen, müssen Sie für sich abwägen.
Kann meine Tochter nach schwerer Krankheit AHV-Beiträge nachzahlen?
Unsere Tochter erkrankte während ihrer Ausbildung schwer. Erst mehrere Jahre später konnte sie eine Lehre abschliessen. Leider haben wir während ihrer Krankheit nicht daran gedacht, AHV-Beiträge einzuzahlen, was zu einer Rentenkürzung führt. Können wir die Beitragslücken nachträglich schliessen?
Leider nein. Beitragslücken dürfen nur für die letzten fünf Jahre nachbezahlt werden. Diese Frist ist in Ihrem Fall verstrichen. Danach kommt es zu einer Verjährung. Fachleute sprechen von einer «Verwirkung». Es gibt keine Ausnahme für schwere Krankheit. Aus welchen Gründen die Beiträge während der Verwirkungsfrist ausgeblieben sind, ist rechtlich ohne Belang. Dabei spielen Rechtssicherheit und verwaltungstechnische Überlegungen eine Rolle – mit jeder Ausnahme entstehen gewisse Abgrenzungsprobleme.
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