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Urteil des Bundesgerichts
Credit Suisse setzt sich gegen Klimaaktivisten durch

Waadtländer Klimaaktivisten spielten am 22. November 2018 in einer Lausanner Credit-Suisse-Filiale eine Stunde lang Tennis, um gegen klimaschädliche Investitionen der Grossbank zu protestieren.
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Mit Spannung und einiger Ungeduld war das Bundesgerichtsurteil gegen ein Dutzend Waadtländer Klimaaktivisten erwartet worden. Sie hatten 2018 in einer Filiale der Credit Suisse in Lausanne Tennis gespielt, um gegen die klimaschädlichen Geschäfte der Grossbank zu demonstrieren.

Die Kundgebung wurde zum Gerichtsfall. Die Aktivistinnen und Aktivisten und ihre Anwälte argumentieren, im Sinne eines «rechtfertigenden Notstands» gehandelt zu haben, denn der Klimawandel sei eine fundamentale Bedrohung für die gesamte Menschheit.

Die Staatsanwaltschaft und die Credit Suisse wiederum sahen in der Aktion einen Hausfriedensbruch. Die Anklage monierte darüber hinaus die Hinderung einer Amtshandlung, weil die Aktivisten sich dem polizeilichen Befehl, den «Spielplatz» zu verlassen, widersetzten.

Kein rechtfertigender Notstand

Die Waadtländer Staatsanwaltschaft und die Credit Suisse haben sich vor dem Bundesgericht nun durchgesetzt, nachdem sie vor dem Lausanner Bezirksgericht unterlegen waren und dann vom Kantonsgericht ein erstes Mal recht bekamen.

Das Bundesgericht entschied, der Protest sei nicht mit einem «rechtfertigenden Notstand» zu legitimieren. Ein solcher Notstand liege nur dann vor, wenn man ein Objekt oder eine Person vor einer unmittelbaren Gefahr retten müsse. Die negative Konsequenz müsse Stunden später eintreten; mittel- oder langfristige negative Konsequenzen seien diesbezüglich unerheblich.

Kurzum: Einen Klimaprotest könne man nicht durch einen rechtfertigenden Notstand rechtfertigen. Zudem hätten die Aktivisten auch nicht die Absicht gehabt, eine Einzelperson oder ein Einzelobjekt zu retten, sondern es sei ihnen um die Kollektivität und die Umwelt als Ganzes gegangen, was im Widerspruch zum «rechtfertigenden Notstand» stehe.

Dazu komme, dass die Protestaktion über eine Stunde dauerte, was dem Bundesgericht deutlich zu lange war, und den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs aus Sicht des Gerichts darum erfüllt. Vom Straftatbestand der Hinderung einer Amtshandlung sprach das Gericht die Aktivistinnen und Aktivisten jedoch frei.

«Das Bundesgericht weigert sich, sich mit den drohenden Klimagefahren auseinanderzusetzen.»

Raphaël Mahaim, Anwalt der Klimaaktivisten

Deren Verteidiger zeigten sich über das Urteil enttäuscht. Anwalt Raphaël Mahaim sagt: «Das Bundesgericht weigert sich, sich mit den drohenden Klimagefahren auseinanderzusetzen.» In Unkenntnis der Realität toleriere das Gericht eine abwartende Haltung, die die Notwendigkeit des sofortigen Handelns ignoriere, anstatt eine Chance zu bewahren, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Schweizer Banken in der Kritik wegen Investitionen in Kohle

Auch das Bundesamt für Umwelt war nach einem Klimatest in der Finanzbranche 2020 zum Schluss gekommen, dass «der Schweizer Finanzsektor insgesamt noch nicht auf die Ziele des Übereinkommens von Paris ausgerichtet» sei.

Einzelne Institute wurden in der Studie zwar keine genannt, aber 80 Prozent der teilnehmenden Unternehmen würden zum Beispiel weiterhin in Kohle investieren. In der Kritik stand auch die Credit Suisse, weil die Bank keine Zahlen vorwies, wie viele Kredite sie in klimaschädliche Branchen verleiht.

Doch bei der Credit Suisse hat man offenbar begriffen, dass man mit dem Thema Nachhaltigkeit einen offenen Umgang pflegen sollte. Ende Juni wird sie eine Nachhaltigkeitswoche durchführen. Klimaaktivisten hat sie dazu keine eingeladen.

Als Referenten sind unter anderem Robert Mardini, Generalsekretär des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Schimpansenforscherin Jane Goodall und Tennisstar Roger Federer angekündigt.

Jetzt soll Strassburg entscheiden

Die Anwälte der Waadtländer Klimaaktivisten werden das Bundesgerichtsurteil nun an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg weiterziehen. Anwalt David Raedler sagt: «Wir sind optimistisch, dass die Richter in Strassburg anerkennen, dass im vorliegenden Fall die Versammlungsfreiheit und die Meinungsäusserungsfreiheit nicht beschnitten werden dürfen.»

Raedlers Anwaltskollege Gaspard Genton bedauert, dass die Bundesrichter die fundamentalen Rechte auf Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit gar nicht erst untersucht hätten, dabei sei der Menschenrechtsgerichtshof in seiner Rechtssprechung klar. Jüngst habe er einen Protest zum Nahostkonflikt in einem französischen Supermarkt gutgeheissen und geurteilt, dass diese Form des Protests in einem demokratischen Staat einen Platz haben müsse, so Genton.

Dass ein Unternehmen Demonstranten nach einer Stunde Protest rauswerfen lasse, sei vielleicht noch legitim, aber rechtlich nicht zu rechtfertigen sei, dass man sie mit Strafen belegt, sagt der Lausanner Jurist. In der Rechtsprechung des Menschenrechtsgerichtshofs heisse es darum häufig, dass die strafrechtliche Bestrafung «keinem zwingenden gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht und in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig ist.»

Während die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts die Waadtländer Klimaaktivisten verurteilt hat, hat die erste öffentlich-rechtliche Abteilung desselben Gerichts eine Beschwerde von Basler Klimaaktivisten diese Woche gutgeheissen. Die Aktivisten hatten 2019 eine Basler UBS-Filiale blockiert. Die Polizei erstellte von ihnen in der Folge DNA-Profile und Fingerabdrücke.

Das Bundesgericht hält das für unverhältnismässig und wies darauf hin, dass die Aktion friedlich verlaufen sei und unter dem Schutz des Grundrechts der Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehe.