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Hausdurchsuchungen bei Klimaschützern
Morgens um 7 stand die Polizei vor der Studentenbude

Im Visier der Bundesanwaltschaft: Lausanner Klimaaktivisten protestierten im Mai 2019 gegen klimaschädliche Geschäfte der Grossbank Credit Suisse.
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Student Kelmy M. dachte spontan an einen übermotivierten Briefträger, als es letzten Mittwoch um 7 Uhr morgens an der Tür seiner Lausanner Studentenbude klingelte. Er sei gleich zurück, sagte der Waadtländer Klimaaktivist seiner Freundin und schlurfte zur Tür. Zurück kam er aber nicht mit Briefen, sondern mit einem halben Dutzend Polizistinnen und Polizisten. Diese hätten ihm einen Hausdurchsuchungsbefehl der Bundesanwaltschaft gezeigt, danach zweieinhalb Stunden lang in seinen Habseligkeiten gewühlt und trotz seiner Proteste, er stecke mitten in einer Prüfungsphase, sämtliche elektronischen Geräte beschlagnahmt, sagt Kelmy M.

Zwei Bundeskriminalpolizisten bedrängten ihn auf dem Polizeiposten in Morges schliesslich vier Stunden lang mit Fragen. «Sie sagten mir, noch sei ich im Strafverfahren Auskunftsperson, aber je nach Entwicklung der Befragung könne ich auch Beschuldigter sein», erinnert sich Kelmy M. Was er nicht wusste: Parallel hatten Polizisten zwei weitere Klimaaktivisten in Gewahrsam genommen.

Offener Brief an die Armee

Die Polizisten wollten von Kelmy M. wissen, wer aus dem Kollektiv des Waadtländer Klimastreiks für den am 11. Mai 2020 veröffentlichten offenen Brief an den Bundesrat, ans Verteidigungsdepartement und die Armee verantwortlich sei. Der Brief hatte dazu aufgerufen, aus ökologischer und sozialer Verantwortung weder Dienstpflichtersatz zu zahlen noch Militärdienst zu leisten. «Wir sind nicht einverstanden, Ihrer umweltverschmutzenden, gewalttätigen, diskriminierenden, machohaften, nationalistischen, autoritären, teuren und nutzlosen Institution Geld und Zeit zu geben», stand im Schreiben.

Kelmy M. war den Ermittlern darum verdächtig, weil sie seinem Linkedin-Profil entnommen hatte, dass er im Namen der Klimastreikenden Mediencommuniqués geschrieben hatte. Ein weiterer Aktivist wurde verhaftet, weil er auf der Website der Klimaaktivisten als Administrator aufgeführt war.

«Die Justiz hat bloss einen Vorwand gesucht, uns auszuspionieren und einzuschüchtern.»

Kelmy M., Waadtländer Klimaaktivist

Kelmy M. bezeichnet die Vorwürfe als haltlos. «Die Justiz hat bloss einen Vorwand gesucht, uns auszuspionieren und einzuschüchtern», sagt er. Die Aktion sei «völlig unverhältnismässig» gewesen. Die Polizisten hätten ihn unter Druck gesetzt, zu kollaborieren, die Passwörter zu sämtlichen Social-Media-Accounts herausverlangt und damit gedroht, andernfalls werde man auch ohne seine Hilfe fündig. Von seinen Festplatten hätten sie Kopien erstellt.

In die Affäre um den inkriminierten Brief involviert ist auch der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor. Vor einem Jahr wollte Addor vom Bundesrat in einer Fragestunde des Parlaments wissen, ob es wegen des Ausrufs zum Militärstreik eine Strafuntersuchung geben werde. Der Bundesrat antwortete Addor, man habe keine Strafanzeige eingereicht und gedenke dies wegen des Rechts auf freie Meinungsäusserung auch nicht zu tun.

Die Bundesanwaltschaft wurde offenbar trotzdem aktiv. Sie bestätigte auf Anfrage das Strafverfahren und die Hausdurchsuchungen. «Das Strafverfahren wird wegen des Verdachts zur Aufforderung und Verleitung zur Verletzung militärischer Dienstpflichten geführt», teilt eine Sprecherin mit. Auslöser war offenbar eine Strafanzeige. Der Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung habe das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement gefällt, so die BA-Sprecherin weiter. Nach der Ermächtigung des EJPD habe die BA im Februar 2021 das Strafverfahren gegen unbekannt eröffnet und zu einem späteren Zeitpunkt auf eine Person ausgedehnt.

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