Archegos-Debakel belastet Credit SuisseVerlust wächst auf 5 Milliarden, Aktie fällt unter 9 Franken
Die Archegos-Hedgefondspleite wirkt sich weiter auf die Grossbank aus: Sie startet mit einem Minus von 252 Millionen Franken und zwei Verfahren der Finanzaufsicht ins Jahr. Die Börse reagiert entsprechend.
Die Credit Suisse kündigt neue Verluste durch den Zusammenbruch des US-Hedgefonds Archegos an. «Für das zweite Quartal rechnen wir mit einer verbleibenden Belastung von 600 Millionen Franken», teilte die CS am Donnerstagmorgen mit. Der neue Verlust entsteht, weil die Credit Suisse vor kurzem ein weiteres Aktienpaket auf den Markt geworfen hat, das bei Geschäften mit dem Hedgefonds Archegos als Sicherheit gedient hatte. Damit summiert sich der Verlust auf insgesamt 5 Milliarden Franken.
Für das erste Quartal meldet die Grossbank einen finalen Verlust von 252 Millionen Franken. Der Vorsteuerverlust beträgt 757 Millionen Franken, das ist etwas weniger, als die Bank am 6. April gemeldet hat, seinerzeit ging sie von einem Vorsteuerverlust von 900 Millionen Franken aus.
Kapitalerhöhung um 1,8 Milliarden Franken
Die Verluste nagen an der Kapitalausstattung der Bank. Daher hat die Credit Suisse eine Kapitalerhöhung über zwei Wandelanleihen platziert, die in 203 Millionen Aktien getauscht werden. Laut Finanzchef David Mathers dürfte dies die Kapitaldecke um 1,8 Milliarden Franken stärken und die Eigenkapitalquote auf rund 13 Prozent heben. «Wir wollen die Diskussion um unsere Kapitalausstattung vom Tisch haben», erklärte Bankchef Thomas Gottstein.
Die Börse hat auf die schlechten Nachrichten reagiert: Am Morgen fiel die Aktie zeitweise unter 9 Franken (-5,41 Prozent). In den vergangenen drei Tagen hatte der Kurs bereits rund 4 Prozent nachgegeben, seit Jahresbeginn verlor die Aktie rund 20 Prozent (zum aktuellen Kurs).
Wegen der Skandalserie hat die Grossbank nun Ärger mit der Finanzmarktaufsicht. Diese habe zwei sogenannte Enforcementverfahren gegen die CS eröffnet, teilte die Finma mit. Eines dreht sich um das Desaster mit der Hedgefondspleite Archegos, beim zweiten Verfahren geht es um die Lieferkettenfonds mit Greensill.
Puffer als Sofortmassnahme
In beiden Verfahren untersucht die Aufsicht die offensichtlichen Mängel im Management der Risiken der Grossbank. Als Sofortmassnahme hat die Finma zudem Kapitalzuschläge angeordnet; so musste die Grossbank wegen der Greensill-Pleite einen Puffer von zwei Milliarden Franken aufbauen. Zudem ordnete die Aufsicht die Aussetzung von Boni an.
Damit laufen nun insgesamt drei Verfahren gegen die CS. Denn das Verfahren wegen der Spionageaffäre ist noch nicht abgeschlossen. Auch die Credit Suisse hat zwei interne Untersuchungen der Skandale angeordnet. Denn noch sind viele Fragen offen.
Wie beim Archegos-Debakel. Laut dem «Wall Street Journal» hatte die Credit Suisse mit dem Hedgefonds am Ende über 20 Milliarden Dollar im Feuer. Den Wert wollte Gottstein weder bestätigen noch dementieren. Unklar ist immer noch, warum die CS neben Numora so riesige Verluste erlitt, während die US-Banken weitgehend ungeschoren ihre Positionen abbauen konnten.
Für die Aktienwetten von Archegos hatte die Bank dem Hedgefonds Milliarden geliehen und als Sicherheit Aktien von Medienunternehmen wie ViacomCBS auf die Bücher genommen. Als diese Aktien ins Rutschen kamen, konnte Archegos keine neuen Sicherheiten bieten – die Banken, die dem Fonds Geld geliehen hatten, verkauften die Aktienpakete in einer Panikaktion.
CS war beim Verkaufen langsamer als die US-Banken. Finanzchef David Mathers erklärte jedoch, dass die Grossbank bei ihren Verkäufen «ähnliche Preise wie die Wettbewerber» erzielt habe. Sprich, an der Art und Weise, wie CS die Sicherheiten zu Geld machte, liegt es demnach nicht, dass die Bank 5 Milliarden verlor.
Das lässt den Schluss zu, dass Credit Suisse Archegos einen viel höheren Kredithebel zugestanden haben muss als andere Banken und CS deshalb so viel höhere Verluste einfuhr. Laut der «SonntagsZeitung» hat CS bei Archegos mit einem neunfachen Hebel gearbeitet. Sprich, für einen Dollar, den der Fonds selber hatte, lieh CS ihm 9 Dollar. Die Bankführung ging auf diesen Punkt Donnerstag nicht ein. (Lesen Sie hier, wie die Finma die CS vergeblich warnte.)
Einschnitte im Investmentbanking angekündigt
Wie kann es dann sein, dass die Bank unter dem Strich so wenig verliert, wenn sie allein im ersten Quartal wegen Archegos 4,4 Milliarden Franken Verlust macht? Das liegt daran, dass ohne das Debakel die Bank ein Bombenquartal hatte: Rechnet man die Hedgefondspleite raus, so verdiente CS vor Steuern 3,6 Milliarden Franken. Vor allem die Investmentbank verdiente gut.
Hinzu kommt ein Buchgewinn aus der Beteiligung der Fondsplattform Allfunds sowie ein positiver Steuereffekt von gut 500 Millionen Franken. Dank dieser Faktoren kann CS den Quartalsverlust auf 252 Millionen Franken begrenzen.
Als Konsequenz aus dem Archegos-Skandal kündigte die Bank Einschnitte im Investmentbanking an. Die Geschäfte mit Hedgefonds wie Archegos werden als «Prime Brokerage» bezeichnet, dabei geben Banken unter anderem diesen Fonds Kredite, damit diese ihre Wertpapierwetten finanzieren. Diese Geschäfte will die Bank nun zurückfahren.
Zu tieferen Einschnitten ist Bankchef Gottstein zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit: «Ich würde nicht sagen, dass es nötig ist, die Strategie über Bord zu werfen, nur weil wir zwei enttäuschende Ereignisse hatten», sagte Gottstein.
Kunden erhielten bisher noch keine Entschädigungen
Das zweite «Ereignis» ist der Greensill-Skandal. Hier ist nach wie vor unklar, wie teuer dieser wird. Von den 10 Milliarden Dollar Fondsvolumen hat die Bank 5,4 Milliarden gesichert. 2,3 Milliarden Kredite an drei Schuldner, darunter der problembeladene Stahlkonzern GFG Alliance, gelten indes aus ausfallgefährdet.
Im ersten Quartal buchte die Grossbank noch keine Rückstellungen für Verluste oder Klagerisiken. Gottstein begründet dies damit, dass die Verwertung der Fondsanlagen noch «Monate» dauern werde.
Die CS hatte Greensill auch einen Kredit von 140 Millionen Dollar gegeben; davon hat die Bank 50 Millionen zurück, den ausstehenden Betrag hat sie nun um 30 Millionen auf neu 60 Millionen Franken abgeschrieben, erklärte Finanzchef David Mathers. Auf die Frage, ob die Bank die Fondskunden für deren Verluste entschädigen wolle, wich Mathers aus. Er erklärte lediglich, dass die CS bisher keinen Kunden Entschädigungen gezahlt habe.
Als Folge des Greensill-Skandals hat die CS das Asset-Management wieder aus dem Private Banking herausgelöst. Ex-UBS-Manager Ulrich Körner soll die Sparte neu leiten. CS-Chef Thomas Gottstein bekräftigte in einer Telefonkonferenz, dass die Bank «keine Pläne hat, das Asset-Management zu verkaufen».
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