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TV-Kritik «Tatort»
Corinna Harfouch gibt als Kommissarin ein Debüt ohne Trara

Kommissar Karow (Mark Waschke) hat nicht damit gerechnet, eine Dozentin, die vor 12 Jahren aus der Polizeipraxis ausstieg, an seine Seite zu bekommen: Susanne Bonard (Corinna Harfouch). 
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Nun scheint auch der «Tatort» seinen Doppelwumms zu präsentieren: ein zweiteiliges Oster-Special samt Einführung einer neuen Ermittlerin mit grossem Namen: Bühnen- und Filmstar Corinna Harfouch (68) gibt die 62-jährige Susanne Bonard. Ihre fiktive Vorgängerin im Berliner Team (Meret Beckers Nina Rubin) war unter dramatischen Umständen ums Leben gekommen, sie selbst lernen wir zu Beginn des ersten Teils von «Nichts als die Wahrheit» als resolute Lehrperson der Polizeiakademie kennen. Sie macht klare Ansagen wie: «Recht ist nicht das, was Sie sich wünschen. Recht ist das, was Sie durchsetzen.»

Einst brillierte sie als Ermittlerin am Landeskriminalamt, dann schrieb sie ein Standardwerk über «Polizeiarbeit im Rechtssystem». Und das Drehbuch von Stefan Kolditz und Katja Wenzel hat nichts Geringeres als die Gefährdung ebendieses Rechtssystems zum Thema; dessen Zersetzung von innen. Polizistenchats mit rassistischen Sprüchen, Todeslisten, die jüngste Reichsbürgerverschwörung, bei deren Auffliegen gar eine Richterin verhaftet wurde: All diese Rechtsaussen-Schocks aus der Bundesrepublik Deutschland haben in die «Tatort»-Doppelfolge Eingang gefunden.

Die jungen Polizeiaspiranten werden an der Akademie unterschwellig indoktriniert – selbst ein Opfer dieser Tendenzen (rechts) hält lieber den Mund.

Je expliziter sich Bonard gegen untergründige rechte Tendenzen an der Akademie wendet, desto mehr gerät sie dort unter Druck. Schliesslich wird ihr, nach 12 Jahren Lehrtätigkeit, der Vorruhestand nahegelegt.

Während sie noch über die Rente nachdenkt, erfährt sie, dass eine ihrer früheren Studentinnen, die Schutzpolizistin Rebecca, gerade unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Die Dozentin fühlt sich schuldig, denn die junge Mutter hatte sie am Abend vor ihrem Tod (durch die eigene Dienstwaffe) angerufen und Dunkles angedeutet. Doch Bonard hatte sich nicht auf das Gespräch eingelassen.

In dem schicksalhaften Telefonat fiel der Satz, der sich als Leitmotiv für die beiden Episoden «Nichts als die Wahrheit Nr.1 / Nr.2» entpuppt: «Es ist grösser, als ich dachte.» Mit der Zeit wird deutlich, dass Rebecca einer Art rechtem Komplott mit Plänen für einen «Tag X» auf der Spur war und gegen den «Code of Silence» in der Gruppe verstossen hatte. Bald taucht Rebeccas Dienststellenleiter in der Wohnung seiner toten Kollegin auf – er ist der Patenonkel ihres vierjährigen, traumatisierten Sohns – und verlangt vom Witwer die Herausgabe des heiklen «Materials», mit dem Rebecca die halbe Gruppe habe hochgehen lassen wollen.

Gleichzeitig steht aber auch der Ehemann unter Verdacht, von dem Rebecca sich getrennt hatte und mit dem sie um das Sorgerecht für das Söhnchen stritt. Zudem ist die Möglichkeit des Suizids nicht ad acta gelegt. Kommissar Karow (Mark Waschke) ermittelt in alle Richtungen, als die unfreiwillig ausrangierte Dozentin sich, zu seiner Überraschung, seinem Team anschliesst.

Fragwürdige V-Leute wie Söldner-Chef Koch (Sebastian Hülk) haben Verbindungen bis in die Spitzen der Bundesrepublik.

Mit einer Menge Personal vom Asylbewerber bis zum Verfassungsschützer, mit gewichtiger Thematik und am Ende vier Toten (sowie einem Angeschossenen in kritischem Zustand) wurde in Berlin gross angerichtet; und der Plot hält die Zuschauenden schon bei der Stange. Optisch allerdings hat sich Regisseur Robert Thalheim an Altbewährtes – um nicht zu sagen: Altbackenes – gehalten. Aus dieser Doppelfolge ist, bei aller Dramatik, die Nervosität der Stadt geschwunden; ein bisschen Regierungsviertel hier, ein bisschen Baustellenkulisse da soll Flair verleihen.

Auch die Kommissarsgestalten wurden sozusagen gedimmt: Karow wirkt geradezu gedämpft, und Bonard ist ohnehin eine leisere Figur, mit glücklicher Ehe und solidem Sohn. Auf die interpersonelle Spannung wollte man im neuen Team offenbar verzichten. Bleibt die Pointe, mit der Harfouch – die sich hier schauspielerisch nicht so recht austoben konnte – Bonards weitere, von Karow nicht erwartete Mitarbeit ankündigt: «Bis Montag.» Der Doppelwumms geriet eher zu einem Wümmschen.