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TV-Kritik
Ein toller «Tatort», aber irgendwann will er nur noch Sozialdrama sein

Nicht nur die Autos drehen sich im Kreis: «Donuts» spielt an Originalschauplätzen in Bremerhaven.
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Man kann das Meer förmlich riechen. Aber nicht das mit Sonne, Strand und Muscheln auf dem Teller. Mehr so das mit Schauer, Wind – und einer Leiche im Kofferraum. Der neue «Tatort» aus Bremen ist wunderbar norddeutsch, alles stimmt: das Wetter, das Licht, die Sprache. Die Leute sagen nicht viel, auch nicht zu diesem Toten, der hinten in einem der vielen Autos an den Docks von Bremerhaven gefunden wird, und wenn sie etwas sagen, dann ist das regional klar verortet.

Sogar im an sich auf Hochdeutsch verfassten Folgentext der ARD steht, dass die Wagen «schliddern» würden, schlittern ist gemeint, na klar, fahren die Autos doch in diesem Film öfter mal quietschend und mit rauchenden Reifen im Kreis, sie formen «Donuts», wie es im Folgentitel und der Tuning-Fachsprache heisst. 

Das Trio wird zum Duo

In diesen Kreisen ermittelt Liv Moormann, gespielt von der zackigen Jasna Fritzi Bauer. Auch die Hessin trägt den niederdeutschen Einschlag glaubhaft vor. «Muddä?», fragt sie irgendwann, vor ihrer Mutter stehend, die sie in diesem Fall so gar nicht anzutreffen erwartet hat. 

Und damit sind wir nicht nur mittendrin in der sprachlichen Ästhetik, sondern auch in den Problemen dieser Folge: Dieser «Tatort» rund um die Autoposer in der von Regisseur Sebastian Ko vortrefflich arrangierten Hafenszenerie verkommt genau dann zum Familiendrama, als der lange Zeit so schleppende Plot erst gerade Fahrt aufnehmen würde. Es ist verschmerzbar, dass das Bremer Trio um Moormann, Mads Andersen (Dar Salim) und Linda Selb (Luise Wolfram) für einmal nicht zusammen ermittelt – Andersen und Selb sind im Auslandseinsatz, in Brüssel bei der Interpol. Moormanns Verstärkung, der loyale Bremerhavener Kollege Robert Petersen (Patrick Güldenberg), ist ein würdiger Ersatz.

Ermittlungen in der Autoposer-Szene: Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Robert Petersen (l., Patrick Güldenberg).

Zusammen spüren sie den beiden Neffen des Ermordeten nach: Gheorghe (Adrian But) und seinem geistig beeinträchtigten Bruder Oleg (Jonas Halbfas). Die haben in ihrer Garage einen ziemlich schnellen, ziemlich teuren BMW stehen, der in der Mordnacht zur falschen Zeit am falschen Ort gesichtet wurde. Dass die Brüder aber nichts mit dem Mord zu tun haben, wird schnell klar. Das Geschehen verlagert sich immer mehr zur Familie von Ermittlerin Moormann: Die jüngere Halbschwester Marie ist als Freundin von Gheorghe mittendrin im Fall. Zu den Kerntugenden der Mutter – der «Muddä» – zählt das Trinken mehr als das Erziehen, das wird auch der mit ihrer Vergangenheit konfrontierten Moormann in Erinnerung gerufen, die bald einmal vom Fall abgezogen wird: privat zu sehr involviert.

So verzwackt ist das plötzlich. Atmosphärisch ist das alles wunderbar, es riecht nicht nur nach Meer, sondern auch nach Autos und Fisch, und wir schweben dank spektakulären Drohnenaufnahmen über die Originalschauplätze am Bremerhavener Autoterminal, wo die Wagen zu Tausenden auf die grossen Frachter geladen werden.

Die Autonation Deutschland ist gut und glaubhaft inszeniert, was ja nun gar nicht unbedingt für die Regie sprechen muss. Sind wir nicht am Hafen, so sind wir an Tankstellen, in Parkhäusern, an der Autobahn. Doch irgendwo zwischen Autoheck und Schiffsbug verliert sich der Fokus. Es gibt tolle Details, die «Drive»-Reminiszenz von Marie am BMW-Steuer etwa, doch die Verwandlung zum Sozialdrama ist zu gesucht, die Figuren wirken irgendwann überillustriert. Statt dem Meer riecht man irgendwann eher, was als Nächstes passieren wird.