Analyse zum KlimagipfelDer grosse Klimakonsens fehlt, nun braucht die Welt Vorreiter
Die Botschaft aus Dubai lässt Schlupflöcher für fossile Energien offen. Das Verfahren der grossen Konferenzen kommt an seine Grenzen. Doch es gibt eine Alternative.
Der Gastgeber der Klimakonferenz in Dubai, die Vereinigten Arabischen Emirate, feiert die Verhandlungen als historischen Erfolg. Doch gemessen an den Erwartungen, hat diese Klimakonferenz einmal mehr enttäuscht.
Eigentlich hätten sich die Vertragsstaaten in Dubai auf einen konkreten Plan einigen müssen, wie die Welt in den nächsten Jahren auf einen Kurs gebracht wird, der den kontinuierlich stärker werdenden Klimawandel bremst.
Herausgekommen ist ein Papier, das die Vertragsstaaten auffordert, einen Beitrag zu leisten, um den Ausbau der erneuerbaren Energie bis 2030 – unter anderem eine Verdreifachung der erneuerbaren Energie – zu beschleunigen. Auch ein Übergang zu einem Energiesystem ohne fossile Energie wird bis 2050 nahegelegt.
Kein Schub zu erwarten
Das mag optimistisch betrachtet ein Signal an die fossile Industrie sein, dass es sich nicht mehr lohnt, in Kohle, Erdgas und Erdöl zu investieren. Der Beschluss von Dubai enthält jedoch genügend Schlupflöcher, damit noch länger fossile Energien gefördert werden können. Für den beabsichtigten Schub für ehrgeizigere Klimapläne bis 2030 sind die Formulierungen im Beschluss von Dubai zu vage.
Obwohl die Nationen im Pariser Klimaabkommen und auch im Abschlussdokument die Erkenntnisse der Klimawissenschaft und des Weltklimarats IPCC anerkennen und die Warnungen ernst nehmen, bleiben entsprechend starke Handlungsanweisungen aus.
Die Botschaft der Wissenschaft heisst seit langem: Es braucht einen schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien. Doch die internationale Klimapolitik antwortet stets widersprüchlich: ein Ja für die Wissenschaft, ein Nein für schnelles Handeln.
Konsens hilft nicht
Die internationale Klimapolitik kommt mit ihrem Konsensverfahren an den Klimakonferenzen an ihre Grenzen. Das Veto eines Landes reicht, um seine Interessen zu wahren. Für ein kompromissloses Bekenntnis, rasch aus den fossilen Energien auszusteigen, ist die Weltordnung zu stark polarisiert:
Die zwei grossen Treibhausgasproduzenten China und Indien investieren zwar enorm in den Ausbau der Solar- und Windenergie – und eine Verdreifachung der erneuerbaren Energie, wie sie im Beschluss von Dubai bis 2030 angepeilt werden soll, ist für die Grossmächte sogar realistisch. Trotzdem konnten sie in Dubai einen schnellen Ausstieg aus der fossilen Energie noch nicht gutheissen. Die Wirtschaften von China und Indien sind immer noch von einer Energieversorgung abgängig, die von Kohlestrom geprägt ist.
Die grösste Hürde, und das ist nicht überraschend, bleiben die in der Opec vereinten Erdöl- und Erdgasstaaten, allen voran Saudiarabien. Das Ende der fossilen Energie ist aus ihrer Perspektive nicht in Sichtweite. Die Opec geht in ihrem Businessplan davon aus, dass die Nachfrage nach Erdöl weiter steigen wird, mehr als 600 Milliarden Dollar will sie in den nächsten Jahren in neue Infrastruktur investieren.
Der Beschluss von Dubai wird sie kaum davon abhalten. Den Klimaschutz sehen sie in «sauberer Technologie» wie der Abscheidung von CO2 bei der Produktion der Brennstoffe und dessen Speicherung oder in der direkten Entnahme des Treibhausgases aus der Atmosphäre. Die Wissenschaft zeigt jedoch auf, dass diese teuren Technologien zwar notwendig sind für eine CO2-freie Energieversorgung, aber nur dort, wo es keine sauberen Alternativen gibt.
Klimakonferenzen können in einer solchen Weltordnung nicht die Lösung sein. Die Verhandlungen in Dubai haben aber immerhin gezeigt, wo die Gesellschaften der Welt inzwischen stehen. Heute sind zwei Drittel aller Vertragsstaaten bereit, für einen konsequenten Ausstieg aus den fossilen Energien einzustehen, darunter die wirtschaftsstärksten Industriestaaten und viele Entwicklungsländer wie etwa die besonders durch den Anstieg des Meeresspiegels betroffenen Inselstaaten.
Nur Bekenntnisse
Noch sind das allerdings erst Bekenntnisse. Und davon gibt es viele: die Klimapläne der einzelnen Staaten und eine lange Liste von Initiativen, wie etwa bis 2030 das starke Treibhausgas Methan bei der Produktion von Erdgas um 30 Prozent zu reduzieren oder die Brandrodung tropischer Wälder zu verhindern. Es gibt zahlreiche Kooperationen wie jene zwischen den USA und China, welche die Abkehr von der fossilen Energie beschleunigen soll. Allein schon deren Umsetzung würde die Welt schon besser machen.
Doch letztlich fehlt dazu noch der letzte Schritt: das gesellschaftliche Umdenken. Es hat zwar in Europa, in den USA und auch in der Schweiz begonnen, aber nicht mit der letzten Konsequenz. Die Emissionen sinken, aber viel zu langsam. Dass grosse Nationen wie die USA und Kanada nach wie vor zu den grössten Investoren in der Erdöl- und Gasförderung gehören, relativiert deren Glaubwürdigkeit, in den nächsten Jahren die Ambitionen im Klimaschutz massiv zu erhöhen.
Die Suche der EU nach alternativen Gasquellen, um sich von der Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien, hat zu neuen Abhängigkeiten mit anderen Gasproduzenten geführt. Auch wenn das nur vorübergehend sein sollte, so herrscht doch eine Ungewissheit, ob sich schon in wenigen Jahren in Europa die erneuerbaren Energien durchsetzen werden. Die Schweiz bekennt sich zwar per Volksentscheid langfristig zu netto null Treibhausgasen und ehrgeizigen Klimazielen, will aber vorläufig einen grossen Teil der Emissionen im Ausland reduzieren.
Der Beschluss von Dubai wird dieses Umdenken nicht fördern. Dafür muss nun jeder einzelne Staat die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Je schneller die Nachfrage nach fossiler Energie gesenkt wird, desto stärker wird das Signal an die fossile Industrie sein, den Ausstieg endgültig vorzubereiten.
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