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Klimaziele für Neuwagen
CO₂-Privileg für Luxus-Autos droht zu fallen

Weicheres Klimaziel: Ferraris profitieren heute von einer Sonderregel.
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Die Autolobby versucht in letzter Minute, das Steuer herumzureissen. Am Dienstag entscheidet der Nationalrat über einen Vorstoss von Ständerat Damian Müller (FDP): In Zukunft soll für alle Neuwagen in der Schweiz dasselbe Klimaziel gelten, also auch für luxuriöse Marken von Kleinherstellern wie zum Beispiel Ferrari. Dem ist heute nicht so – analog zur EU.

Wie sich nun zeigt, will Auto-Schweiz dieses Privileg retten. In einem Schreiben an die Nationalräte, das dieser Zeitung vorliegt, warnt der Verband der Schweizer Autoimporteure davor, die Regeln gegenüber der EU zu verschärfen. Die Schweiz hat ihre Neuwagen-Politik heute im Grossen und Ganzen auf jene der EU abgestimmt. Alle Importeure – ob hier oder jenseits der Grenze – müssen für ihre Neuwagenflotte dasselbe Klimaziel erfüllen. Können sie die Vorgabe von durchschnittlich 118 Gramm pro Kilometer und Auto nicht einhalten, müssen sie Sanktionen zahlen.

Ein abgeschwächtes Klimaziel gilt dagegen für die Marken von Kleinherstellern, die wie Ferrari in der EU weniger als 10’000 Fahrzeuge zulassen, sowie von Nischenherstellern mit 10’000 bis 300’000 Fahrzeugen. Der Bundesrat hat diese Regel von der EU übernommen und in einer Verordnung fixiert. Davon haben 2019 hierzulande von 312’000 verkauften Neuwagen rund 14’000 profitiert, 14 Marken insgesamt. Ein Ferrari etwa darf 302 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen, ein Aston Martin 311 – sanktionsfrei. Das ist mehr als doppelt so viel wie das geltende Klimaziel für Neuwagen.

EU handelt auch, aber weniger stark

Dieser «Alleingang», mahnt Auto-Schweiz, verteure Modelle diverser Marken und führe zu Fehlanreizen bei Konsumenten, würde sich doch die Wertschöpfung beim Handel mit Sportwagen ins Ausland verlagern. Für einen Ferrari 488 Spider etwa würde laut Bundesamt für Energie (BFE) eine Sanktion von etwas über 16’000 Franken resultieren, dies bei einem Listenpreis von circa 280’000 Franken. Unklar ist, inwieweit die Händler im hart umkämpften Automarkt eine solche Sanktion direkt an ihre zahlungskräftige Klientel weitergäben und wie diese darauf reagieren würde.

Sicher ist dagegen: Das Privileg wankt auch im Ausland. Die EU will das Spezialziel für Nischenhersteller ebenfalls abschaffen – allerdings erst 2028, und jenes für Kleinhersteller gar nicht. Indes, und darauf geht Auto-Schweiz im Schreiben nicht ein, hat die EU ihr Klimaziel für das Jahr 2030 jüngst deutlich verschärft. Es ist deshalb gut möglich, dass sie über die Bücher geht und das Privileg sowohl für Nischen- als auch für Kleinhersteller noch vor 2028 abschafft. Die EU-Kommission will bis Juni darüber informieren.

Derweil scheint Müllers Vorstoss im Parlament gute Chancen zu haben. Die Hürde im Ständerat hat er bereits passiert, die vorberatende Kommission des Nationalrats hat ihn mit 13 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen deutlich gutgeheissen – dem Vernehmen nach gegen den Willen der SVP-Vertreter. Warum sollen Sportwagenhersteller wie etwa Porsche dasselbe Klimaziel wie alle anderen erfüllen, Ferrari aber nicht? Das Argument der Gleichbehandlung hat offenbar gestochen.

«Die Autoimporteure versuchen, die Bauern vor ihren Karren zu spannen.»

Stefan Müller-Altermatt, Nationalrat Die Mitte

Dagegen anzukämpfen, ist nicht leicht, zumal in einem Parlament, das seit den letzten Wahlen klimapolitisch sensibler geworden ist. Auto-Schweiz versucht es denn auch auf anderem Weg: Von der Neuregelung, heisst es im Schreiben, wären auch «beliebte Kleinwagen» betroffen. In der Tat profitieren heute Marken wie Subaru oder Suzuki ebenfalls von weniger strengen CO2-Zielen. Ein Suzuki Swift etwa würde ohne diese Bevorzugung rund 1200 Franken teurer, was mehr als 6 Prozent des Kaufpreises ausmachen würde, rechnet Auto-Schweiz vor. Das BFE bestätigt diese Berechnung, weist aber daraufhin, dass andere Fahrzeuge desselben Herstellers wie etwa der Vitara nur maximal 0,5 Prozent teurer würden.

Höhere Kosten für Normalbürger: Das Argument ist jedenfalls platziert, auch bei der einflussreichen Bauernlobby im Parlament. Denn es sind nicht zuletzt die Landwirte, die Subarus und Suzukis kaufen. Bauernchef und Mitte-Nationalrat Markus Ritter sagt, er habe seine Haltung zu Müllers Vorstoss noch nicht festgelegt. «Wir werden in der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier sicher noch darüber diskutieren.»

Die Taktik von Auto-Schweiz provoziert Kritik: «Die Autoimporteure versuchen, die Bauern vor ihren Karren zu spannen», sagt Ritters Parteikollege Stefan Müller-Altermatt. Es sei mitnichten so, dass die Bauern mit der Abschaffung der Sonderregel automatisch teurere Autos erhalten würden. Subaru etwa habe in den letzten Jahren vorwärtsgemacht, was den Spritverbrauch betreffe. «Hält der Importeur das Flottenziel ein, bezahlt der Bauer exakt gleich viel für das Auto.» Profitieren, so Müller-Altermatt, würden von einem Nein zu Damian Müllers Vorstoss andere: die Fahrer von Ferrari, Jaguar und Co., also von schweren, hoch motorisierten Fahrzeugen, deren CO2-Ausstoss weit überdurchschnittlich bleibe.