Kommentar zu Elektronik aus ChinaIn der Lieferkette von Handys besteht Handlungsbedarf
Auch die Schweiz sollte die Regelungen bei der Lieferkette verschärfen. Beim Volk dürfte die Unterstützung dafür da sein, und in Europa würde die Schweiz nicht am Rand stehen.
Kurz vor dem Black Friday zeigt eine neue Undercoverrecherche der Nichtregierungsorganisation (NGO) China Labor Watch, wie prekär die Beschäftigungsbedingungen in einzelnen chinesischen Fabriken sind. Und zwar in Werken, in denen Unterhaltungselektronik wie unsere Handys gefertigt wird.
Eine Recherche der Organisation Solidar Suisse belegt passend dazu, wie wenig eine saubere Lieferkette und deren Kontrolle im Schweizer Elektronik-Detailhandel ein Thema sind. Im Gegenteil: Sie zeigt auf, wie gross bei den Händlern der Nachholbedarf bei der Transparenz ist. Die Käuferinnen und Käufer wissen nicht, unter welchen Bedingungen ihre Smartphones hergestellt wurden.
Rückblende in den Herbst 2020: Damals scheiterte die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) denkbar knapp am Ständemehr, wurde aber von einer Mehrheit der Stimmberechtigten angenommen. Als Reaktion auf die Initiative wurde der indirekte Gegenvorschlag umgesetzt. Er verpflichtet Unternehmen ab 500 Angestellten dazu, einen Nachhaltigkeitsbericht vorzulegen.
Nur: Wer schon einmal die Hochglanz-Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen gelesen hat, wird berechtigte Zweifel an der Wirkung dieser Massnahmen haben.
EU macht vorwärts
Die Schweizer Politik sollte sich nun daran erinnern, dass die Zustimmung für die Konzernverantwortungsinitiave nicht gerade klein war – und zwar bevor sie den Anschluss verpasst. Das zeigt ein Blick ins Ausland: Bereits ab diesem Jahr müssen alle Unternehmen mit Hauptsitz oder einem Standort in Deutschland und mindestens 3000 Angestellten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten umsetzen.
Nächstes Jahr wird das Gesetz dann bereits ab 1000 Angestellten im Inland greifen. 2024 soll auch das weitreichendere EU-weite Lieferkettengesetz in Kraft treten, um dessen konkrete Umsetzung noch gerungen wird. Im Rahmen dessen sollen Konzerne auch für Verstösse, die sie direkt oder indirekt etwa durch ihre Zulieferer oder Tochterfirmen (mit)verursacht haben, haftbar gemacht werden können.
Dass dies wohl durchaus eine Hebelwirkung haben kann, zeigt eine von der chinesischen Handelskammer in der EU in Auftrag gegebene Umfrage aus dem Jahr 2022. Dieser zufolge zeigen sich chinesische Unternehmen besorgt über die Auswirkungen des EU-Lieferkettengesetzes.
Öffentliche Beschaffungen als Druckmittel
Doch hört man sich bei Elektronikhändlern um, gibt es einen Hebel, der in der Industrie für ein Umdenken sorgt: Es sind die Beschaffungsprojekte der öffentlichen Hand. Allein in der Schweiz betrifft das jedes Jahr Geschäfte im Umfang von rund 40 Milliarden Franken – damit können Marktsignale gesetzt werden.
Seit 2021 die überarbeiteten Regeln für die öffentliche Beschaffung in Kraft getreten sind, kann ein Auftrag so ablaufen, dass nicht mehr das günstigste, sondern das vorteilhafteste Produkt beschafft wird. Was bereits für etwas Druck bei den Unternehmen sorgt.
Die Luft für Verstösse gegen eine nachhaltige Produktion wird also generell dünner, die Schweiz sollte dabei nicht am Rand stehen. Und die Elektronik-Detailhändler sollten sich wohl bereits auf anspruchsvollere Zeiten einstellen.
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