Interview zum Ende von Homeoffice«Ein grosser Teil hat die Arbeitsformen in der Pandemie lieb gewonnen»
Weiter wie vor der Pandemie oder alles neu? Laut Arbeitspsychologin Theresia Leuenberger von der Fachhochschule Nordwestschweiz beginnt jetzt die Suche nach dem «New Work».
Frau Leuenberger, der Bundesrat hat die Homeoffice-Pflicht zu einer Empfehlung abgeschwächt, die ebenfalls bald fallen dürfte. Wie hat die Heimarbeit die Wirtschaft verändert?
Viele Menschen haben für sich erkannt, dass sie gewisse Tätigkeiten im Homeoffice besser ausüben können als im Büro. Sie schätzen es vor allem, wenn sie konzentriert arbeiten wollen und nicht auf Zusammenarbeit mit anderen angewiesen sind. Auch dass sie ihre Arbeitsumgebung im Griff haben, zum Beispiel die Temperatur, hat vielen gefallen. Dass die Leute das entdeckt haben, wird die Arbeitswelt nachhaltig beeinflussen. Wie genau, wird sich jetzt weisen. Viele Firmen gehen jetzt in eine Phase des Experimentierens über.
Wovon hängt ab, wie diese ausgeht?
Vor allem von den Vorgesetzten. Sie dürfen nicht so tun, als hätte es die Pandemie nie gegeben. Stattdessen müssen sie die Homeoffice-Zeit mit den Mitarbeitenden auswerten und prüfen, was man davon in die neue Arbeitswelt mitnehmen kann. Für die einen mag das flexiblere Arbeitszeiten oder einen legeren Dresscode bedeuten, für die anderen ein Kräuterbeet auf der Büroterrasse, weil sie im Homeoffice zu gärtnern begonnen haben.
Das Homeoffice verändert also auch das klassische Büro.
Ja, weil es zu einem herausfordernden Mix kommen wird: Einerseits werden jetzt wieder die klassischen physischen Teamsitzungen stattfinden. Andererseits werden viele Meetings, zum Beispiel mit Kunden, digital durchgeführt werden. Dafür braucht es Rückzugsräume mit der entsprechenden Infrastruktur. Die Büros von vor der Pandemie sind ungeeignet dafür, diese Arbeitsformen nebeneinander zu ermöglichen.
Solche Umbauten sind teuer. Überhaupt kosten Büroflächen ein Heidengeld. So mancher Finanzchef wäre dafür, dass die Leute gleich ganz im Homeoffice bleiben.
Das ist ganz sicher keine Patentlösung für alle. Sogar bei wissensbasierten Arbeiten, wo Homeoffice von der Aufgabe her gut möglich ist, stellt der Austausch zwischen den Angestellten einen wichtigen Schlüssel zum Erfolg dar. Es ist erstens einfacher, Ideen kreativ weiterzuentwickeln und komplexe Angelegenheiten zu koordinieren, wenn man am gleichen Ort ist. Zweitens kam die soziale Komponente in den letzten Monaten zu kurz, beim Kaffee oder Mittagessen entspannt über Sport, die Familie und auch die Arbeit zu plaudern. Solche Begegnungen entlasten und erhöhen die Identifikation mit der Firma. Homeoffice wirkt wie eine Zentrifuge, die die Menschen voneinander entfernt. Jetzt braucht es Prozesse, die sie einander wieder näherkommen lassen.
Trotzdem gibt es einige Angestellte, die am liebsten für immer im Homeoffice bleiben würden. Was sagen solche Wünsche über diese Menschen aus?
Ich könnte mir vorstellen, dass insbesondere Personen Homeoffice mögen, für die soziale Interaktion anstrengend ist. Natürlich gilt das auch für solche mit langem Arbeitsweg. Ein grosser Teil der Arbeitnehmenden hat darum die Arbeitsformen in der Pandemie lieb gewonnen und möchte sie zumindest teilweise auch zukünftig beibehalten.
Ihnen ist Ihr Laptop im Homeoffice auf die Füsse gefallen und Sie mussten deswegen in den Notfall? Sie haben keine Hose angezogen und sind während der Videokonferenz aufgestanden? Schicken Sie uns Ihre skurrilsten, Ihre peinlichsten und Ihre schönsten Homeoffice-Erlebnisse an wirtschaft@tamedia.ch mit dem Betreff: Adieu Homeoffice.
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