Zürcher FinanzenErnst Stocker will an den Topf mit den Grundstückgewinnsteuern
Dem Kanton Zürich geht es finanziell besser als erwartet. Doch Finanzdirektor Stocker macht sich Sorgen wegen steigender Schulden und Ansprüche.
Die Finanzaussichten des Kantons Zürich waren düster – zumindest im letzten Herbst. So plante SVP-Finanzdirektor Ernst Stocker mit einem Minus von 442 Millionen Franken für 2025. Für die Folgejahre waren in der Finanzplanung jeweils ebenfalls hohe dreistellige Millionendefizite vermerkt.
Nun scheint es anders zu kommen. Am Freitag veröffentlichte Stocker das Budget 2025 des Regierungsrats. Das Minus beträgt nur noch 37 Millionen. Beim Zürcher 19-Milliarden-Haushalt entspricht dies knapp 0,2 Prozent des Aufwands, man spricht in der Branche jeweils von einer roten Null. Zum Vergleich: Das Budget für 2024 rechnet mit einem Minus von 189 Millionen Franken.
Auch in den Jahren nach 2025 sollte es finanziell besser aussehen als gedacht. Ab 2027 rechnet Stocker bereits mit schwarzen Zahlen, ab 2028 sogar in dreistelliger Millionenhöhe.
Gute Wirtschaftslage hilft
Hauptgrund für die verbesserten Aussichten ist die gute Wirtschaftslage. Die Steuereinnahmen steigen stärker als erwartet, obwohl der Steuerfuss gesenkt wurde und auf Anfang 2025 auch noch der Gewinnsteuersatz für die Firmen nach unten angepasst werden soll.
Kommt hinzu, dass es den Gemeinden so gut geht, dass sie viel mehr in den kantonalen Finanzausgleich einschiessen. Für den Kanton Zürich hat dies zur Folge, dass er 137 Millionen weniger in den Ausgleich zahlen muss.
Auch für den nationalen Finanzausgleich muss der Kanton Zürich 42 Millionen weniger abgeben, weil die Finanzkraft seiner Steuerzahlenden weniger stark steigt als in anderen Kantonen.
Schulden wachsen stark an
Für Finanzdirektor Stocker sind die neusten Zahlen und Entwicklungen nicht so gut, wie sie auf den ersten Blick aussehen. «Wir werden den Tanker Kanton Zürich auf Kurs halten», gab er sich zwar optimistisch.
Doch Stocker hielt am Freitag vor allem den Mahnfinger hoch. Das eigene Geld reiche nicht mehr, damit der Kanton seine Investitionen selber zahlen könne. Seit 2022 ist der Selbstfinanzierungsgrad zeitweise auf unter 30 Prozent gefallen, und der Kanton musste viel Fremdkapital aufnehmen.
Dadurch steigen die Schulden um über eine Milliarde auf rund 5 Milliarden Franken bis Ende 2024. Ohne Gegenmassnahme kämen für die folgenden drei Jahre noch weitere 3,1 Milliarden dazu.
Darum hat Stocker die Notbremse gezogen und für die nächsten zwei Jahre sämtliche Bauprojekte überprüft. Einerseits wolle man günstiger bauen und etwa beim Bau von Schulen vermehrt auf Provisorien setzen.
Gymi und Tram kommen später
Ein Teil der Bauprojekte ist zurückgestellt worden, wie Stocker weiter sagte. So werden die Kantonsschule Knonauer Amt, das Gefängnis Zürich und auch die Tramlinie in Zürich-Affoltern in der Prioritätenliste zurückfallen.
Stocker betonte aber, dass diese Bauvorhaben nur verschoben, nicht gestrichen würden. Er wisse, dass dies nicht überall gut ankomme, sagt der Finanzdirektor, aber: «Wir können nicht allen alle Wünsche erfüllen.»
Mit der neuen Priorisierung der Investitionen kann Stocker das Schuldenwachstum bis 2028 auf 1,5 Milliarden Franken beschränken. Der Selbstfinanzierungsgrad werde sich von gegenwärtig 52 auf 89 Prozent im Jahr 2028 verbessern.
Am Verkauf von Häusern partizipieren
Um den Haushalt im Lot zu halten, will der Regierungsrat zusätzlich eine neue Geldquelle erschliessen: die Grundstückgewinnsteuer. Wenn Hauseigentümer ihre Liegenschaften verkaufen, fällt diese Steuer bisher ausschliesslich in den Gemeinden an. Diese verdienen daran sehr gut. 2023 hat etwa die Stadt Zürich 461 Millionen Franken eingenommen, was fast fünfmal mehr ist als noch vor 14 Jahren.
In allen Städten und Gemeinden zusammen betrugen die Einnahmen aus den Grundstückgewinnsteuern gut 1,2 Milliarden, dreimal mehr als 2008.
Stocker sagte vor den Medien zu seiner Idee: «Ich weiss, ich begebe mich auf dünnes Eis. Aber so wie heute kann es nicht weitergehen.»
Er spielte darauf an, dass der Kanton den Gemeinden höhere Beiträge an die Ergänzungsleistungen und an den Gemeindestrassenbau leisten muss. Laut Stocker verliert der Kanton dadurch in den kommenden vier Jahren über eine Milliarde Franken.
Eine Beteiligung des Kantons an den Grundstückgewinnsteuern sei in der Schweiz üblich. Ausser Zürich und Zug würden alle Kantone zu mindestens 25 Prozent daran partizipieren, so Stocker.
Aus seiner Sicht ist dies gerechtfertigt, denn der Anstieg der Immobilienpreise werde häufig durch die Investitionen des Kantons in den öffentlichen Verkehr mitverursacht. Wie viel der Kanton abschöpfen will, sagte Stocker nicht. «Unsere Forderungen werden sich in einem erträglichen Rahmen halten.»
Parteien kommentieren noch nicht
Wie Stockers Angriff auf die Grundstückgewinnsteuern bei den Parteien ankommt, ist noch unklar. Einzig die EVP äusserte sich am Freitag dazu: «Wir werden das mit allen Mitteln bekämpfen», schreibt die Partei. Die anderen Parteien verzichteten in ihren Medienmitteilungen zum Budget auf einen Kommentar dazu.
Die Grünen schreiben lediglich von einem «No Future»-Budget wegen der gekürzten Investitionen, die SP beklagt die Steuergeschenke an Grossaktionäre, die FDP das Personalwachstum. Die Freisinnigen begrüssen zusammen mit der SVP den Investitionsstopp. Die GLP warnt vor schwierigen Zeiten und beurteilt Stockers Budget als zu optimistisch.
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