BudgetdebatteDer Kantonsrat meint es ernst mit der «Personalbremse»
Lehrerinnen, Pflegende, Steuerbeamte: Die Anzahl Stellen soll beim Kanton künftig weniger stark ansteigen als bisher. Für 2024 strich das Parlament schon einmal Gefängnisstellen.
Das Kantonsparlament hat am Montag die Diskussionen ums 19-Milliarden-Budget 2024 aufgenommen. Der Regierungsrat plante mit einem Defizit von 370 Millionen Franken. Doch dieses ist den Bürgerlichen zu hoch. Deshalb hat die Mehrheit des Parlaments gleich vier Pflöcke eingeschlagen.
Erstens hat die Allianz aus SVP, FDP, Mitte und GLP einmal mehr das Sammelkonto 4950 ins Visier genommen. Bei diesem auch Reptilienfonds genannten Spezialkonto werden keine konkreten Leistungen verbucht. Trotzdem nutzt es der Kantonsrat regelmässig dazu, um pauschal zu sparen – dieses Mal 175 Millionen. SP, Grüne und EVP wehrten sich vergeblich. So sagte Selma L’Orange Seigo (Grüne): «Sparen ohne konkreten Auftrag ist Quatsch.» Und EVP-Sprecher Markus Schaaf meinte: «Wir sind gegen diese Sparmassnahme, auch wenn sie keine konkreten Auswirkungen hat.»
Die Grünen scheiterten ihrerseits mit dem Versuch, den Reptilienfonds um 1 Steuerprozent (75 Millionen) aufzustocken, um damit die Umsetzung der Klimastrategie zu forcieren. Eine Mehrheit mit 106 Stimmen war für den 175-Millionen-Sparantrag der Finanzkommission (Fiko).
Personalbremse und weiterer Sparauftrag
Dieselbe Mehrheit setzte sich auch in den Abstimmungen zu zwei sogenannten KEF-Erklärungen durch. Sie beziehen sich auf den sogenannten Konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan des Regierungsrats für die Jahre 2025 bis 2027. Als zweiter Pflock soll also eine «Personalbremse» eingeführt werden. Sie würde das prozentuale Personalwachstum auf das Wachstum der Bevölkerung beschränken. Ursprung dieser Forderung ist der Unmut der rechten Ratsseite, dass im kommenden Jahr mehr als 1300 neue kantonale Stellen geschaffen werden.
«Wenn es mit dem Personalwachstum weitergeht wie in der Vergangenheit, werden wir irgendwann alle beim Staat arbeiten», sagte Martin Huber (FDP). Thomas Forrer (Grüne) hielt den Bürgerlichen vor, in den Direktionen ihrer Regierungsmitglieder Ernst Stocker (SVP) und Carmen Walker Späh (FDP) sei das Personalwachstum am grössten – ganz im Gegensatz zur Baudirektion von Martin Neukom (Grüne).
Der dritte Pflock ist eine längerfristige Budgetreduktion. Die Regierung soll die geplanten Defizite in den kommenden Jahren um jeweils 250 Millionen verbessern, damit die Kantonsfinanzen mittelfristig wieder ausgeglichen sind. Dazu meinte Judith Stofer (AL): «Wir entmachten uns selber, wenn wir es dem Regierungsrat überlassen, wo das Budget abgespeckt wird.»
Nun muss sich der Regierungsrat im neuen Jahr zu den beiden Aufträgen äussern. Wenn er sie nicht umsetzen will, kann ihn die Kantonsratsmehrheit aber dazu zwingen, indem er die KEF-Erklärungen in verbindliche Finanzmotionen umwandelt. Dazu ist allerdings eine weitere Abstimmung im Rat nötig.
Weniger Mittel für den Justizvollzug
Es ging gestern nicht nur um die ganz grossen Zahlen, sondern auch um kleinere, wenngleich substanzielle Positionen. So kürzte das Parlament – als vierter Pflock – neue Stellen beim Gefängnis Zürich West (GZW), was 5 Millionen ausmacht. Es war viel von der fehlerhaften Stellenplanung im GZW die Rede. Doch für Stefan Schmid (SVP) ist ein Kostenwachstum von 52 Prozent nicht mit dieser Fehlplanung erklärbar. Dieser Haltung schlossen sich FDP, Mitte, GLP und EVP an.
Die Kürzung rief auf der Gegenseite scharfe Kritik hervor. Silvia Rigoni (Grüne) sah sich in ihrer generellen Haltung gegen das neue Polizei- und Justizzentrum (PJZ) bestätigt. Die Bürgerlichen hätten von neuer Effizienz im PJZ gesprochen. Diese Aussagen seien nun als «Geschwurbel» entlarvt. SP-Sprecherin Leandra Columberg (SP) sprach von einer «Trotzreaktion».
Justizdirektion Jacqueline Fehr (SP) reagierte verärgert. «Ich hätte eigentlich Dank und nicht Geringschätzung für das Personal erwartet.» Laut Fehr braucht der Justizvollzug die beantragten Mittel, wenn sie im GZW den verlangten 24-Stunden-Vollbetrieb bieten müsse. Sie kündigte deshalb an: «Sie werden das in der Rechnung am Ende sehen.» Gleichwohl wurde die 5-Millionen-Kürzung mit 114:57 Stimmen bewilligt.
1 oder 2 Prozent senken?
Zuvor hatten die Parteien und Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) in der Grundsatzdebatte ihre Positionen markiert. Fiko-Präsident Tobias Weidmann (SVP) sagte, die Finanzplanung der Regierung bis 2027 sehe eine Zunahme der Ausgaben um 1,7 Milliarden vor, wobei die erwarteten (Steuer-)Einnahmen «nur» um 1 Milliarde zunähmen. Damit würde der sogenannte mittelfristige Ausgleich der Erfolgsrechnung nicht ganz erreicht. In der Periode 2020 bis 2027 resultiert ein Defizit von rund 350 Millionen. Wichtig ist dies, weil das Gesetz vorschreibt, dass eine achtjährige Periode – vier Jahre zurück und vier Jahre vorwärts – mindestens ausgeglichen sein soll.
Die Sprecher der bürgerlichen Parteien thematisierten in ihren Voten neben dem Personalwachstum vor allem den Steuerfuss. Der Kanton Zürich müsse attraktiver und wettbewerbsfähiger werden, sagte Karl Heinz Meyer (SVP). Er will den Staatssteuerfuss um 2 Prozentpunkte auf 97 Prozent senken.
Die Steuersenkung müsse «spürbar und damit wirksam» sein, sagte Beat Habegger (FDP) und erinnerte den Regierungsrat an ein «Versprechen» von 2022. Tatsächlich hatte Stocker eine 2-prozentige Senkung angekündigt, diese aber vor gut drei Monaten auf 1 Prozentpunkt gesenkt. Grund war das veranschlagte hohe Defizit. «Wir müssen glaubwürdig bleiben», sagte Stocker Ende August. Habeggers FDP will die Steuern gleichwohl um 2 Prozentpunkte senken, während sich die Sprecher der Mitte und GLP mit 1 Prozentpunkt begnügen.
SP und Grüne opponieren
Weder mit einer Steuersenkung noch mit dem Budget gemäss Fiko einverstanden ist die Linke. SP-Sprecherin Hannah Pfalzgraf vermisste Entlastungen für die Bevölkerung – etwa bei den Gesundheitskosten – und Investitionen in den Klimaschutz. Die geplanten Steuersenkungen entlasteten nur die Wohlhabenden, sagte sie. Haushalte mit einem Durchschnittseinkommen sparten 17 Franken (Alleinstehende) oder 35 Franken (Verheiratete). Das reiche gerade für eine Falafel und ein Bier. Ähnlich äusserten sich die Grünen, während AL-Sprecher Manuel Sahli es kerniger formulierte: Das Geld aus den Steuersenkungen lande «in den Taschen der SVP- und FDP-Bonzen».
Finanzdirektor Ernst Stocker erwiderte, man müsse auch einmal die starken Steuerzahler berücksichtigen. Ein Viertel der Steuerpflichtigen zahle 80 Prozent der Steuern. Und bei den Unternehmen seien es 2 Prozent, die vier Fünftel des Steueraufkommens berappten.
Die Budgetdebatte wird am Dienstag fortgesetzt, wobei auch der Steuerfuss für die Jahre 2024 und 2025 bestimmt wird.
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