Briefpost-ReformBleibt die A-Post? Die wichtigsten Antworten zu Röstis Plänen
Der Bundesrat will in Zukunft mehr verspätete Briefe zulassen. Und: Künftig muss die Post 60’000 abgelegene Häuser nicht mehr direkt bedienen. Kritiker sprechen von einem Abbau des Service public.
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Was sich abgezeichnet hat, ist nun Tatsache: Die A-Post bleibt bis auf weiteres bestehen. Doch bei der Post plant der Bundesrat andere Neuerungen. Albert Rösti hat am Freitag informiert.
Was wird neu?
Die Post muss künftig nur noch mindestens 90 Prozent der Briefe fristgerecht zustellen. Heute liegt die Vorgabe bei 97 Prozent – und wird von der Post jeweils erfüllt. Auch bei den Paketen senkt der Bundesrat die Vorgabe, von 95 auf 90 Prozent. Diese Lockerung soll der Post mehr Flexibilität bei der Zustellung ermöglichen.
Was heisst das für die Kundschaft?
Weniger Gewissheit. Wer zum Beispiel einen A-Post-Brief verschickt, hat in Zukunft weniger Gewähr als heute, dass der Brief auch wirklich am nächsten Tag ankommt. Kritiker sehen darin eine Abschaffung der bewährten A-Post. Albert Rösti widerspricht. Einen Qualitätsabbau sieht er nicht. «Wir gehen nicht davon aus, dass die Post auf dieses Minimum von 90 Prozent geht.» Ziel sei es einzig, der Post mehr Spielraum zu geben, etwa während der Weihnachtszeit oder in der Zeit um den Black Friday. Zudem: Selbst mit der neuen Vorgabe habe die Schweiz weiterhin «die besten Zustellbedingungen» im europäischen Raum.

Gibt es sonst noch Änderungen?
Ja. Seit 2021 ist die Post verpflichtet, alle ganzjährig bewohnten Häuser zu beliefern. Auch hier lockert der Bundesrat die Regeln und kehrt zur Lösung vor 2021 zurück. Künftig muss die Post die Sendungen grundsätzlich nur noch in ganzjährig bewohnten Siedlungen zustellen; das sind fünf Häuser auf einer Fläche von einer Hektare. Für abgelegene Einzelhäuser muss die Post neu eine Ersatzlösung finden, etwa eine Reduktion der Zustellfrequenz, ein Postfach oder einen alternativen Zustellpunkt, etwa an der nächstgelegenen Weggabelung, an der der Postbote auf seiner Tour vorbeikommt. Betroffen sind gut 60’000 Häuser, also etwa 3 Prozent der ganzjährig bewohnten Häuser. «Wir vernachlässigen die Bevölkerung im ländlichen Raum nicht», zeigt sich Rösti überzeugt.
Warum diese Reform?
Der Bundesrat argumentiert, die heutigen Vorgaben würden in der Grundversorgung hohe Kosten verursachen. Sie zwängen die Post zu Investitionen in eine «überdimensionierte» Infrastruktur, die nur in Ausnahmefällen ausgelastet sei. Die Zustellung in abgelegene Häuser sei für die Postmitarbeitenden oft mit langen Wegen verbunden.
Gibt es tatsächlich immer weniger Briefe?
Ja. Briefe werden in der Schweiz immer seltener geschrieben – und spediert. Die Zahl der von der Schweizerischen Post beförderten Briefe ging in den letzten zehn Jahren von 2,2 Millionen auf 1,6 Milliarden zurück. Seit 2000 beträgt der Rückgang 40 Prozent; damit ist der Aufwand in der Zustellung pro Brief deutlich gestiegen. Auch die A-Post-Zustellungen sind rückläufig, jeder vierte Brief wird so verschickt. Bis 2030 rechnet die Post mit einer weiteren Abnahme des Briefvolumens um rund 30 Prozent.
Gibt es weitere Neuerungen?
Ja. Der Bundesrat will der fortschreitenden Digitalisierung verstärkt Rechnung tragen. Künftig gehört ein digitaler Brief zur Grundversorgung. Die Nutzung dieses Angebots bleibt freiwillig. Weit fortgeschritten ist die Digitalisierung auch im Zahlungsverkehr. Trotzdem erfüllt Bargeld nach Ansicht des Bundesrats weiterhin wichtige Funktionen, es trägt etwa zur Widerstandsfähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft bei. Die Grundversorgung umfasst damit weiterhin den analogen Zahlungsverkehr in bar.
Spart die Post nun Geld?
Ja. Die Massnahmen entlasteten die Post ab 2026 um bis zu 45 Millionen Franken pro Jahr, rechnet der Bundesrat vor. Die Finanzierung der Grundversorgung sei damit vorläufig sichergestellt. Der Bundesrat macht aber klar, dass es weitere Schritte brauchen wird, um die Grundversorgung ab 2030 umfassend zu modernisieren. Im nächsten Jahr wird das Uvek, Röstis Departement, dem Bundesrat die Eckwerte für eine Revision des Postgesetzes unterbreiten. «Mittelfristig wird der finanzielle Druck auf die Post weiter zunehmen», sagt Rösti. Irgendwann werde die Post die Grundversorgung nicht mehr aus eigener Kraft stemmen können.
Entscheidet das Parlament über die aktuelle Reform?
Nein. Der Bundesrat setzt sie in der Postverordnung um, also ohne Mitsprache des Parlaments. Röstis Departement wird nun eine Vorlage ausarbeiten und dem Bundesrat bis Ende Februar 2025 unterbreiten.
Wollte Rösti die A-Post nicht abschaffen?
Er wälzte laut Medienberichten entsprechende Pläne. Briefe sollten nicht wie heute mit der A-Post am nächsten Tag, sondern innerhalb von zwei Werktagen zugestellt werden müssen. Zudem sollte die Post zur Zustellung nur noch an drei Tagen pro Woche verpflichtet sein. Ende Mai aber hat die Post angekündigt, weitere 170 Filialen zu schliessen – was neue Kosteneinsparungen bringt und damit laut Rösti eine veränderte Ausgangslage. Dieser Ansatz sei zielführender, machte Rösti klar. «Ich will, dass die Post der Bevölkerung so lange wie möglich an fünf Tagen zugestellt wird.» Rösti geht «nach heutiger Kenntnis» nicht davon aus, dass die A-Post in den nächsten Jahren abgeschafft wird.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Die Gewerkschaft Syndicom warnt vor einem Abbau des Service public. Mit der neuen Regelung für abgelegene Häuser missachte der Bundesrat, dass er selber 2021 – auf Geheiss des Parlaments – genau für diesen Bereich Verschärfungen beschlossen habe. Abzuwarten bleibt laut Syndicom, ob die Reduktion der Laufzeitvorgabe bei Paketen und Briefen Druck vom stark belasteten Personal nehmen wird. Es hänge stark davon ab, ob und – falls ja – wie die Post diesen neuen Spielraum nutzen werde. Es seien auch gegenteilige Effekte denkbar.
Was sagt die Post?
Die Post begrüsst die Vorschläge des Bundesrats. Sie seien ein erster wichtiger Schritt hin zu einem «zukunftsgerichteten» Auftrag für die Post. Zusätzlich braucht es laut Post eine politische Diskussion darüber, wie der Grundversorgungsauftrag ab 2030 aussehen soll.
Wie steht die Schweiz im Vergleich mit dem Ausland da?
Die Schweizer Post liegt bei den Briefpreisen in Europa im oberen Mittelfeld – Spitzenreiter ist Dänemark mit mehr als dreimal so hohen Briefporti, während die Postunternehmen in Malta und Zypern weniger als 50 Rappen pro spedierten Standardbrief verlangen.
Nicht nur in der Schweiz, fast überall in Europa finden Diskussionen über Einschränkungen statt. Hier einige Beispiele.
Dänemark
In Dänemark wird die Briefpost seit 2016 nur noch einmal pro Woche an Privatadressen ausgeliefert. Seit Anfang Jahr müssen Postunternehmen – etwa die nationale Post Nord – allerdings keinen Vollservice für alle Einwohner mehr anbieten. 2024 sollen zudem 1000 Briefkästen verschwinden, damit die Konsumentinnen noch stärker auf Papierpost verzichten und stattdessen digital korrespondieren. Der Preis für einen Standardbrief mit einer Lieferdauer von bis zu 5 Tagen kommt aktuell auf 3.15 Franken zu stehen. Die Lieferung in einem Tag kostet 4.40 Franken. Das führt zur absurden Situation, dass Briefe ins Ausland mit 2.50 Franken günstiger sind als inländische Post.
Deutschland
Sollte der deutsche Bundesrat – das Gremium der Bundesländer – im Juli wie bereits der Bundestag einem Reformvorschlag zustimmen, hätte die Deutsche Post bei der Zustellung von Briefen in Zukunft mehr Zeit: 95 Prozent der Briefpost müssten nicht mehr nach zwei, sondern neu erst nach drei Werktagen beim Empfänger ankommen.
Begründet wird das Vorhaben mit Klimavorteilen: Die Deutsche Post müsste nach der neuen Regel keine Flugzeuge mehr für Briefe einsetzen, die im Inland versandt werden. Damit würden auch die Kosten sinken. Eine Preiserhöhung konnte die Post 2023 nicht durchsetzen. Die zuständige Bundesnetzagentur lehnte die Forderung ab.
Frankreich
In Frankreich subventioniert der Staat zwischen 2021 und 2025 La Poste mit 2,6 Milliarden Euro, damit Standardbriefe innert drei Tagen ankommen. Deren Porto beträgt 1.20 Franken. Kunden, die einen schnelleren Versand wünschen, müssen tiefer in die Tasche greifen: Briefe der Kategorie «Lettre Services Plus» bis 20 Gramm Gewicht, die spätestens am übernächsten Tag ankommen, kosten 2.80 Franken.
Vereinigtes Königreich
In London ist aktuell eine Diskussion darüber im Gang, ob Postunternehmen wie die Royal Mail weiterhin verpflichtet sein sollen, die Briefzustellung im ganzen Land zu anbieten. Die «universal service obligation» schreibt Lieferungen an alle Adressen des Landes zu einem fixen Preis und an sechs Tagen pro Woche vor. Die Royal Mail möchte die Postzustellung auf Montag bis Freitag begrenzen. Teile der Wirtschaft fürchteten, dass bald nur noch an drei Tagen pro Woche ausgeliefert werden könnte, schreibt die Zeitung «The Guardian».
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