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Bodentruppen in der Ukraine
«Flop», «Fiasko» – Macron erleidet Schiffbruch mit seinem Gedankenspiel

TOPSHOT - French President Emmanuel Macron gestures as he speaks during a press conference at the end of the international conference aimed at strengthening Western support for Ukraine, at the Elysee presidential palace in Paris, on February 26, 2024. The meeting at the Elysee Palace will be a chance for participants to "reaffirm their unity as well as their determination to defeat the war of aggression waged by Russia in Ukraine", the French presidency said. (Photo by GONZALO FUENTES / POOL / AFP)
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Ein «Flop». Ein «Fiasko». Eine «folie», eine Verrücktheit. Emmanuel Macrons mehr oder weniger improvisierte Aussage zu westlichen Bodentruppen in der Ukraine bei einer Pressekonferenz im Élysée am Montagabend hat eine Welle von Reaktionen ausgelöst, ziemlich weltweit. Auch in Frankreich selbst. Die Schlagzeilen in den Medien, die Voten von französischen Politikern und Experten, sie schmeicheln dem Präsidenten nicht.

Zur Erinnerung: Nach einer Pariser Hilfskonferenz für die Ukraine, die er selbst initiiert hatte, fragte ihn eine Journalistin, was er denn von der Idee halte, westliche Bodentruppen ins angegriffene Land zu entsenden, ob darüber auch diskutiert worden sei beim Gipfel. Macron sagte, man habe über alles geredet, frei und direkt, auch über die eventuelle Entsendung von westlichen Truppen in die Ukraine. Weil nun mal alles unternommen werden müsse, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen könne. Einen Konsens in dieser Frage gebe es unter den Alliierten heute aber nicht.

Alle distanzieren sich

Die Genese des «Tabubruchs», wie er auch genannt wird, ist deshalb wichtig, weil sie Aufschluss geben könnte über den tatsächlichen Grad von Macrons Absicht, über Bodentruppen zu sprechen. Hätte er das Thema überhaupt erwähnt, wenn er nicht gefragt worden wäre? Eher nicht, finden die meisten Exegeten des Macronismus, weil das schon in seiner Einstiegsadresse möglich gewesen wäre. Nein, das sei einfach so passiert, heisst es. Ohne Absprache mit den Alliierten dann noch, wie man nur Stunden danach erfahren sollte: Alle distanzierten sich vom Gedankenspiel des Franzosen – die Deutschen, die Briten, die Amerikaner, aber auch alle anderen. Plötzlich stand der, der Einigkeit und Entschlossenheit vorexerzieren wollte, selbst isoliert da.

Die Wochenzeitung «Le Canard enchaîné» sprach mit Leuten aus dem Generalstab der Armee, und auch mit ihnen hatte der Präsident vorab nicht gesprochen. Sie gaben sich «fassungslos». Der Präsident – der nebenbei Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte ist – habe wohl aus einer «Laune» heraus geplaudert. Macrons Lust, zu allen Themen einfach so draufloszureden, sei nun mal bekannt, schreibt der «Canard».

Kann es sein, fragen Militärexperten, dass Macron sich bei der sogenannten strategischen Ambiguität bedient haben könnte, um Moskau in Zweifel zu stürzen und den Russen vorzuspiegeln, dass der Westen zum Äusserten greifen würde? Nun, wenn es so gewesen sein sollte, dann kollabierte die Strategie spätestens mit der verärgerten und leicht absehbaren Distanzierung der Alliierten.

Die Opposition ist sich für einmal einig

Alle Oppositionsparteien gehen Macron hart an, unisono, von ganz rechts bis ganz links. Marine Le Pen vom extrem rechten Rassemblement National sagte, Macron baue da «eine existenzielle Gefahr über den Köpfen von siebzig Millionen Franzosen» auf. Éric Ciotti, der Chef der bürgerlichen Républicains, fragt sich, ob der Präsident lange genug nachgedacht habe, bevor er zu reden begonnen habe. «Sind Sie sich eigentlich bewusst», fragte Jean-Luc Mélenchon von der extrem linken Partei La France Insoumise recht rhetorisch auf X, «dass Sie da riskieren, Frankreich, Europa und die ganze Welt in einen Nuklearkrieg zu verwickeln?» Völlig verrückt sei das. Auch die Sozialisten beschrieben «diese Eskalation» als «folie». Denkwürdig an dieser Einhelligkeit: Die französische Opposition ist sich in der Frage des Kriegs in der Ukraine selten einig.

Nur ein Kommentator am staatlichen Radiosender France Inter findet, Macron habe gezielt geredet – und zwar mit Blick auf die frankofranzösische Politik. Der Präsident habe damit seine Gegner, vor allem die beiden Extreme, kurz vor den Europawahlen vom kommenden Juni herausfordern wollen. Sowohl Le Pen als auch Mélenchon haben eine ambivalente Haltung zu Wladimir Putin, die nicht unwesentlich von ihrem Anti-Atlantismus genährt wird.

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass der Präsident Frankreichs innenpolitisch kalkulierte, als er in dieser Phase über die Option Bodentruppen in der Ukraine sprach?

Macron jedenfalls schickte jetzt das kürzlich unterzeichnete bilaterale Rüstungsabkommen mit der Ukraine ins Parlament, damit die Debatte über den Krieg und den richtigen Umgang dort weitergeht. Seine Minister beeilten sich unterdessen, die Gedanken des Chefs zu präzisieren und einzuordnen. Frankreichs Aussenminister Stéphane Séjourné etwa sagte, der Präsident habe nicht von «kriegsführenden» Truppen gesprochen. Sondern allenfalls von solchen, die den Ukrainern helfen würden, Minen wegzuräumen, oder die vor Ort nach Elementen im Kampf gegen den russischen Cyberkrieg gegen den Westen suchen. Das war mehr als eine Präzisierung: der Versuch eines Rückzugs.