Kolumne «Miniatur des Alltags»Bitte nicht hupen, liebe E-Biker
Wer auf dem Velo sitzt, kann es ruhiger angehen lassen als Autofahrer, findet Redaktor Daniel Stehula. Hupende E-Biker sind ihm zu wenig entspannt.
Als ich im Sommer das weltreisende Motorradfahrer-Ehepaar Rathje besuchte, fragte mich Rainer Rathje zur Begrüssung: «Sie sind mit dem Velo hier – biologisch oder elektrisch?»
Biologisch natürlich, mit der Kraft meiner Beine. Ich habe einen Plan aufgestellt, der in einen Glückskeks passt: Solange es geht mit dem Rennvelo. Danach: Liegevelo. Ultima Ratio: E-Bike.
Ich lehne das E-Bike nicht ab. Über jeden Autofahrer, der auf das Zweirad-Cabrio umsteigt, freue ich mich. Ich habe mehr E-Bikes getestet, als ich an den Fingern abzählen kann.
Seit ich mit Visionär und Unternehmer Thomas Binggeli mit dem damals neuen Stromer 2 über die Berner Hügel donnerte wie von einer Rakete angetrieben, weiss ich: Das kann Spass machen. Viel Spass. Ich verstehe alle, die lächelnd mit dem motorisierten Velo die Seestrasse entlangfahren.
Doch ich möchte körperlich spüren, wie ich mit dem Velo eine Distanz überwinde. Das sänftenartige Getragensein auf einem E-Bike ist mir auf Dauer zu langweilig.
Nun ist etwas geschehen, das ich in all den Jahren als Velopendler nicht erlebt habe: Ich wurde aus dem Weg gehupt. Von einem Velofahrer. Die Szene ist eine Baustelle auf der Seestrasse, nur eine Fahrspur geöffnet. Vor mir radelt jemand gemütlich, ich reihe mich ein, es ist eng.
Plötzlich hupt es hinter uns. Es klingt nicht nach einem Auto, eher nach einer Töffhupe. Wir reagieren nicht darauf. Hupend drängelt sich ein E-Biker an uns vorbei, gekleidet wie ein Kosmonaut: Regensachen, runder Helm, Visier. Er sitzt auf dem neuen Stromer ST 5 mit 850-Watt-Motor für 10’000 Franken. Er schnauzt meinen Vordermann an, aber der sagt nur: «Nimms leicht.»
«Du kannst dein Auto gegen ein Velo tauschen», denke ich mir, «aber den Stress des Autofahrens wirst du nicht so leicht los.»
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