Birkenstock geht an die BörseNach dem Barbie-Hype kommt der Milliardendeal
Die Kork und Leder gewordene Definition des guten Deutschseins verzückt die Finanzwelt – auch dank «Barbie». Eine Würdigung des Birkenstock-Schuhs.
Barbie hatte zuletzt die Wahl: «Du kannst in dein altes Leben zurückkehren oder die Wahrheit über das Universum erfahren», sprach ein Orakel und hielt der blonden Blauäugigen zwei Paar Schuhe vors gepuderte Näschen. Rechts pinke High Heels, links fleischfarbene Birkenstocks. Fussbett, Korksohle, Zweiriemer, der Klassiker «Arizona».
In der Firmenzentrale in Linz am Rhein, zwischen Koblenz und Köln, werden sie an dieser Stelle ein Fläschchen Sekt aufgemacht haben: Die hauseigene Uralt-Schlappe auf der Seite der Wahrheit, Läuterung und transzendentalen Erkenntnis – wie geil kann es eigentlich laufen so kurz vorm Börsenstart?! Der soll nämlich bald einmal in New York über die Bühne gehen.
Gut, Barbie nahm dann natürlich erst mal die Heels, aber den Gang zum Frauenarzt in der allerletzten Szene hat sie in Arizonas aus Germany absolviert, womit ihre Menschwerdung abgeschlossen war. Von Fakeness zu Wokeness, wie fein!
Die fleischfarbenen Barbie-Birkenstocks haben sich dann so oft verkauft, dass sie in den Orthopädiegeschäften der westlichen Kapitalen teilweise vergriffen waren, der Börsenwert hat sich auf geschätzte acht bis zehn Milliarden Franken nahezu verdoppelt; Ende der Woche wird man wissen, wo genau er sich einpendelt.
Quadratisch, praktisch, hässlich – und auf keinen Fall sexy
Heute aber schon ist dies ein deutsches Märchen. Die Autoindustrie mag schwächeln, die Fussballnationalmannschaft im Staub liegen, der letzte Platz beim ESC für alle Zeit fest für Deutschland gebucht sein – aber die 90-Franken-Gesundheitslatsche eines 1774 vom Schuhmachermeister Johann Adam Birkenstock in Langen-Bergheim gegründeten Betriebes elektrisiert in diesen Tagen die internationale Finanzwelt.
Sie ist, seien wir hier ruhig mal selbstbewusst, kein apologetisches Oha-obwohl-deutsch-Produkt, sondern die Kork und Leder gewordene Definition des guten Deutschseins in der Welt. Erdverbunden. Hochwertig. Haltbar. Demokratisch (wenn wieder einer behauptet, wir müssten uns «die Demokratie zurückholen», empfehlen sich eingetragene Birkenstocks als Wurfgeschosse). Uneitel, natürlich. Auf gar keinen Fall sexy. Quadratisch, praktisch, hässlich vielmehr, dies aber mit einem interessanten, in die Sphären des Luxus hinein funkelnden Impuls des Begehrens.
Marc Jacobs wollte die heilige Korksohle ändern, was einer Gotteslästerung entsprochen hätte.
2012 sass man in Paris bei der Celine-Show, schaute erst auf den Laufsteg, dann auf die Gesichter. Da war dieses rare, kollektiv entzückte Haben-Wollen, das sich offensichtlich an den Birkenstocks entzündete, die hier mit farbigem Plüsch gepolstert waren («Furkenstocks» heissen sie bis heute). Es folgten Interpretationen von Rick Owens, Isabel Marant, Givenchy, Steve Madden; nur Marc Jacobs hat das Okay aus Linz am Rhein am Ende nicht gekriegt, weil er die heilige Korksohle ändern wollte, was einer Gotteslästerung entsprochen hätte, weshalb dann Yohji Yamamoto zuschlug.
Birkenstock, Germany, hat die Hippies in San Francisco ausgestattet, die jungen Grünen im deutschen Bundestag, später Steve Jobs, Julia Roberts, Anne Hathaway, Leonardo DiCaprio und heute alle, die aus deutscher Liebe zur (Zehen-)Freiheit ein Statement machen – allen Anfeindungen zum Trotz.
Nichts respektiert die Mode mehr als die, die sie verachten.
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