Verkauf der Molkerei HochdorfBimbosan-Hersteller vor Pleite gerettet – nun will er in die USA
Der Milchpulver-Hersteller war in finanzielle Schieflage geraten. Eine Private-Equity-Gesellschaft übernimmt ihn nun – zur Freude von Angestellten und Bauern.
Vor gut zwei Monaten vermeldete der viertgrösste Schweizer Milchverarbeiter Hochdorf «Zuwachs für die Bimbosan-Familie». Tennisprofi Belinda Bencic, einstige Nummer 4 der WTA-Rangliste und «frischgebackene Mutter», werde «künftig als Markenbotschafterin der Schweizer Babynahrungsherstellerin im Einsatz sein».
Das Baby-Milchpulver kennen seit seiner Markteinführung 1932 mehrere Generationen von Schweizer Kindern. Es galt unter Hebammen und Müttern – trotz seines damals verstaubten Images – als Geheimtipp.
Dem kleinen PR-Coup mit Bencic folgte diese Woche ein finanzieller Befreiungsschlag. Der Milchverarbeiter aus Hochdorf LU verkauft seine Tochtergesellschaft Hochdorf Swiss Nutrition (HSN) an die britisch-schweizerische Beteiligungsgesellschaft AS Equity Partners.
Die Beteiligungsgesellschaft hält Anteile an mehreren Firmen, auch an der ehemaligen Post-Tochter SPS Swiss Post Solutions. Hinter «AS» steht als Gründer und Managing Partner der Schweizer Unternehmer Andreas Schulte.
«Mustergültiger» Verkaufsprozess
Als AS Equity Partners 2021 SPS für 375 Millionen Franken übernahm, wurde publik, dass er und der SPS-Chef sich kannten. Der «Blick» bezeichnete Schulte, dessen Karriere Stationen im Management von ABB, Hewlett-Packard und Virgin aufweist, als «Finanz-Heuschrecke» und kolportierte unbelegte Gerüchte über einen «Insider»-Deal.
Zur Akquisition von HSN lässt AS Equity verlauten, diese sei in einem mehrstufigen Auktionsprozess durchgeführt worden, die von der Zürcher Unternehmensberatung Alvarez & Marsal begleitet worden sei. Und: «Die verschiedenen Beteiligten kannten sich vor der Transaktion nicht.» Hochdorf-Chef Siegl bezeichnet die Käufersuche als «mustergültig».
Hochdorf Holding soll in Nachlassstundung gehen
Die hoch verschuldete HSN-Mutter Hochdorf Holding hat diese Woche ein Gesuch um provisorische Nachlassstundung und Einsetzung eines Sachwalters gestellt. Das heisst: Sie wird abgewickelt. Für den Verkauf der Tochterfirma HSN soll sie 15,5 Millionen Franken erhalten. AS Equity Partners soll zudem einen Bankkredit in der Höhe von 67 Millionen Franken übernehmen.
Erleichtert über den Deal sind nicht nur 330 Mitarbeitende, sondern die ganze Schweizer Milchbranche. Hochdorf verarbeitete 2022 mit 239’000 Tonnen Milch rund sieben Prozent der gesamten Milchmenge in der Schweiz. Würden die Verarbeitungskapazitäten von Hochdorf wegfallen, täten sich viele Milchwirtschaftsbetriebe schwer, einen neuen Abnehmer zu finden.
«Für die Branche wäre ein Ende von Hochdorf ein Desaster gewesen», sagt Hochdorf-Firmenchef Ralph Siegl. «Wir retten viele Arbeitsplätze und machen den Weg frei, um marktgerechte Lösungen für die Verarbeitung von überschüssiger Schweizer Milch zu finden.»
Allerdings produziert Hochdorf bald schon viel weniger Milchpulver, das in seiner konventionellen Form wegen der hohen Schweizer Preise für Milch kaum Gewinn abwirft. Ende 2026 soll deswegen die Fabrik in Hochdorf geschlossen werden. Die Milchverarbeitung wird ganz ins Werk im thurgauischen Sulgen verlagert, wo HSM aus Spezialmilchpulver hochwertige und profitable Baby- und Proteinnahrung herstellt.
«Der Verkauf an AS Equity Partners ist ein Meilenstein», sagt Firmenchef Siegl. Die neue Besitzerin habe «den besten Preis» geboten. AS Equity Partners erklärt: «Wir wollen dazu beitragen, dass Hochdorf in naher Zukunft wieder wachsen und branchenübliche Gewinne erzielen wird.»
Siegl, der auch nach dem Verkauf Firmenchef bleiben soll, trat 2022 als Retter in der Not an, als sich die Bilanzen des Unternehmens wegen risikoreicher Expansionsversuche und finanzieller Jonglierspiele rasant verschlechtert hatten. Für HSN hatten sich auch mehrere ausländische Investoren interessiert, so Siegl. Doch bringe AS Equity die Finanzkompetenz und die Erfahrungen mit, um HSN in den nächsten Jahren am besten unterstützen zu können.
Aktionäre stimmen dem HSN-Deal wohl zu
Für die bisherigen Aktionäre der Hochdorf Holding AG hingegen gilt es nun, an der ausserordentlichen Generalversammlung am 18. September eine Kröte zu schlucken: Sie müssen den Deal absegnen und voraussichtlich ihre gesamten Investitionen in Hochdorf abschreiben.
Zu ihnen gehören die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), die über die Beteiligungsgesellschaft ZMP Invest gut 18 Prozent der Aktien an der Hochdorf Holding halten. «Wir sind froh, dass Hochdorf nun eine Käuferin für die HSN gefunden hat», sagt Carol Aschwanden, Leiterin Kommunikation der ZMP, und signalisiert damit Zustimmung zum Abkommen.
«Die finanziellen Altlasten liessen keine Alternativen zum Verkauf», hält sie fest. So sei auch die Zukunft des Verarbeitungsstandortes Sulgen sichergestellt. «Das ist sehr wichtig für die ganze Schweizer Milchwirtschaft, denn HSN ist für die Schweizer Milchwirtschaft mit ihrer verarbeiteten Milchmenge systemrelevant.»
Molkenprodukte als neues Standbein
Die Zukunft sieht Siegl unter anderem in neuen Märkten, etwa den USA, wo er ein grosses Potenzial für Babyfood «made in Switzerland» erkennt. Aber auch die Verarbeitung von Molke, die HSN seit einiger Zeit vorantreibt, sei «ein Riesenthema», so Siegl. «Wir positionieren uns als Veredler von Schweizer Molke, die hierzulande im Gegensatz zur EU noch oft als Abfallprodukt betrachtet wird.»
AS Equity Partners wiederum setzt sich für das «langfristige Investment» in HSN das Ziel, «Hochdorf als führendes Unternehmen im Bereich der Babynahrung» in der Schweiz und im Ausland zu positionieren. Man glaube an Hochdorf und an den «Markt, der in den nächsten Jahren weltweit um 7 Prozent wachsen soll».
Der Milchverarbeiter profitiere vom guten Ruf, dem Zugang zu hochwertigen Rohstoffen und modernsten Produktionsanlagen. Das lässt sich der Investor vorerst etwas kosten: «AS Equity Partners wird erhebliches Kapital in das Unternehmen einbringen, um die nationalen und internationalen Wachstumsziele zu erreichen.»
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