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Organisation im Alltag
So teilen Sie den Mental Load in Ihrer Beziehung fair auf

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Wann ist der nächste Impftermin? Haben wir das Geschenk für die Schwiegermutter? Und wie heisst die Lehrerin des Kindes noch mal? Das sind alles Fragen, die uns im Alltag mental einnehmen.

Solche mentalen To-do-Listen werden unter dem Begriff Mental Load zusammengefasst. Dieser ist aus Paartherapien und Küchentischgesprächen nicht mehr wegzudenken, seit die feministische Zeichnerin Emma 2017 einen Comic dazu veröffentlichte. Trotzdem kennen das Wort und die Debatte darum längst nicht alle – wie unsere Strassenumfrage zeigt.

Was ist Mental Load?

Mental Load ist die mentale Belastung, die durch das Organisieren von alltäglichen Aufgaben entsteht. Mental-Load-Expertin Filomena Sabatella spricht auch von der «unsichtbaren Denkarbeit im Alltag». Diese bestehe darin, eine mentale To-do-Liste zu führen mit Dingen, die erledigt werden müssen oder an die gedacht werden muss. Zum Mental Load zählt nicht, das Altpapier zu bündeln, sondern daran zu denken, dass das Altpapier gebündelt werden muss, weil morgen Papiersammlung ist.

Sabatella sagt: «Es ist wichtig, zu verstehen, dass es keine Entlastung bringt, diese Aufgaben an andere zu delegieren, denn damit wird die Denkarbeit nicht abgegeben.» Beim Mental Load geht es also nicht um die konkreten Aufgaben, sondern darum, an diese Aufgaben zu denken und die Übersicht zu behalten.

Wer trägt die mentale Last in Beziehungen?

Wie Soziologin Hochschild und Comiczeichnerin Emma kommen auch verschiedene Studien zu dem Schluss, dass der grösste Teil des Mental Load in heterosexuellen Beziehungen auf Frauen lastet. So ergab beispielsweise eine Befragung von 2255 erwerbstätigen Personen, dass die geschätzte Wahrscheinlichkeit, Alltagsaufgaben zu planen, bei Frauen bei 62 Prozent liegt. Bei Männern hingegen nur bei 20 Prozent.

Die Studie von 2023 zeigte zudem, dass der Mental Load von Frauen besonders hoch ist, wenn sie mit Kindern im Haushalt leben. Bei Frauen, die in Teilzeit arbeiten, ist die mentale Last zudem grösser als bei Frauen, die in Vollzeit arbeiten. Trotzdem liegt der Grossteil des Mental Load auch dann bei den Frauen, wenn diese in Vollzeit arbeiten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Umfrage von Sotomo und «Annabelle» aus dem Jahr 2021.

Filomena Sabatella betont allerdings, dass es keine standardisierten Instrumente gebe, die den Mental Load von Personen messen könnten. Die Psychologin macht in ihrer Arbeit aber Beobachtungen, die mit den Studienergebnissen übereinstimmen. Das Thema werde vor allem unter Frauen diskutiert.

Den Grund für die ungleiche Verteilung der mentalen Denkarbeit sieht Sabatella in der Sozialisierung und den stereotypen Rollenbildern unserer Gesellschaft. Interessant sei zudem: Auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen sei die Verteilung des Mental Load oft ungleich. Von Anfang an übernehme eine Person den Grossteil davon.

Wer ist schuld am Ungleichgewicht?

«Schuldzuweisungen sind heikel», sagt Filomena Sabatella. «Das hat sich so eingebürgert, wie viele andere Aspekte unserer Rollenbilder auch.» Die Person, die mehr Mental Load übernehme, müsse lernen, davon auch was abzugeben. «Viele machen es dem Gegenüber nicht einfach, ihnen die mentale Last abzunehmen, weil diese auch eine Quelle von Erfolgserlebnissen sein kann. Man ist die Person, die alles besser weiss.» Zudem stünden dahinter auch Glaubenssätze wie: «Wenn ich es nicht mache, macht es eh niemand.»

Ist man also selbst schuld daran, wenn der Mental Load auf einem lastet? «Auf gar keinen Fall», sagt Sabatella. Das Gegenüber mache es sich oft auch bequem in der passiven Rolle. Wenn man an der Verteilung des Mental Load etwas ändern wolle, müssten beide zusammen daran arbeiten.

Ist «Mental Overload» gefährlich?

Ein Mental Overload, also ein übermässiger Mental Load, kann laut Sabatella zu gesundheitlichen Problemen führen. Dazu gehören Schlafstörungen, aber auch Angstzustände, Depressionen und Burn-out. «Viele liegen abends im Bett und können nicht schlafen, weil ihre Gedanken kreisen. ‹Was hätte ich heute alles machen müssen? Was steht morgen alles an?› Im schlimmsten Falle stehen die Betroffenen dann wieder auf und beginnen, Sachen zu erledigen», sagt Sabatella. Ausserdem könne Mental Overload zu Beziehungskonflikten führen, wenn man sich nicht gesehen und alleingelassen fühle.

Findet ein gesellschaftlicher Wandel statt?

«Wir sind sicher einen Millimeter weiter gekommen. Aber es ist kein riesiger Sprung», sagt Sabatella. Allein dadurch, dass man seit einigen Jahren vermehrt über das Thema rede, seien viele Frauen und Männer entlastet worden. «Man ist nicht mehr allein mit dem Problem.» Für eine echte Veränderung braucht es gemäss der Expertin aber einen gesellschaftlichen Wandel. «Gewisse Dinge sind mit den Strukturen in der Schweiz immer noch eine Herausforderung.»

Tipp der Expertin: So teilen Sie den Mental Load fair auf

  1. Sich des Problems bewusst werden: Zuerst müssen Sie die Belastung durch das Ungleichgewicht erkennen. Dabei kann es helfen, sich über das Phänomen «Mental Load» zu informieren.

  2. Ernsthaft darüber reden: Besprechen Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, was Sie belastet und was Sie ändern möchten. Wichtig ist, dass das Gegenüber Sie und Ihre Sorgen ernst nimmt. Es kann zudem helfen, aufzuschreiben, woran man im Alltag denken muss.

  3. Kleine Dinge abgeben: Beginnen Sie damit, kleine Denkarbeiten abzugeben. Am besten wählen Sie am Anfang Aufgaben aus, bei denen Sie es auch aushalten, wenn sie nicht erledigt werden. Wenn Ihnen also sehr wichtig ist, dass die Bettwäsche regelmässig gewechselt wird, ist dies keine geeignete Aufgabe zum Abgeben. Haben Sie etwas Geeignetes gefunden, schreiben Sie auf, was die Aufgabe alles mit sich bringt. Sprechen Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin darüber, was der gewünschte Standard ist. Versuchen Sie, einen Weg zu finden, mit dem beide zufrieden sind. Wenn Sie sich bei einer Sache nicht einigen können, macht es keinen Sinn, sie abzugeben – das führt nur zu mehr Frustration.

  4. Ehrliches Commitment: Wichtig für den sich verpflichtenden Partner ist es, die besprochenen Aufgaben dann auch wirklich zu übernehmen. Sagen Sie nicht nur als Beruhigung, dass Sie die Aufgabe übernehmen. Ziehen Sie es auch wirklich durch.

Tipp der Expertin: So reduzieren Sie die mentale Denkarbeit im Alltag

  1. To-do-Liste machen: Schreiben Sie morgens auf, was an diesem Tag alles ansteht. Suchen Sie sich dann drei Dinge aus, die unbedingt erledigt werden müssen – an die anderen brauchen Sie nicht mehr zu denken. Eine ellenlange mentale To-do-Liste kann überfordern, drei Sachen sind aber meistens bewältigbar.

  2. Stressmomente entlasten: Vor allem morgens oder abends gibt es Momente, wenn sich der ganze Stress ansammelt. Überlegen Sie sich, wie Sie dort einen Puffer und somit Entspannung hereinbringen können. Ein klassischer Müttertrick ist es, eine Stunde vor allen aufzustehen, um dann noch in Ruhe einen Kaffee trinken zu können. Ein anderes Beispiel wäre, am Abend eine halbe Stunde spazieren zu gehen – egal was ansteht.

  3. Hilfe suchen: Wenn nichts hilft – mobilisieren Sie Ihr Netzwerk: Verwandte, Freunde. Oder suchen Sie sich psychologische Hilfe.