Gesundheitswesen im UmbruchBerner Krankenkassen Visana und Atupri fusionieren
Durch den Zusammenschluss entsteht im Kanton Bern eine Krankenkasse mit neu fast 800’000 Grundversicherten.
Die beiden Berner Krankenversicherer Atupri und Visana schliessen sich zur neuen Gruppe Atusana zusammen. Die Fusion erfolgt per 1. Januar 2024, wie diese Redaktion nach einer Mitarbeiterinformation vom Mittwoch erfuhr und die beiden Versicherer anschliessend mitteilten.
«Mit dem Zusammenschluss werden wir zu einer schweizweit führenden Krankenversicherungsgruppe mit starkem Heimmarkt im Espace Mittelland», sagt Lorenz Hess, Verwaltungsratspräsident von Visana.
Visana ist Marktführer im Kanton Bern und die Nummer 6 der Grundversicherer in der Schweiz. Die aus der ehemaligen Betriebskrankenkasse der SBB entstandene Atupri ist nach Visana und KPT die drittgrösste Krankenkasse mit Sitz im Kanton. Zusammen rücken sie schweizweit in der Grundversicherung nahe an die Nummer 5 Assura heran.
«Der Zusammenschluss ist eine Fusion auf Augenhöhe», sagt Hess. Atupri befand sich allerdings zuletzt auf Talfahrt. 2022 resultierte ein beträchtlicher Verlust von 66 Millionen Franken. Und auf dieses Jahr verlor Atupri in der Grundversicherung gut 40’000 Versicherte oder fast 21 Prozent.
Marken bleiben, Arbeitsplätze auch
Zusammen wollen Visana und Atupri Synergien nutzen, kommen sie doch inklusive Zusatzversicherungen neu auf über eine Million Kundinnen und Kunden. Es sei aber ausdrücklich keine Übernahme, sagt Visana-Chef Angelo Eggli, der auch als CEO der Atusana-Gruppe designiert ist. Unter dem Dach einer Stiftung sollen Visana und Atupri operativ und unternehmerisch unabhängig bleiben. Der Name Atusana wird also zumindest vorläufig nicht (kostspielig) vermarktet.
Der Zusammenschluss habe keinen Stellenabbau zur Folge, verspricht Eggli. «Für die Mitarbeitenden ändert sich faktisch nichts.» Visana beschäftigt rund 1450 Mitarbeitende, Atupri 250. «Wir profitieren gegenseitig von unseren komplementären Stärken», sagt auch Sandra Thoma Hauser, Präsidentin des Stiftungsrats von Atupri.
Schub für Marktmacht und Digitalisierung
Was die Fusion bringen soll, erklären die Verantwortlichen so: Atupri als digitaler Marktführer und Visana mit schweizweiter Vertriebskraft und regionaler Marktführerschaft passen gut zusammen. Atupri betreibt neben dem klassischen Kundenportal und der App zum Beispiel einen Tarmed-Rechnungsübersetzer, ermöglicht die Bezahlung mit Kryptowährungen oder veranstaltet digitale Events zu Ernährung und Fitness.
Die Kundinnen und Kunden erhalten demnach mehr Dienstleistungen und Zugangskanäle. Synergien in der Digitalisierung, der Produktentwicklung, im Vertrieb und in der Administration sowie im Wissensaustausch sollen die beiden Krankenversicherer noch effizienter machen und zusätzliche Ressourcen freisetzen, so die Verantwortlichen.
Mit grösserer Marktmacht werde die Gruppe Kosten bei Investitionen senken und die Einkaufskonditionen weiter verbessern. «Die so erzielten Vorteile werden wir den Kundinnen und Kunden weitergeben», sagt Eggli.
«Bescheidener Effekt»
Um Synergien zu nutzen, mache eine Fusion Sinn, sagt Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte beim Vergleichsportal Comparis. Doch: «Wenn beide Versicherer wie angekündigt ihre Strukturen behalten und Visana an ihrer Mehrkassenstrategie festhält, ist dieser Effekt bescheiden.» Ihn erstaune aber angesichts von bisher gescheiterten Fusionen nicht, dass sich die beiden Kassen nicht vollständig zusammenschliessen.
Synergiepotenzial sieht Schneuwly bei den Verwaltungskosten, in den Bereichen IT und Kundenakquisition. «Bei den Einkaufskonditionen der versicherten medizinischen Leistungen hingen wird sich nichts verändern, solange die beiden Kassen ihre Tarife vom Unternehmen Tarifsuisse aushandeln lassen.»
Gemäss Atusana-Chef Eggli will die neue Gruppe Entwicklungen im Gesundheitswesen nicht nur antizipieren, sondern beeinflussen. Gerade bei den Kosten. Und zwar mit innovativen Lösungen. Dazu zählt er den im vergangenen Herbst angekündigten Schulterschluss von Visana mit den Spitälern von Moutier und St-Imier, dem Kanton Bern sowie Psychiatrie und Arztpraxen.
Über eine Übernahme von Atupri durch Visana war schon vor einem Jahr spekuliert worden. Nun haben sich die Verantwortlichen auf einen Zusammenschluss einigen können. Die neuen Führungsgremien werden nun paritätisch mit Mitgliedern aus beiden Krankenkassen zusammengesetzt. Strategisch relevante Entscheide bedürfen einer Dreiviertelmehrheit, wie es heisst.
Das Präsidium des Stiftungsrats übernimmt Lorenz Hess, der für Die Mitte im Nationalrat ist. Vizepräsidentin wird Sandra Thoma Hauser, die bisherige Präsidentin des Stiftungsrates von Atupri. Auch in der Geschäftsleitung wird der bisherige Atupri-Chef Christof Zürcher stellvertretender CEO. Der Zusammenschluss muss noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden.
Lange Zeit stabil
In den letzten Jahren blieb die Zahl der Krankenkassen in der Schweiz mit rund 50 stabil, noch im Jahr 2000 waren doppelt so viele auf dem Markt. Dass es nun wieder zu Bereinigungen kommt, hat laut Schneuwly von Comparis zwei Gründe. Zuerst einen positiven: In den letzten Jahren wurde der Risikoausgleich verbessert, seither lohnt es sich für Krankenkassen immer weniger, um gesunde Versicherte zu buhlen. «Das heisst, dass sich der Wettbewerb unter den Kassen nun um gute medizinische Versorgung dreht, das ist gut.» Der andere Grund sei negativ: «Die Krankenkassen wurden einmal mehr von der Politik dazu angehalten, Reserven abzubauen. Das führt zu Prämiensprüngen und brachte Unruhe in die Branche.»
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