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Bauernprotest in Berlin
Erboste Bauern – Deutschland sucht einen Ausweg aus den Protesten

epa11079249 German Finance Minister Christian Lindner (C) speaks next to Joachim Rukwied (L), president of the German Farmers' Association, during a nationwide farmers' strike in Berlin, Germany, 15 January 2024. Farmers went on strike nationwide in Germany, in a protest against the federal government's agricultural policy.  EPA/Filip Singer
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Rund 10’000 Landwirtinnen und Landwirte mit Tausenden von Traktoren haben am Montag am Brandenburger Tor in Berlin lautstark gegen Sparpläne der Regierung protestiert. Man sei gesprächs- und kompromissbereit, rief Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied der Menge zu. Aber nur unter der Bedingung, dass die Regierung die Kürzung von Subventionen vollständig zurücknehme. Lenke sie nicht ein, werde man weiter demonstrieren und Strassen blockieren.

Finanzminister Christian Lindner versuchte, den Protestierenden den Entscheid der Regierung zu erläutern. «Hau ab!», «Aufhören!», «Die Ampel muss weg!» schlug es dem FDP-Chef tausendfach entgegen, bevor er überhaupt zu seiner Rede ansetzen konnte. Lindner schrie deswegen mehr und mehr ins Mikrofon, um sich verständlich zu machen.

Farmers with tractors arrive for a protest at the Brandenburg Gate in Berlin, Germany, Monday, Jan. 15, 2024. Farmers drove thousands of tractors into Berlin on Monday in the climax of a week of demonstrations against a plan to scrap tax breaks on the diesel they use, a protest that has tapped into wider discontent with Germany?s government. (AP Photo/Ebrahim Noroozi)

Ihr Protest sei ja längst erfolgreich gewesen, rief er den Bauern zu, schliesslich habe man zwei Drittel der ursprünglich geplanten Kürzungen zurückgenommen. «Sie können mir doch nicht erzählen, dass Sie nur wegen des Agrardiesels hier sind. Da hat sich doch über Jahrzehnte viel mehr angestaut!» Empörung über Bevormundung, nannte Lindner als Beispiel, Wut über immer ideologischere Auflagen, Ohnmacht vor überbordender Bürokratie.

Den Sparentscheid könne die Regierung nicht zurücknehmen, meinte Lindner, auch die Landwirtschaft müsse in der schwierigen Finanzlage einen Beitrag leisten. Die Krise und die Proteste eröffneten aber die Chance, die ganze Landwirtschaftspolitik neu zu orientieren. «Denken wir jetzt zusammen gross», rief der Finanzminister in die Menge. Beim Kampf gegen Bürokratie und überzogene ökologische Standards hätten ihn die Bauern an ihrer Seite. Die Menge antwortete mit einem Sturm von Buhs und Schmährufen.

Kommt jetzt die Zeit für eine alte Idee?

Wege aus der Krise suchten am Nachmittag auch die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP. Mit den Spitzen verschiedener Landwirtschaftsverbände loteten sie Möglichkeiten aus, wie sich das Verhandlungsfeld ausweiten und die Proteste auf der Strasse beenden liessen. Rolf Mützenich (SPD) versprach dabei neue Entlastungen.

Vor allem aus seiner Partei gab es zuletzt Aufrufe, die Sparentscheide ganz zurückzunehmen, insbesondere aus ländlich geprägten Bundesländern wie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder dem Saarland. In einer aktuellen Umfrage des ZDF zeigten 68 Prozent der Deutschen Verständnis für die Proteste der Bauern. 52 Prozent waren der Meinung, es solle für sie keine Kürzungen geben.

epa11067415 German Minister for Food and Agriculture Cem Oezdemir speaks at a farmers rally as part of Nationwide farmers' strike in Ellwangen, Germany, 10 January 2024. Farmers went on strike nationwide in Germany, in a protest against the federal government's agricultural policy.  EPA/RONALD WITTEK

Cem Özdemir wiederum, der grüne Landwirtschaftsminister, der von den Sparentscheiden der Regierungsspitze selbst überrascht worden war und danach für die Rücknahme der Kürzungen stritt, brachte einen neuen Vorschlag ein, um dem Protest die Spitze zu nehmen. Er wirbt für die Einführung einer «Tierwohl»-Abgabe, um die Bauern beim Umbau ihrer Ställe stärker zu unterstützen.

Ein Obolus von 40 Cent pro Kilo Fleisch, von 2 Cent auf Milch und Eier und von 15 Cent auf Butter und Käse, den die Konsumentinnen und Konsumenten bezahlen müssten, würde es erlauben, jährlich bis zu 3,6 Milliarden Euro einzunehmen. Geld, das man den Bauern vollumfänglich zurückerstatten würde, um jene zu unterstützen, die ihre Anlagen tiergerechter gestalten. «Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so wie es doch alle verlangen», sagte Özdemir der «Süddeutschen Zeitung».

Eine «Tierwohl»-Abgabe hatte bereits eine Reformkommission der letzten Regierung von Angela Merkel (CDU) im Jahr 2020 empfohlen. Von der Politik umgesetzt wurde diese aber nicht. Ob die Krise jetzt eine Gelegenheit dafür schafft, ist unklar. Während von Grünen und Sozialdemokraten Zustimmung zu hören war, bleibt die abgaben- und steuerkritische FDP skeptisch bis ablehnend.