Höhepunkt der ProtestwocheWieder protestieren Tausende Bauern in Berlin
Am Montag erwartet die deutsche Hauptstadt zum Abschluss der Bauernprotestwoche weit über 10’000 Demonstrierende. 1300 Polizisten sind im Einsatz.
Aus Protest gegen das Aus von Dieselvergünstigungen für die Landwirtschaft haben sich am Montag Tausende deutsche Bauern mit Traktoren und anderen Fahrzeugen zu einer Protestkundgebung im Berliner Regierungsviertel versammelt.
Rund um das Brandenburger Tor kamen Landwirte, Handwerker und Spediteure zusammen. Die Polizei sprach zunächst von 3000 Fahrzeugen. Viele Teilnehmer waren am Vormittag noch auf der Anfahrt. Die Polizei rechnete mit deutlich mehr als den angemeldeten 10’000 Teilnehmern. Am Rande der Demo wollen die Chefs der Ampelkoalitionsfraktionen Bauernvertreter zum Gespräch treffen.
Regierung machte bereits Zugeständnisse
Die Grosskundgebung in Berlin soll der Höhepunkt einer Aktionswoche sein, mit der Landwirte in den vergangenen Tagen in ganz Deutschland gegen die schon abgeschwächten Pläne der Ampelkoalition mobil gemacht haben. Für Einsparungen im Haushalt 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardieselbegünstigung wegfallen. Noch können sich Betriebe die Energiesteuer teilweise zurückerstatten lassen – mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich sollte die Hilfe sofort ganz wegfallen. Nun soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung auch der KFZ-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung ganz fallen gelassen.
Dem Deutschen Bauernverband reichen die Korrekturen nicht, er fordert eine Rücknahme der Mehrbelastungen. Bei der Kundgebung am Brandenburger Tor wollte gegen Mittag unter anderem Verbandspräsident Joachim Rukwied sprechen. Erwartet wird auch Finanzminister Christian Lindner (FDP). Kanzler Olaf Scholz (SPD) und andere Ampelpolitiker hatten bereits Verständnis und Dialogbereitschaft signalisiert. Weitere Zugeständnisse beim Agrardiesel waren vorerst aber nicht in Sicht.
Wieder hängt die Ampel am Galgen
Am Morgen standen Traktoren, Lastwagen und andere Fahrzeuge in mehreren Reihen dicht hintereinander auf der Strasse des 17. Juni und auf dem Boulevard Unter den Linden rund um das Brandenburger Tor. Schon in der Nacht waren Traktorkolonnen mit Hupkonzerten durch die Stadt gerollt. Auf fünf Routen sollten Demonstranten aus dem Umland ins Zentrum der Hauptstadt gelangen.
1300 Polizisten in Berlin im Einsatz
Rund um die Demonstration waren 1300 Polizisten im Einsatz. Vor allem zur Begleitung der Traktoren und Lastwagen sei die Polizei nötig, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Dem Schutz des Regierungsviertels komme ganz besondere Bedeutung zu. Online sei auch in geringem Masse von staatsfeindlicher und rechtspopulistischer Seite zur Teilnahme aufgerufen worden.
Am Morgen seien geschätzt 3000 Fahrzeuge auf den Strassen unterwegs gewesen, darunter Traktoren und LKW. Weitere 2000 Traktoren und Laster seien auf der Anfahrt. Die Lage sei sehr dynamisch.
Die Vorsitzenden der Ampelfraktionen SPD, Grüne und FDP haben die Spitzen der Landwirtschaftsverbände für den frühen Nachmittag zu einem Gespräch eingeladen. Über den Bundeshaushalt 2024 und die geplanten Kürzungen beim Agrardiesel berät nun noch der Bundestag. Lindner hatte vorab Erwartungen gedämpft. Am Sonntag sagte er beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf, er werde bei der Kundgebung «nicht versprechen können, dass alle Bereiche der Gesellschaft Konsolidierungsbeiträge leisten müssen – nur einer nicht». Die Bundesregierung muss wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Bundeshaushalt stopfen.
Rückhalt für Tierwohlabgabe wächst
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bringt angesichts der Bauernproteste jedoch eine Abgabe auf Fleisch, Milch oder Eier ins Spiel. Sie könnte Milliarden für die Höfe bringen. «Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen», sagte Özdemir der «Süddeutschen Zeitung» (SZ). Er selbst sprach von einem «Tierwohl-Cent».
Rückhalt für die Idee kommt auch aus der FDP. «Gerade Tierhaltungsbetriebe haben schwer zu kämpfen», sagte die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Carina Konrad der SZ. «Eine Tierwohlabgabe könnte ein Weg sein, sie beim Umbau ihrer Ställe verlässlich zu unterstützen.» Womöglich sei die aktuelle Diskussion über die Lage der Landwirte der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt.
SDA/lop/SZ
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