Kopf des TagesBeim Vincenz-Prozess ist er der Chef im Saal
Richter Sebastian Aeppli gilt als Experte für komplexe Fälle, sein Stil sei aber wenig empathisch.
Er lässt sich von Titeln, Meriten und grossen Namen nicht beeindrucken. Schon zu oft sass Richter Sebastian Aeppli selbst gegen tatsächliche und vermeintliche Prominente zu Gericht.
Nun steht die nächste Verhandlung mit prominenter Beteiligung an. Denn der Prozess gegen Pierin Vincenz, Beat Stocker und Co. wird von Aeppli geleitet.
Mit seiner besonderen Art eckt der Richter an. «Sie werden keinen Strafverteidiger finden, der ihn lobt», sagt ein erfahrener, mit komplexen Strafverfahren vertrauter Anwalt. Und wird von anderen Anwälten bestätigt. Staatsanwälte hätten bei ihm ein leichtes Spiel.
Einer dieser Staatsanwälte, ebenfalls mit schwerwiegenden Fällen bestens vertraut, lobt den «Schnelldenker» Aeppli, der «hervorragend mit komplexen Fällen umgeht», als «sehr pragmatisch und mutig». Nur wenige Urteile, an denen er mitgewirkt habe, würden durch die nächsthöhere Instanz korrigiert.
Aeppli fasst sich kurz
Einig sind sich die Prozessbeobachter, dass Aeppli eine ganz klare Vorstellung davon hat, wie ein Strafprozess ablaufen soll – nämlich nach seinen Vorgaben. Aeppli ist je nach Sichtweise bekannt oder berüchtigt für Parteibefragungen, die sich in aller Regel aufs Allernötigste beschränken. Noch kürzer sind seine mündlichen Urteilseröffnungen und -begründungen, die schon manchen Prozessbeobachter mit offenen Fragen zurückliessen.
«Er zieht einen Prozess durch, lässt sich nicht aufhalten, macht nicht lang Federlesens», sagt einer. «Sein Führungsstil ist wenig empathisch», stellt ein anderer fest. Ein Dritter hat den Eindruck, das Urteil stehe bereits bei Prozessbeginn fest.
Er gilt als der einzige Richter im Kanton Zürich, der sich bei der Vorstellung des Gerichts zuerst erwähnt.
Aeppli, Mitglied der Grünen, Sohn eines Zürcher Oberrichters, kam 1990 als Ersatzrichter ans Bezirksgericht Zürich, wurde 1993 gewählter Bezirksrichter und übernahm im Jahre 2000 als Vorsitzender die 9. Abteilung. Es ist jene Abteilung am Bezirksgericht, die am häufigsten befasst ist mit grossen oder schwierigen Wirtschaftsstraffällen oder Gewaltdelikten. Aeppli tritt nächstes Jahr ins AHV-Alter ein, ist aber bis 2026 gewählter Bezirksrichter.
Aeppli leitet die Verhandlung gegen Vincenz und Co. und entscheidet zusammen mit Rok Bezgovsek (SP) und Peter Rietmann (SP). Als Ersatzmitglied dabei sein wird auch Marius Weder (SP). Dessen Anwesenheit soll garantieren, dass der Prozess beim allfälligen Ausfall eines der drei Richter nicht wiederholt werden muss.
Dass sich Aeppli nicht scheut, Prozessparteien nötigenfalls in den Senkel zu stellen oder Zuschauer aus dem Saal zu werfen, wenn sie stören, fällt auch Medienschaffenden auf. Er sei von sich selbst sehr überzeugt und strahle Autorität aus, heisst es. Als bräuchte es dafür eines Beweises: Aeppli ist der einzige Richter im Kanton Zürich, der bei der Vorstellung des Gerichts sich zuerst erwähnt.
Nur wenige Verhandlungstage
Dass der 64-jährige Aeppli kein Problem hat, den Prozessparteien nach seinen Vorstellungen Vorgaben zu machen, zeigt sich im Fall Vincenz und Co. erneut. Er hat für die Verhandlung lediglich vier Tage und einen Ersatztermin angesetzt, gleichzeitig die Parteien aber dazu angehalten, sich in ihren Plädoyers kurz zu halten. Ein heikler Vorgang, weil damit das rechtliche Gehör verletzt werden könnte.
Offenbar hat er erkannt, dass die Zeit nicht reichen könnte. Nachdem die Suche nach weiteren Terminen zwischen dem vierten Prozesstag am 28. Januar und dem Reservetag am 9. Februar ergebnislos verlaufen war, wurden die Prozessparteien aufgefordert, per Doodle weitere Termine im März anzugeben, wie das Onlineportal «Inside Paradeplatz» berichtete. Ob weitere Termine gefunden wurden, wird der am Dienstag beginnende Prozess zeigen.
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