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Streit um Ackerland
Bauernlobby wehrt auch neue Öko-Auflage ab

Oberstammheim: Auf dem Erlenhof der Brupbachers werden seit 15 Jahren Trüffel angebaut. Brupbacher war einer der ersten, die damit anfingen.Auf dem Bild: Biodiverse Wiese für Insekten und Bienen. Bild: Enzo Lopardo.
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Ein Sieg für Ständerätin Esther Friedli und Nationalrat Markus Ritter – dank gütiger Mithilfe von Bio Suisse. So fasst es Kilian Baumann zusammen. «Bio Suisse hat dem bürgerlichen Lager einen Steilpass zugespielt, was dieses dankend angenommen hat», ärgert sich der Grünen-Nationalrat.

Was ist geschehen? Ab 1. Januar 2024 hätten die Bauern auf mindestens 3,5 Prozent ihres Ackerlandes die Biodiversität fördern müssen, das ist etwa dreimal mehr als heute; betroffen wäre eine Fläche von etwa 14’500 Fussballfeldern.

Diese Zonen sind laut Fachleuten ökologisch wichtig, vor allem im Mittelland, das landesweit am stärksten von Biodiversitätsverlusten betroffen ist. Die Auflage ist Teil eines neuen Verordnungspakets, das der Bundesrat verabschiedet hat.

Gegen den Bundesrat

Nun aber wird der Start um ein Jahr verschoben. Nachdem der Ständerat im Herbst eine entsprechende Motion von SVP-Politikerin Friedli deutlich gutgeheissen hat, folgt nun die nationalrätliche Wirtschaftskommission dieser Linie. Sie hat die Verschiebung mit 14 zu 9 Stimmen gutgeheissen, wie sie am Freitag mitgeteilt hat. Es bestünden für die Bauernbetriebe noch «zu viele Unsicherheiten». 

Der Nationalrat wird in der Wintersession nachziehen; das ist so gut wie sicher. Damit wird sich das Parlament gegen den Bundesrat stellen. Die Regierung sieht in einer abermaligen Verschiebung einen Verstoss gegen Treu und Glauben. Chancenlos blieb in der Kommission ein Kompromissvorschlag: die neue Regel wie geplant zu starten, dabei aber Kulanz walten zu lassen, indem der Bund bei Verstössen noch keine Sanktionen ausspräche. 

Antrag kam von Bio Suisse

Am Ursprung des umstrittenen Entscheids steht Bio Suisse. So stellt es zumindest Mitte-Politiker Ritter dar. Im letzten April beantragte die Bio-Organisation als Mitglied des Schweizer Bauernverbands (SBV), die Einführung um ein Jahr zu verschieben. Dies unter anderem, weil sie bei der vom Bund geplanten Umsetzung Mängel ausmachte. Sie kritisierte zum Beispiel, dass Obstbäume und Hecken nicht an die 3,5-Prozent-Auflage angerechnet werden könnten.

Die Landwirtschaftskammer, das Parlament des Bauernverbands, folgte dem Antrag oppositionslos, die Bundesverwaltung solle über die Bücher. Daraufhin reichte Esther Friedli im Juni den Vorstoss ein. «Wir hatten einen solchen Antrag vorher nicht geplant», sagt Ritter, der den Bauernverband präsidiert.

Kilian Baumanns Befürchtung

Nur: Es ist nicht der erste Aufschub. Bereits 2022 entschied das Parlament, die Auflage nicht auf den 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen, sondern ein Jahr später. Die SVP und der Bauernverband hatten gewarnt, mit der Aufgabe von gutem Ackerland zugunsten des Umweltschutzes werde der Selbstversorgungsgrad mit Nahrungsmitteln sinken – und das just in unsicheren Zeiten: Der Ukraine-Krieg hatte eben begonnen, die Frage der Eigenversorgung wurde nach Corona erneut hochaktuell. 

Vor diesem Hintergrund befürchtet Grünen-Nationalrat Baumann jetzt, dass das Parlament nächstes Jahr die neue Regel ganz streichen wird. «Die neuen Kräfteverhältnisse im Parlament lassen nichts Gutes erahnen», sagt er mit Blick auf das seit den Wahlen erstarkte bürgerliche Lager. 

Esther Friedli, SVP-SG, rechts, diskutiert mit Markus Ritter, Mitte-SG, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 30. November 2022 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Friedli und Ritter äussern sich nicht direkt dazu. Sie sagen, es gehe jetzt einzig darum, die neue Regel ein Jahr später einzuführen. Es brauche Biodiversitätsmassnahmen – aber solche, die die Bauernfamilien mittrügen. Und beide betonen, eine Sistierung habe keine finanziellen Folgen für jene Betriebe, die bereits Öko-Massnahmen umgesetzt hätten. In der Tat sind diese bereits Bestandteil der Förderprogramme, die Bauern erhalten dafür Direktzahlungen. 

Bio Suisse weist Vorwurf zurück

Und Bio Suisse? Die Organisation weist Baumanns Vorwurf zurück, dem bürgerlichen Lager im Parlament in die Hände gespielt zu haben. «Wir sehen unsere Rolle als Brückenbauerin zwischen unterschiedlichen Positionen», sagt Sprecher David Herrmann. Bio Suisse habe sich immer für die Einführung der 3,5-Prozent-Regel eingesetzt, doch die offenen Fragen habe das Bundesamt für Landwirtschaft nicht rechtzeitig im Frühsommer geklärt. «Jetzt die Einführung zu verschieben, würde all jene bestrafen, die sich an die Regeln gehalten haben.»