Kommentar zur Oscar-MissachtungDie «Barbie»-Abfuhr ist nur peinlich
Weder Hauptdarstellerin Margot Robbie noch Regisseurin Greta Gerwig sind in ihren Oscar-Kategorien nominiert. Jetzt kritisiert Ken-Darsteller Ryan Gosling die Akademie.
«Barbie» – ein Milliardenerfolg, eine Komödie, die zahlreiche Menschen ins Kino zurücklockte, ein globales Phänomen, das Mode, Lifestyle, Beauty bestimmte. Und offenbar ein Film, den die rund 10’000 Mitglieder der Oscar-Akademie nicht ganz verstanden haben.
Jedenfalls ist es schwer, zu erklären, weshalb Regisseurin Greta Gerwig und Hauptdarstellerin Margot Robbie am Dienstag bei der Verkündung der Nominationen in ihren Kategorien nicht dabei waren – Ryan Gosling als Nebendarsteller aber schon.
Die Reaktionen in den sozialen Medien reichen von «absurd» bis «ironisch». War «Barbie» nicht eine Geschichte von weiblicher Befreiung aus der Unsichtbarkeit – und machen die Oscars das jetzt wieder zunichte?
Ken-Darsteller Ryan Gosling hat inzwischen ein Statement veröffentlicht, in dem er sich zwar über seine Nominierung freut, aber die Akademie frontal angreift: «Zu sagen, dass ich enttäuscht bin, dass Greta Gerwig und Margot Robbie in ihren jeweiligen Kategorien nicht nominiert sind, wäre eine Untertreibung.»
Doppelt peinlich
Die Oscar-Geschichte ist reich an seltsamen Entscheidungen; immer wieder kommt es zu «snubs», also zu Abfuhren. Dass Ryan Gosling als Nominierter öffentlich Kritik übt, darf aber schon als neue Eskalationsstufe gelten. Er torpediert damit ja seine eigenen Chancen.
Peinlich ist die Missachtung von Greta Gerwig und Margot Robbie, weil Robbie als Produzentin massgeblich daran beteiligt war, die Verfilmung gegen immer neue Einwände der Mattel-Manager durchzubringen – schliesslich kommt der Barbie-Hersteller im Drehbuch immer wieder vor, und oft nicht im positiven Sinne. Eine aufreibende Arbeit, in der es laut Robbie darum ging, sich mit dem «Unangenehmen anzufreunden» (Lesen Sie hier mehr über Robbies Einfluss).
Peinlich ist sie auch, weil Greta Gerwig einen kindlich-verspielten Regiestil in das Megaprojekt einbrachte und sich besonders bei der Ausstattung von der Filmgeschichte inspirieren liess: Sie zeigte ihrem Team etwa den Film «The Red Shoes» von Michael Powell und Emeric Pressburger.
Mehr anfangen mit «Oppenheimer»
Klar, das kann den Oscar-Votern herzlich egal sein, schliesslich ist «Barbie» 8-mal für die Oscars am 10. März nominiert, unter anderem als bester Film. Falls «Barbie» in dieser Kategorie gewinnen sollte, steht Produzentin Robbie am Ende trotzdem auf der Bühne. Und natürlich steht es allen frei, die Komödie penetrant oder unoriginell zu finden. Vielleicht wird es sogar ein paar jüngere Akademie-Mitglieder geben, die «Barbie» als hohle Feminismusverpackung verschmähen.
Aber all das täuscht nicht darüber hinweg, dass die Academy mit ihrer Blutauffrischung noch nicht sehr weit ist. Sie besteht weiterhin aus zahlreichen Filmindustrie-Veteranen, die mit dem historischen Wissenschaftsthriller «Oppenheimer» mehr anfangen können als mit der grellen Komödie über eine Plastikpuppe, in der sich Manager im Sitzungszimmer einen Kitzel-Fight liefern.
Barbie hat sich dank Margot Robbie und Greta Gerwig in etwas anderes, Menschlicheres verwandelt. Bei den Oscars dauert es noch.
Fehler gefunden?Jetzt melden.