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Nervöse Lage an den Finanzmärkten
Bahnt sich eine Finanzkrise an?

Keine Kompromisse bei der Inflationsbekämpfung: Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, am Donnerstag anlässlich der Medienkonferenz zum Zinsentscheid in Frankfurt.

Die Europäische Zentralbank erhöht die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte. Sie hält damit Kurs in der Inflationsbekämpfung, trotz der Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die durch Bankenzusammenbrüche in den USA und Sorgen um die global tätige Grossbank Credit Suisse verursacht wurden. 

Die Inflation in der Eurozone erreichte im Februar 8,5 Prozent und liegt damit weit über dem Ziel der EZB von 2 Prozent. Das dürfte so bleiben. Den Erwartungen der EZB zufolge bleibt die Inflation «für eine zu lange Zeit zu hoch». 

Um sie zu bekämpfen, so heisst es, müssen die Zentralbanker die Geldpolitik so lange straffen, bis etwas kaputtgeht. Seit März letzten Jahres hat die amerikanische Zentralbank Fed die Zinsen so schnell erhöht wie seit den 1980er-Jahren nicht mehr. Die anderen Zentralbanken folgten nach.

Am vergangenen Freitag ging dann tatsächlich etwas kaputt: Die kalifornische Regionalbank Silicon Valley Bank brach zusammen, kurz darauf folgte die Signature Bank in New York. Es waren der zweit- und der drittgrösste Bankzusammenbruch der US-Geschichte nach dem Fall der Washington Mutual während der Finanzkrise 2008.

Obwohl das Finanzministerium, die Notenbank Fed und die Bankenaufsichtsbehörde FDIC versicherten, dass alle Kunden ihr gesamtes Kontoguthaben ausbezahlt erhalten würden, gerieten weitere US-Regionalbanken unter Verdacht. Die Krise schwappte über den Atlantik, die bereits angeschlagene Credit Suisse musste am Mittwochabend von der Schweizerischen Nationalbank mit einem 50-Milliarden-Kredit stabilisiert werden. 

Zum ersten Mal geknallt hatte es schon vorher: Als die britischen Pensionsfonds im September ins Wanken gerieten, musste die Bank of England schnell Liquidität zur Verfügung stellen, um sie wieder zu stabilisieren.
Marktbeobachter fragen sich deshalb, was nun Priorität haben wird: der Kampf gegen die Inflation oder die Finanzstabilität?

Können die Zentralbanken weiter an der Zinsschraube drehen, ohne die Gefahr einer Finanzkrise heraufzubeschwören? Das letzte Mal, als sie die Zinsen derart schnell erhöht hatten, stoppte der Zusammenbruch der Continental Illinois Bank 1984 die Zinserhöhungen des damaligen Fed-Chefs Paul Volcker.

Es gebe keinen Kompromiss zwischen Inflationsbekämpfung und Finanzstabilität, sagte Christine Lagarde. Aber im Gegensatz zu den letzten Zinsentscheiden verzichtete sie diesmal auf die Ankündigung weiterer Erhöhungen. Die EZB könnte vorsichtiger agieren, um die Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht weiter anzuheizen. Es könnte demnach bereits die letzte Zinserhöhung im Euroraum gewesen sein. Nächsten Mittwoch wird die US-Zentralbank Fed ihren Leitzinsentscheid bekannt geben, am Donnerstag die Schweizerische Nationalbank. 

Eine neue Finanzkrise ist derzeit unwahrscheinlich

Wegen der Bankenkrise in Amerika gehen Beobachter zunehmend davon aus, dass das Fed nächste Woche vorsichtiger zu Werke gehen wird. Die Aktienkurse der US-Regionalbanken sind im Schnitt um 25 Prozent eingebrochen und konnten sich seither nicht erholen. Eine Reihe von kleineren Banken haben ähnliche Geschäftsmodelle wie die Silicon Valley Bank. Am Donnerstag haben elf grosse US-Banken der kalifornischen First Republic eine Finanzspritze von 30 Milliarden Dollar gewährt. Unter den höheren Zinsen leidet bereits der wichtige Wohnungsmarkt, der inklusive Investitionen, Mieten und anderen Dienstleistungen etwa ein Sechstel der US-Wirtschaft ausmacht.

In den letzten Tagen haben sich die Erwartungen betreffend Fed deshalb stark verändert. Vor den Turbulenzen lagen die Prognosen bei einer Leitzinserhöhung von 0,5 Prozentpunkten. Nun erwarten die Terminmärkte mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit nur noch eine Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte. Dem Szenario, dass die Fed gar eine Pause einlegt, wird bereits eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent zugemessen, wie das «Fed Watch Tool» der Terminbörse CME zeigt. 

Da die Credit Suisse kein Problem mit den steigenden Zinsen hat, rechnet die Mehrheit der Prognostiker weiterhin damit, dass die Schweizerische Nationalbank den Leitzins erneut um 0,5 Prozentpunkte anheben wird. Die Ökonomen der Credit Suisse erwarten sogar einen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten. Es gebe einen Inflationsdruck auf breiter Front, deshalb werde die SNB ihren Leitzins im Lauf des Jahres auf insgesamt 2,25 Prozent anheben, sagte Claude Maurer, Chefökonom Schweiz, anlässlich einer Medienkonferenz am Mittwoch.

Dass sich nun eine Finanzkrise anbahnt, ist unwahrscheinlich. Denn das schnelle Handeln der US-Behörden bei den Regionalbanken und der Schweizerischen Nationalbank bei der CS dürfte diese Gefahr vorerst gebannt haben. Im Gegensatz zum Jahr 2007 stehen die Banken heute robuster da, ihre Bilanzen sind nicht mit Schrottpapieren voll wie damals, und sie sind weniger auf Liquidität aus dem Interbankenmarkt angewiesen. «Der Bankensektor ist widerstandsfähig, die Kapital- und Liquiditätspositionen sind solide», versicherte Lagarde an der Medienkonferenz der EZB. 

Allerdings verstärkt der Stress im Bankensystem die Unsicherheit. Die Stimmung bei den Konsumenten und Unternehmen dürfte sich in den nächsten Wochen trüben. Der Ölpreis hat in Erwartung einer schwächeren Konjunktur bereits nachgegeben. Auf die Banken kommen mit Sicherheit neue, schärfere Regulierungen zu, sie werden vorsichtiger mit der Kreditvergabe. Aber das ist letztlich das, was die Zentralbanken beabsichtigen.

Korrektur vom 16.3.2023, 21.00: Der Beitrag wurde um die Finanzspritze für die First Republic ergänzt.